Süddeutsche Zeitung

Arbeitsrecht:Kopftuchverbot am Arbeitsplatz ist wohl zulässig

  • Der Europäische Gerichtshof (EuGH) verhandelt darüber, ob Unternehmen ihren Angestellten das Tragen religiöser Symbole am Arbeitsplatz verbieten dürfen.
  • Eine Generalanwältin findet ein Verbot unter bestimmten Umständen zulässig.
  • Geklagt hat eine Muslima, nachdem ihr ehemaliger Arbeitgeber ihr das Tragen eines Kopftuches bei der Arbeit verboten hatte.

Unternehmer können womöglich bald europaweit muslimischen Mitarbeiterinnen verbieten, während der Arbeit ein Kopftuch zu tragen. Stütze sich solch ein Verbot auf eine Betriebsregelung zur Untersagung sichtbarer politischer und religiöser Zeichen am Arbeitsplatz, liege keine Diskriminierung vor, heißt es in den am Dienstag in Luxemburg veröffentlichten Schlussanträgen der Generalanwältin des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), Juliane Kokott.

Der konkrete Fall

Im Ausgangsfall war eine Muslimin als Rezeptionistin bei einer belgischen Firma beschäftigt. Als sie nach dreijähriger Tätigkeit für das Unternehmen darauf bestand, künftig mit einem Kopftuch zur Arbeit erscheinen zu dürfen, wurde ihr gekündigt, weil bei dem Unternehmen das Tragen sichtbarer religiöser, politischer und philosophischer Zeichen verboten ist.

Die Frau verklagte die Firma auf Schadenersatz. Nach einem Rechtsstreit durch mehrere Instanzen landete der Fall beim belgischen Kassationshof. Dieser wandte sich an den EuGH, damit das oberste rechtsprechende Organ der EU das Verbot religiöser Diskriminierung konkretisiert. Dieses ist in einem EU-Gesetz aus dem Jahr 2000 verbrieft.

Details zum Schlussantrag

Laut Kokott verfolgen Arbeitgeber eine "legitime Politik", wenn sie in ihren Betrieben eine "religiöse und weltanschauliche Neutralität" durchsetzen wollen. Zwar sei die Religion für viele Menschen ein wichtiger Teil ihrer persönlichen Identität. Während aber ein Arbeitnehmer sein Geschlecht, seine Hautfarbe, seine ethnische Herkunft, seine sexuelle Ausrichtung, sein Alter oder seine Behinderung nicht "an der Garderobe abgeben" könne, sobald er die Räumlichkeiten seines Arbeitgebers betrete, könne ihm bei der Religionsausübung am Arbeitsplatz eine gewisse Zurückhaltung zugemutet werden. Ein Verbot dürfe jedoch nicht auf Stereotypen oder Vorurteilen gegenüber Religionen beruhen.

Weiter hieß es, das Maß an Zurückhaltung sei von "einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände des jeweiligen Einzelfalls abhängig". Das Urteil wird in einigen Monaten erwartet. Zumeist folgt der Gerichsthof den Schlussanträgen seiner Generalanwälte.

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SZ.de/AFP/mkoh/harl
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