Arbeitsrecht:Private Mails müssen vom Arbeitgeber toleriert werden

Arbeitsplatz

Blick über die Schulter eines Beschäftigten - was er am Arbeitsplatz macht, geht seinen Arbeitgeber etwas an. Überwachen darf der das aber nur bedingt.

(Foto: dpa)
  • Der Gerichtshof für Menschenrechte hat wegweisend entschieden: Die Überwachung elektronischer Kommunikation von Arbeitnehmern verletzt die Privatsphäre.
  • Die Kündigung eines Rumänen, der per Dienstmailadresse privat kommunizierte, sei nicht rechtens.
  • Entscheidend für das Urteil: Der Ingenieur sei von seinem Arbeitgeber über die Kontrolle seiner Mailkorrespondenz nicht ausreichend informiert worden.

Von Larissa Holzki

Liebesgrüße an die Verlobte vom Dienst-PC? Dafür werden Beschäftigte nicht bezahlt - das muss auch nicht im Arbeitsvertrag stehen. Eine juristische Streitfrage ist jedoch immer wieder, inwieweit ein Arbeitgeber kontrollieren darf, ob seine Mitarbeiter während der Arbeitszeit ausschließlich Kundenanfragen beantworten.

Jetzt gibt es ein Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte dazu, an dem sich die Mitgliedsstaaten orientieren: Die Überwachung der elektronischen Kommunikation eines Arbeitnehmers verletze dessen Privatleben, urteilten die Straßburger Richter am Dienstag. Und doch schlossen sie - ähnlich wie das höchste deutsche Arbeitsgericht jüngst - eine Kontrolle nicht gänzlich aus. Der Kläger, ein rumänischer Ingenieur, hätte nicht entlassen werden dürfen, weil er nicht wusste, in welchem Ausmaß er ausgespäht wurde, als er seine berufliche Mailadresse auch für private Nachrichten nutzte.

Das Bundesarbeitsgericht hatte im Fall eines Webentwicklers entschieden: Ohne den begründeten Verdacht, dass ein Mitarbeiter schwerwiegend seine Pflicht verletzt, darf ein Arbeitgeber nicht heimlich ausspähen, was dieser in seinen PC eingibt. Auch hier hieß es also: Überwachung ist nicht grundsätzlich verboten.

Tatsächlich ist sogar einiges erlaubt: "Zunächst sind Wlan und Dienst-PCs Betriebsmittel des Arbeitgebers, über die er bestimmen kann", sagt Arbeitsrechtler Markus Diepold zur SZ. Das räume ihm auch das Recht ein, auf den Dienst-Rechner und E-Mails in der Inbox zugreifen. Allerdings gilt diese Zugriffsmöglichkeit nicht unbegrenzt, sagt Diepold: "Ausnahmen gelten dann, wenn erkennbar private E-Mails in der Inbox sind."

So war es im Fall des Rumänen, der jetzt in Straßburg geklagt hat. Über einen Nachrichtendienst, den er beruflich nutzen sollte, hatte er auch seiner Verlobten und seinem Bruder geschrieben. Zwar stritt der Beschäftigte das ab, als sein Arbeitgeber ihn entließ. Der hatte jedoch vorgesorgt: 45 Seiten private Chats hatte er mitgeschrieben; auch, welche gesundheitlichen Probleme sein Mitarbeiter mit seinen engsten Vertrauten teilte und was ihn in seinem Sexleben bewegte.

Nicht der Arbeitsvertrag zählt, sondern wie die Praxis aussieht

Zu Bürozeiten auch mal private E-Mails lesen und auf Facebook eine Geburtstagseinladung annehmen - für Arbeitnehmer ist das dank Internet und mobilen Endgeräten kein Problem. Dafür die Dienst-Mailadresse zu nutzen, ist nicht mehr nötig. Das wissen auch die Arbeitgeber - und es führt dazu, dass sie sich immer weniger dagegen wehren können: "Nutzen die Arbeitnehmer das Internet auch privat und weiß der Arbeitgeber das beziehungsweise duldet er es, kann er nicht mehr ohne weiteres auf die Inbox zugreifen", sagt Arbeitsrechtler Diepold. Dann sei ein Zugriff nur noch möglich, wenn der Verdacht einer Straftat vorliege.

Wer also nicht schimpft, wenn am Dienstcomputer der Oma zum Geburtag gratuliert wird, der kann sich das nächste Mal auch nicht dagegen wehren, wenn der Termin mit dem Heizungsmonteur koordiniert wird. Das heißt auch: Wer vom Chef erwischt wurde, als er sich durch Facebook scrollte, und dafür keinen Ärger bekam, der darf das künftig als Freifahrtschein werten. Es zählt vor Gericht nicht, was im Arbeitsvertrag steht, sondern wie der Büroalltag tatsächlich aussieht.

Und dort entzieht sich immer mehr auch den Kontrollmöglichkeiten der Arbeitgeber. Denn häufig nutzen Arbeitnehmer im Job auch eigenen Geräte. "Das private Handy eines Mitarbeiters ist für den Arbeitgeber tabu", sagt Diepold. Darauf darf er auch keine Dienstmails mitlesen.

Was die Gerichtsprozesse deshalb immer wieder zeigen: Wichtig und immer wichtiger für Arbeitgeber und -nehmer sind klare Regeln. So waren sich Richter in Straßburg im vergangenen Jahr noch uneins im Fall des Rumänen: Ein spanischer Richter hatte gegen die Entscheidung seiner Kollegen votiert, die Überwachung zu dulden: "Arbeitnehmer geben ihr Recht auf Privatsphäre und Datenschutz nicht jeden Morgen an den Türen ihres Arbeitsplatzes ab", zitierte er ein EU-Beratungsgremium zum Datenschutz. Internetzugang sei ein Menschenrecht, das transparente interne Regeln zur Internetnutzung und angemessene Strategien verlange. Daran habe es in dem rumänischen Unternehmen völlig gefehlt.

Übrigens gilt bei der Erwartungshaltung für Arbeitnehmer und Arbeitgeber das Gleiche: Während Chefs Freizeitplanung vom Büroschreibtisch nicht dulden müssen, müssten Arbeitnehmer außerhalb der Arbeitszeiten auch keine beruflichen Termine ausmachen und Mails beantworten - auch wenn das oftmals anders erwartet werde, sagt Arbeitsrechtler Diepold.

Mit Material der dpa.

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