Arbeitsrecht in der katholischen Kirche:Grauzonen der Doppelmoral

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Der Kölner Dom im Zwielicht: Die Reform des Arbeitsrechts der katholischen Kirche lässt im Unklaren, in welchen Fällen Angestellte den Frieden in ihrer Dienststelle gefährden - und deshalb entlassen werden können. (Foto: dpa)

Einem Oberarzt wird gekündigt, weil er erneut heiratet, eine Hort-Leiterin wird wegen ihrer lesbischen Lebenspartnerschaft vor die Tür gesetzt. Nun hat die katholische Kirche ihr Arbeitsrecht endlich liberalisiert. Doch damit wird die Willkür nicht abgeschafft.

Kommentar von Matthias Drobinski

Die katholische Kirche liberalisiert ihr Arbeitsrecht, endlich, nach Jahren der inneren Debatte, nach Jahren des Drängens vieler kirchlicher Beschäftigten, nach Jahren, in denen dieses Arbeitsrecht die Kirche viel öffentliches Ansehen gekostet hat. Wer bei der Kirche arbeitet und nach einer Scheidung wieder heiratet, wer schwul ist oder lesbisch und eine Lebenspartnerschaft eingeht, der muss nur noch in Ausnahmefällen die Entlassung fürchten, wenn der Fall in besonderer Weise ein Ärgernis darstellt oder den Frieden in der Dienststelle gefährdet. Wo das Ärgernis beginnt, sagen die Bischöfe nicht: Beim Schuft, der Ex-Frau und Kinder um den Unterhalt prellt? Bei dem, der auf dem Christopher-Street-Day eine flammende Rede für mehr Promiskuität hält?

Immerhin: Für ihre Verhältnisse sind die Bischöfe sehr weit gegangen. Die große Mehrheit von ihnen hat begriffen, dass es nicht hilft, einfach nur auf den Rechtsanspruch zu pochen, dass in Deutschland die Kirchen in ihrem eigenen Bereich das Arbeitsrecht selber regeln dürfen. Die große Mehrheit sieht, dass das Leben ihrer Beschäftigten vielfältiger ist, als es die Normen der katholischen Kirche vorsehen, dass es Brüche im Leben gibt, für die das Kirchenrecht keine wirklich guten Antworten hat. Das ist tatsächlich ein Perspektivwechsel: Bislang mussten jene Mitarbeiter, deren Leben nicht den Normen der Kirche entsprach, darauf hoffen, dass niemand Ärger macht, wenn sie unauffällig bleiben, ohne jede Sicherheit, immer in den Grauzonen der Doppelmoral. Damit ist es nun hoffentlich weitgehend vorbei.

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Von Matthias Drobinski

Und doch ist es eine Reform mit Grenzen. Es ist noch nicht einmal sicher, ob alle Bischöfe die neue Rahmenordnung im eigenen Bistum umsetzen - eine Minderheit war bis zuletzt gegen die Änderungen. Auch bei der Umsetzung bleibt der Gestaltungsspielraum groß: Jeder Bischof kann festlegen, für welche Mitarbeiter besondere Loyalitätspflichten gelten und damit weiterhin die alten, harten Regeln: Für all die Kindergartenleiterinnen, Religionslehrer, Pastoral- und Gemeindereferenten? Das wäre eine ziemlich große Gruppe. Und schließlich kann jeder Bischof entscheiden, was für ihn ein besonderes Ärgernis ist, das eine Entlassung begründet. Die Willkür wird mit den neuen Regeln eingeschränkt. Abgeschafft wird sie nicht.

Der tiefe Graben zwischen kirchlicher Lehre und den Gläubigen

Es ist im Grundsatz das gute Recht der Kirchen, von ihren Mitarbeitern eine stärkere Loyalität zu fordern, als das zum Beispiel ein Fabrikant von Dosensauerkraut kann. Kirchen sind Tendenzbetriebe wie Gewerkschaften, Parteien, auch Zeitungshäuser und Rundfunkanstalten. Und so, wie die Gewerkschaften niemanden dulden müssen, der öffentlich gegen die Tarifautonomie eintritt oder das Streikrecht, so müssen auch die Kirchen niemanden beschäftigen, der Jesus einen Betrüger nennt, fremdenfeindliche Kundgebungen organisiert oder sich als Heiratsschwindler einen Namen gemacht hat.

Das Problem der katholischen Kirche aber ist, dass sie gerade im Bereich der persönlichen Lebensführung Normen einfordert, die auch die Mehrzahl der Katholiken für nicht mehr lebensgemäß hält, an die sich viele Beschäftigte nicht mehr halten oder auch halten können, ohne Schaden an der Seele zu nehmen. So lange aber dieser Graben zwischen kirchlicher Lehre und den Gläubigen so tief und breit bleibt, wird es auch mehr Loyalitätsprobleme bei kirchlichen Angestellten geben als bei Parteien oder Gewerkschaften. Jedenfalls, solange die katholische Kirche Loyalität vor allem über die Frage definiert, unter welchen Umständen wer wen heiratet oder sich zum Lebenspartner nimmt.

Dabei sollte es, wie der Caritas-Präsident Peter Neher richtig gesagt hat, bei Loyalität doch um ganz andere Dinge gehen: Verhält sich jemand so, dass er dem Auftrag und dem Wesen einer kirchlichen Dienststelle nutzt - oder eben schadet? Aus dieser Perspektive schadet ein Antisemit oder Islamfeind im Kirchendienst dem Auftrag Jesu mehr als jemand, der die angeblich falsche Frau oder den falschen Mann heiratet.

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