Arbeitsorganisation:Ordnung muss rein

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Aktenordnerregal im Büro Illustration ibxvnh04040546 jpg

Ob energetische Modernisierung, technische Standards, Mietrecht oder Digitalisierung: Die Anforderungen an Verwalter werden immer höher.

(Foto: imago)

Papierberge, viele bunte Stifte und E-Mail-Postfächer, die überquellen: Chaos im Büro hält uns von der Arbeit ab, kostet Zeit - und es nervt. Dabei ginge es auch ganz anders. Ein Besuch bei Menschen mit System.

Von Hannes Vollmuth

Auf dem Tisch stehen zwei Bildschirme. Davor die Tastatur, die Maus, ein Tischkalender, ein Namensschild. In der Ablage: ein Blatt. Die andere Ablage: leer. Das ist alles. Das ist der Schreibtisch von Daniel Böhm.

Ups, ganz schön kahl

"Wenn auf dem Schreibtisch nichts herumliegt, kann mich nichts ablenken." So sieht es Böhm, 25 und Versuchstechniker bei Continental in Roding, Ostbayern. Am Anfang, kurz nach dem Aufräumen und Ordnen, hatte er noch gedacht: "Ups, ganz schön kahl." Aber nach ein paar Wochen fühlte er sich wohl - und schaffte sogar mehr Berichte als in den alten, chaotischen Zeiten, als er noch nichts wusste vom Ordnungssystem 5S.

Nicht jedem geht es schon wie Daniel Böhm. Die Realität in deutschen Büros sieht anders aus: Auf dem Schreibtisch türmt sich Papier, und in den Schubfächern lagert der Müll. Wenn es noch einen funktionierenden Kugelschreiber gibt, dann schluckt ihn garantiert das Chaos. Und der Computer-Desktop wirkt, als habe ihn jemand mit Dateien tapeziert.

Das Geheimnis der Ordnung: 5S

Das Chaos raubt unsere Arbeitszeit, und zwar ein ganzes Drittel. So beschreiben es zumindest das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung in Stuttgart zusammen mit dem Kaizen Institute in Bad Homburg in der Studie "Lean Office 2006". Der größte Bremsklotz: mangelnde Abstimmung und das Suchen von Information.

Weil Zeit auch Geld kostet, erfand schon 1991 der Toyota-Chef Takashi Osada das Ordnungssystem 5S. In Fabrikhallen auf der ganzen Welt ist 5S Standard, jetzt erreicht es das Büro. Wer damit arbeitet, muss nicht mehr suchen, spart sich Wege, kann sich wieder konzentrieren und erledigt schneller seine Arbeit. So lautet das Versprechen. Könnte es also allen so gehen wie Daniel Böhm?

"Ganz am Anfang", sagt Hermann Wagner, "ist der Widerstand natürlich groß." Wagner läuft mit schnellen Schritten durch das Großraumbüro von Continental in Roding: Schreibtische, Drucker, Büroschränke, Zimmerpflanzen, Rollcontainer. Wagner arbeitet für das Kaizen Institute und berät Unternehmen. Jeden dritten Einsatz macht er für 5S, Bedarf gibt es genug. "Sogar Kreativ-Arbeiter", sagt Wagner, "die leiden auch unter ihrem Chaos."

Nur im Büro mosern alle am Anfang

Natürlich hat sich auch bei Continental niemand ums Aufräumen gerissen. Wagner kennt das, immer dasselbe: "Wer ordnet, ist zu faul zum Suchen", sagen sie in ganz Deutschland zu ihm. Oder sie fragen: "Soll ich jetzt meinen Kugelschreiber nach Norden ausrichten?" In Fabrikhallen kapieren sie sofort die Idee hinter 5S: kein Müll an den Maschinen und der Bohrer immer am selben Platz. "Nur im Büro", sagt Wagner, "mosern alle am Anfang".

5S leitet sich ab von den Anfangsbuchstaben der japanischen Begriffe seiri, seiton, seiso, seiketsu und shitsuke. Was ins Deutsche übertragen heißt: Sortieren, Systematisieren, Sauberkeit, Standardisieren, Selbstdisziplin. Jeder der Begriffe ist eine Stufe, das Ganze ein Prozess von etwa einem Jahr. Was erst mal sperrig klingt, ist eigentlich ziemlich praxisnah, versichern 5S-Experten "Es ist einfach, es ist total einfach, und es ist effektiv", sagt Wagner.

Mit dem ersten S, dem Sortieren, flogen in Roding gleich mal vier Tonnen Schrott auf den Müll: Telefonbücher aus den Neunzigern, Fieberthermometer, ausgedruckte Mails und Massen kaputter Stifte, sogar ein Strip-Dollar aus New York war dabei. Wagner, der 5S-Coach, sagt: "Wer sucht, der arbeitet nicht."

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