Süddeutsche Zeitung

Kirchliches Arbeitsrecht:Liebe und arbeite

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Von Matthias Drobinski, München

Die katholische Kirche liberalisiert nach langer interner Diskussion ihr Arbeitsrecht. Wer als Beschäftigter geschieden ist und wieder heiratet, muss künftig nur noch in Ausnahmefällen mit der Kündigung rechnen. Das gleiche gilt auch für Lesben und Schwule, die in eingetragenen Lebenspartnerschaften leben. Zudem sollen künftig die Gewerkschaften an den Verhandlungen der Dienstgeber und Dienstnehmer beteiligt werden.

Ein entsprechender Beschluss des Verbandes der Diözesen Deutschlands wurde am Dienstag veröffentlicht. Die katholische Kirche reagiert damit auf die anhaltende Kritik am eigenen kirchlichen Arbeitsrecht, das mehr als 700 000 Beschäftigte bei der Kirche oder dem Sozialträger Caritas betrifft.

Eine Entlassung soll künftig nur dann die letzte Möglichkeit sein, wenn der Fall die Integrität und Glaubwürdigkeit der Kirche beeinträchtigt oder "ein erhebliches Ärgernis in der Dienstgemeinschaft oder im beruflichen Wirkungskreis" erregt. Einen Kündigungsautomatismus gebe es auch dann nicht, betont die Bischofskonferenz. Zu den schwerwiegenden Gründen gehört das "öffentliche Eintreten gegen tragende Grundsätze der katholischen Kirche (z. B. die Propagierung von Abtreibung oder von Fremdenhass), der Austritt aus der katholischen Kirche oder kirchenfeindliches Verhalten", wie es in der Mitteilung der Bischöfe heißt. Einen festgelegten Katalog solcher Verstöße gebe es nicht.

Die Lockerung gilt nicht für Seelsorger und Religionslehrer

Die Liberalisierung hat ihre Grenzen: Für Frauen und Männer, die als Seelsorger oder Religionslehrer besonders vom Bischof beauftragt sind, bleibt die bisherige Rechtslage bestehen. Sie unterliegen erhöhten Loyalitätsforderungen und müssen mit Konsequenzen bis hin zur Kündigung rechnen, wenn sie eine zweite Ehe oder Lebenspartnerschaft eingehen. Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki sagte der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA), dass die Entscheidung, welcher Mitarbeiter zu besonderer Loyalität verpflichtet sei, der Ortsbischof treffe.

Eine spannende Frage wird sein, ob nun alle 27 Ortsbischöfe diese Richtlinien in ihrem Bistum als Kirchengesetz in Kraft setzen - erst dann greifen dort die Regelungen. Bis zuletzt hatte sich eine konservative Minderheit gegen die Liberalisierung gesträubt. Aus ihrer Sicht waren die Änderungen nicht nötig, weil bislang die höchsten Gerichte in Deutschland das Recht der Kirchen bestätigt haben, eigene Regeln beim Arbeitsrecht aufzustellen. Lediglich die bessere Beteiligung der Gewerkschaften an den Verhandlungen über Gehälter und Arbeitsbedingungen hatte das Bundesarbeitsgericht angemahnt.

Mehr als zwei Drittel der Bischöfe schlossen sich aber der Auffassung des Bischofskonferenzvorsitzenden und Münchner Kardinals Reinhard Marx an, dass das bisherige Arbeitsrecht bei den Mitarbeitern und in der Öffentlichkeit so nicht mehr zu vermitteln sei.

Verdi will Arbeitsrecht der Kirchen ganz abschaffen lassen

Die Reaktionen auf die neue Grundordnung sind überwiegend positiv. Caritas-Präsident Peter Neher lobte, dass die Bischöfe sich mit der Lebenswirklichkeit der Mitarbeiter auseinandergesetzt hätten. Überhaupt solle sich die Loyalität der Mitarbeiter nicht mehr allein über die Lebensführung definieren, sondern über das Bekenntnis zur "Sendung der Kirche ". Alois Glück, der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, appellierte an die Diözesanbischöfe, die Beschlüsse nun auch umzusetzen. Dass künftig jeder Loyalitätsverstoß individuell geprüft werden müsse, bedeute "einen substanziellen Paradigmenwechsel".

Der Grünen-Politiker Volker Beck lobte die Reform, sieht aber weiter den Gesetzgeber gefragt, der der kirchlichen Autonomie Grenzen setzen müsse. Die Gewerkschaften wiederum lehnen nach wie vor insgesamt den "Dritten Weg", das eigene Arbeitsrecht der Kirchen ab. Es sei "keine akzeptable Alternative", sagte Verdi-Chef Frank Bsirske. Dafür werde man vor das Bundesverfassungsgericht ziehen und auch vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

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SZ vom 06.05.2015
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