Arbeitsrecht:Darf der Arbeitgeber meine Telefongespräche auswerten?

Der Chef von Jasemine G. will monatelang alle Telefonate der Mitarbeiter aufzeichnen. Muss sie sich das gefallen lassen?

SZ-Leserin Jasmine G. fragt:

Ich arbeite im Vertrieb eines mittelständischen Unternehmens. Die Geschäftsleitung hat uns nun darüber informiert, dass sie die Telefongespräche in unserer Abteilung zwei Monate lang stichprobenartig zu Schulungszwecken aufzeichnen will. Die Gespräche sollen ausgewertet und so der Schulungsbedarf für jeden einzelnen Mitarbeiter ermittelt werden. Ich habe grundsätzlich nichts dagegen, da ich mich am Telefon immer freundlich und serviceorientiert verhalte. Allerdings habe ich Bedenken, dass ich vielleicht bei einer dieser Aufzeichnungen keinen guten Tag habe und ein Telefonat gar nicht meinen sonstigen Leistungen und meinem sonstigen Verhalten entspricht. Daher meine Frage: Darf der Arbeitgeber überhaupt Telefongespräche mitschneiden? Und muss ich bei dieser Aktion mitmachen?

Ina Reinsch antwortet:

Liebe Frau G., Sie sprechen ein komplexes Thema an, denn das Aufzeichnen von Telefonaten greift weit in das Grundrecht jedes Einzelnen auf informationelle Selbstbestimmung ein und ist daher nur unter sehr engen Voraussetzungen zulässig. Jeder Mensch soll selbst bestimmen können, welche Daten über ihn erhoben, gespeichert und verwertet werden. Dem trägt auch das Strafrecht Rechnung. Nach Paragraf 201 des Strafgesetzbuchs kann mit Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden, wer unbefugt das nicht öffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt oder abhört.

Der SZ-Jobcoach

Ina Reinsch hat Jura, Kriminologie und Soziologie in München und Zürich studiert. Heute lebt sie als Rechtsanwältin, Autorin und Referentin in München und befasst sich schwerpunktmäßig mit dem Thema Arbeitsrecht.

Telefonate von Mitarbeitern darf der Arbeitgeber daher weder heimlich abhören noch aufzeichnen. Ob Ihr Chef Kundengespräche zu Schulungszwecken mit Ankündigung aufnehmen darf, richtet sich nach dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Danach ist die Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten nur zulässig, wenn eine Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat. Ein Gesetz, das dem Arbeitgeber das Aufzeichnen grundsätzlich erlaubt, gibt es nicht. Die für Firmen relevanten Normen des BDSG rechtfertigen das Mitschneiden im Regelfall nicht.

Daher kommt es entscheidend darauf an, ob die Betroffenen - das sind Sie als Arbeitnehmer und Ihre Kunden - wirksam in die Aufzeichnung der Telefongespräche eingewilligt haben. An die Einwilligung stellt das BDSG hohe Anforderungen: Sie muss vor Beginn der Aufzeichnung erfolgen und - von Ausnahmen auf Seiten der Kunden abgesehen - schriftlich erklärt werden. Dabei muss der Betroffene sehr konkret über die Art und Weise der Datenverarbeitung, über deren Zweck und die Speicherdauer informiert werden sowie darüber, wer Zugriff auf die Daten erhält. Pauschaleinwilligungen genügen hier nicht. Zudem muss die Einwilligung freiwillig erfolgen und kann grundsätzlich jederzeit widerrufen werden.

Viele Experten, aber auch einige Aufsichtsbehörden, bezweifeln, dass ein Arbeitnehmer aufgrund des ungleichen Machtgefüges in einem Arbeitsverhältnis überhaupt freiwillig einwilligen kann - muss er doch bei einer Weigerung unter Umständen mit Nachteilen rechnen. Das Bundesarbeitsgericht hat allerdings 2014 entschieden, dass die Unterordnungssituation in Arbeitsverhältnissen der Freiwilligkeit nicht prinzipiell entgegensteht. Damit ist eine Einwilligung im Arbeitsverhältnis grundsätzlich möglich, muss sich aber an den genannten Maßstäben messen lassen. Wenn Ihr Arbeitgeber allerdings fordert, dass jeder Mitarbeiter unterschreiben muss, sollten bei Ihnen die Alarmglocken schrillen. Dann kann nämlich definitiv nicht mehr von Freiwilligkeit die Rede sein.

Gibt es in der Firma einen Betriebsrat, können solche datenschutzrechtlichen Fragen auch durch eine Betriebsvereinbarung geregelt werden. Außerdem muss der Betriebsrat nach dem Betriebsverfassungsgesetz zustimmen, wenn der Arbeitgeber das Verhalten und die Leistung der Beschäftigten mittels technischer Einrichtungen überprüfen will.

Bei der konkreten Umsetzung der Schulungsmaßnahme muss der Arbeitgeber noch einiges beachten. Nach dem BDSG ist er gehalten, so wenige persönliche Daten wie möglich zu erheben. Dieser Grundsatz der Datensparsamkeit verbietet etwa einen Dauermitschnitt sämtlicher Telefonate, eine Überwachung kann daher nur stichprobenartig erfolgen, wobei der Mitarbeiter zuvor vom Arbeitgeber darüber informiert werden muss. Hält Ihr Arbeitgeber sich an die gesetzlichen Vorgaben, steht einer stichprobenartigen Aufzeichnung zu Schulungszwecken nichts im Weg. Mitmachen müssen Sie aber nicht.

Haben Sie auch eine Frage zu Berufswahl, Bewerbung, Etikette, oder Arbeitsrecht? Dann schreiben Sie ein paar Zeilen an coaching@sueddeutsche.de. Unsere Experten beantworten ausgewählte Fragen. Ihr Brief wird anonymisiert.

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