Süddeutsche Zeitung

Arbeitsrecht:Wann Übergewicht ein Kündigungsgrund ist

200 Kilo wiegt ein Landschaftsgärtner - zu viel für seinen Arbeitgeber, er kündigt dem Mann. Vor Gericht haben sich die Parteien jetzt geeinigt.

Von Sarah Schmidt

Etwa 200 Kilo wiegt ein Landschaftsgärtner bei einer Größe von 1,94 Metern. Das bedeutet starkes Übergewicht. Aber bedeutet es auch, dass der Mann seinen Job nicht mehr ausüben kann? So sieht es jedenfalls das Unternehmen, bei dem der Endvierziger seit 30 Jahren beschäftigt ist. Nachdem auch ein Gesundheitsprogramm in einem Adipositas-Zentrum keinen Erfolg bringt, kündigt das Kleinunternehmen dem übergewichtigen Mitarbeiter. Dagegen wehrt sich der Gärtner, zudem fordert er eine Entschädigung wegen Diskriminierung.

Der Fall landete vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf. Es geht um die Frage, wann überschüssige Kilos ein Kündigungsgrund sind. Ein Thema, das zahlreiche Arbeitnehmer interessieren dürfte, gilt mittlerweile doch jeder zweite Deutsche als übergewichtig.

Arbeitsrechtlich muss der Arbeitgeber vor allem nachweisen, dass der Mitarbeiter aufgrund seiner Körpermasse dauerhaft nicht in der Lage ist, seinen Job auszuführen. Ein weiterer Aspekt ist die Frage, unter welchen Umständen Adipositas, also eine krankhafte Fettleibigkeit, als Behinderung angesehen werden kann.

Im konkreten Fall kann der Mitarbeiter dem Landschaftsbau-Unternehmen zufolge "eine Vielzahl von Tätigkeiten, die für seine Beschäftigung unabdingbar sind", nicht mehr ausüben. So sei dieser zum Beispiel nicht in der Lage einen Kleinlastwagen zu steuern. Auch könne er keine Graben- und Kanalarbeiten übernehmen, da die entsprechende Grabenbreiten-DIN-Norm und der Bauchumfang nicht mehr kompatibel seien. Es gebe keine passende Arbeits- und Schutzkleidung.

Er sei sehr wohl in der Lage, alle seine Aufgaben auszuüben, zeigt sich der Gärtner überzeugt. Die Kündigung ficht er an. Allerdings sei er aufgrund seiner Adipositas als behinderter Mensch anzusehen - wegen der Kündigung verlangt er daher eine Entschädigung in Höhe von 6000 Euro.

In erster Instanz hatte das Arbeitsgericht Düsseldorf der Kündigungsschutzklage des Gärtners stattgegeben. Der Arbeitgeber habe nicht ausreichend konkret darlegen können, dass der übergewichtige Mitarbeiter seine Arbeitsleistung nicht mehr erbringen könne. Allerdings, so die Einschätzung des Arbeitsgerichts, bestehe auch kein Anspruch auf eine Entschädigung. Von einer Behinderung könne keine Rede sein - schließlich betone der Arbeitnehmer selbst, voll einsatzfähig zu sein.

In der Berufungsverhandlung einigten sich beide Parteien an diesem Mittwoch. Sowohl die Kündigung als auch die Entschädigungsforderung sind damit vom Tisch. Der Mitarbeiter sagte zu, weiter "an seiner eingeleiteten Gewichtsreduzierung" zu arbeiten.

Das sagt der Arbeitsrechtexperte

Für Arbeitsrechtexperten ist das ein Fall wie aus dem Lehrbuch. "Um eine Kündigung zu rechtfertigen, muss der Arbeitgeber ganz konkret nachweisen, inwiefern der Mitarbeiter seinen Job nicht gut genug macht", sagt der Düsseldorfer Anwalt Daniel Hautumm. "An welchem Tag soll der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung nicht erbracht haben, in welcher Situation, welche anderen Mitarbeiter waren anwesend? Arbeitgeber müssen Probleme mit dem Mitarbeiter äußerst detailliert beschreiben." Das sei dem Landschaftsgarten-Unternehmen in erster Instanz offensichtlich nicht gelungen.

Geht es generell um Übergewicht am Arbeitsplatz, kommt es dem Arbeitsrechtexperten zufolge immer auch auf die konkrete Tätigkeit an. "Arbeitet jemand als Pilot, Busfahrer oder Feuerwehrmann, kann ein zu hohes Gewicht tatsächlich ein Risiko darstellen." Auch bei einem Fitnesstrainer könnte eine deutliche Zunahme eine Kündigung rechtfertigen. Ander sieht es jedoch bei Jobs aus, in denen die Leistung in keiner Weise an körperliche Voraussetzungen gebunden ist. "Bei einem Lehrer zum Beispiel kann ich mir nicht vorstellen, dass das ein Problem sein könnte."

Um einen Mitarbeiter wegen Adipositas zu kündigen, kämen grundsätzlich zwei Möglichkeiten in Frage. "Bei einer verhaltensbedingten Kündigung argumentiert das Unternehmen, der korpulente Mitarbeiter arbeite nicht so gut, wie er eigentlich könnte", erklärt Hautumm. Das sei allerdings - wie auch im aktuellen Fall deutlich wird - schwer nachzuweisen.

Eine zweite Option ist die personenbedingte Kündigung, so der Arbeitsrechtexperte. "In diesem Szenario wird die Fettleibigkeit als Krankheit betrachtet." Eine Kündigung habe allerdings nur dann Erfolgsaussichten, wenn eine negative Zukunftsprognose gestellt wird und durch das Übergewicht der Betriebsablauf deutlich gestört werde. Schließlich ist auch noch eine generelle Interessenabwägung durchzuführen; auch Faktoren wie die Beschäftigungsdauer oder die Zahl der Mitarbeiter fließen dann infolge in die Überlegungen mit ein, ob eine Kündigung vor Gericht Bestand hat.

"Zu der Frage, ob Adipositas eine Behinderung ist, hat der Europäische Gerichtshof bereits eine Entscheidung getroffen", sagt der Anwalt. Dies sei nur dann der Fall, wenn dauerhaft keine Teilnahme am Berufsleben möglich ist, weil die Mobilität stark eingeschränkt ist oder weitere Krankheitsbilder hinzukommen.

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