Arbeitsplatzgestaltung:Stressfaktor Schreibtisch
Lesezeit: 3 Min.
Der Arbeitsplatz beeinflusst unser Stresslevel: Je mehr Kollegen in einem Großraumbüro arbeiten, desto gestresster fühlt sich der Einzelne. Aber jeder kann etwas dafür tun, damit das Wohlbefinden im Büro steigt.
Von Karin Janker
Ein Meter Rückrolltiefe für den Bürostuhl, die Schreibtischfläche 1,28 Quadratmeter groß, zweieinhalb Meter Raumhöhe - das sind die gesetzlichen Mindestanforderungen für einen Arbeitsplatz im Büro. Aber fühlt man sich an so einer Arbeitsstätte auch wohl?
Einer Studie der Technischen Universität München (TUM) zufolge steigt das Stresslevel, wenn sich viele Menschen ein Büro teilen. Am wenigsten gestresst fühlten sich die Befragten der Untersuchung zufolge in Kleingruppenbüros, wo sie weder vereinsamen noch einem hohen Lärmpegel ausgesetzt sind. Warum Unternehmen trotz des schlechten Images auf Großraumbüros setzen, hat vor allem wirtschaftliche Gründe: Die Kosten für Heizung und Strom fallen niedriger aus als in Einzelbüros.
Arbeitsplätze nicht einfach zuteilen
Der Stress für den Einzelnen beginnt jedoch bereits bei der Entscheidung für ein Einzel-, ein Kleingruppen- oder ein Großraumbüro. "Manche brauchen Ruhe zum Arbeiten, andere bringen erst dann gute Leistung, wenn allgemeines Gewusel um sie herum herrscht", so Dirk Lehr, Psychotherapeut an der Leuphana Universität in Lüneburg. "Am schlimmsten ist es für Mitarbeiter, wenn sie bei der Arbeitsplatzgestaltung keine Entscheidungsmöglichkeit haben."
Unternehmen sollten Arbeitsplätze daher nicht einfach zuteilen, sondern ihre Angestellten in die Entscheidung einbeziehen und ihnen beispielsweise eine Testphase im Großraumbüro gewähren. "Wenn eine Firma diese Wahlmöglichkeiten nicht bieten kann, sollte zumindest in den Pausenräumen Ruhe herrschen und individuelle Entspannung möglich sein", sagt Lehr.
Sind keine derartigen Ruhezonen vorhanden, können Arbeitnehmer zumindest ihre Mittagspause zum Stressabbau nützen und einen Spaziergang machen. Eine aktuelle Studie zeigt, dass Bewegung gegen aufkommenden Stress hilft: Menschen, die in ihrer Pause Sport treiben, fühlen sich der Befragung zufolge weniger gestresst als andere.
Andreas Hillert, Chefarzt an der Schön Klinik Roseneck, betont, dass es bei der Gestaltung des Arbeitsplatzes immer um das subjektive Wohlgefühl gehe und eine Lösung für alle oft aus einem Kompromiss bestehe. Aus der Arbeit mit Burn-out-Patienten weiß er: "Die wenigsten Menschen mögen Großraumbüros. Gerade wenn Menschen sich ohnehin überlastet fühlen, wird bei Überlastung der Lärmpegel als zusätzlicher Stress empfunden."
Allerdings macht ein Großraumbüro nicht zwangsläufig krank. Häufig entscheidet ein anderer Faktor über das Wohlbefinden am Arbeitsplatz: "Wichtiger als die räumlichen Bedingungen, ist es, von Kollegen und vom Chef Wertschätzung für die eigene Arbeit zu erhalten", sagt Hillert.
Um das individuelle Stresslevel zu ermitteln, bietet die Internetseite Geton-Training mehrere Tests und ein kostenloses Training an, das helfen soll, den Stress zu reduzieren. Ein Faktor ist auch hier der Arbeitsplatz. Bernhard Sieland, der das Projekt zusammen mit Kollegen leitet, betont, dass bei der Gestaltung mehrere Faktoren Stress auslösen können: "Zum einen gibt es physikalische Stressoren wie schlechte Luft oder eine zu schwache Beleuchtung, die auf Dauer krank machen können." Dazu kämen interaktive Stressoren wie unfreundliche Kollegen und häufige Unterbrechungen.
Wer beispielsweise auf die Testfrage "Bei meiner Arbeit werde ich häufig unterbrochen und gestört" mit Ja antwortet, der leidet womöglich unter der Situation eines Großraumbüros und bräuchte ein Einzelbüro, in dem er seine Aufgaben ohne Unterbrechungen von außen abarbeiten kann.
Weil man nur wenige dieser Stressfaktoren vollkommen ausschalten kann, empfiehlt Sieland, zumindest den eigenen Schreibtisch individuell zu gestalten und an die eigenen Bedürfnisse anzupassen. "Das kann für den einen ein Teddybär sein, den er sich neben den Bildschirm stellt, oder auch Familienfotos oder ein Sichtschutz, der fremde Blicke abschirmt", sagt Sieland. Andere bräuchten dagegen eine leere Schreibtischplatte vor sich - und sollten daher regelmäßig aufräumen, um nicht durch das Chaos zusätzlich gestresst zu werden.
Die Farbe Grün macht kreativer
Mehrere Studien, die die Broschüre "Wohlbefinden im Büro" der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) zitiert ( Broschüre als pdf), haben außerdem untersucht, welchen Einfluss Pflanzen auf die Atmosphäre im Büro haben: Ein wenig Grün kann demnach neben der Luftfeuchtigkeit auch das Wohlbefinden steigern. Die BAuA empfiehlt vor allem Zimmerlinde oder Zyperngras, die die Luftfeuchtigkeit um zehn bis fünfzehn Prozent erhöhen könnten.
Und die Farbe Grün tut ihre Wirkung nicht nur auf den Blättern der Pflanzen. Eine Untersuchung der Ludwig-Maximilians-Universität München hat herausgefunden: Wer ein grünes Farbfeld sieht, arbeitet kreativer. So hat auch die Farbgestaltung unseres Arbeitsplatzes einen Einfluss darauf, wie produktiv wir sind.
Ein bisschen Grün, die Heizung nicht zu warm und nicht zu kalt, der Bürostuhl ergonomisch eingerichtet - so schafft man sich eine möglichst angenehme Atmosphäre an dem Ort, an dem man den Großteil seiner wachen Stunden verbringt. Doch auch Psychologe Bernhard Sieland weiß, dass es mit kosmetischen Verbesserungen in vielen Fällen nicht getan ist: "Manche Dinge lassen sich in einem Büro einfach nicht verändern oder umbauen, hier hilft eine gute Führungskultur mit Wertschätzung, damit man Dinge, die man nicht ändern kann, aushalten lernt."