Arbeitsmodelle:Misstrauische Chefs verhindern Home-Office

  • Der Arbeitnehmerflügel der CDU möchte per Gesetz Mitarbeitern mehr Möglichkeiten geben, im Home-Office zu arbeiten.
  • Im Nachbarland Niederlande existiert seit dem 1. Juli ein Rechtsanspruch auf Heimarbeit.
  • In Deutschland ist Home-Office unter Arbeitnehmern populär - unter Vorgesetzten jedoch umstritten.

Von Alexander Hagelüken

Viele Deutsche stellen sich das schön vor: Morgens nicht mit dem Auto ins Büro hetzen, sondern auch mal zu Hause arbeiten. Weniger Stau und Konferenzen, selbst die Zeit einteilen. Was moderne Kommunikation per E-Mail und dicker Datenkabel ermöglicht, will nun die CDA, der Arbeitnehmerflügel der CDU, per Gesetz erleichtern: die Heimarbeit. Als Vorbild sieht CDA-Vize-Chef Christian Bäumler die Niederlande. Dort gibt es seit 1. Juli einen Rechtsanspruch: Wenn Firmen mit mehr als zehn Mitarbeitern einem Beschäftigten Home-Office abschlagen, müssen sie beweisen, warum es nicht geht.

In Deutschland bewegt sich dagegen wenig. Zwar wollen immer mehr Beschäftigte flexibler arbeiten, um Beruf und Familie besser zu vereinbaren. Und manche Firmen kommen ihren knapp werdenden Fachkräften entgegen: So kündigen mehrere Autohersteller eine Betriebsvereinbarungen zur Ausweitung der Heimarbeit an, wie sie BMW schon hat. Doch diese Neuerungen sind kein Trend. Im Gegenteil. Der Anteil Deutscher, die auch zu Hause arbeiten, geht zurück: Von knapp zehn Prozent 2008 auf aktuell 7,4 Prozent - weniger als sonst in Europa.

"Kontrollfreaks, die ihren Mitarbeitern misstrauen"

In Deutschland räumen weder Gesetze noch die meisten Tarifverträge Ansprüche auf Heimarbeit ein. Die Entscheidung liegt bei den Firmen, die oft skeptisch sind, ob ein Beschäftigter zu Hause genug leistet. Ein Rechtsanspruch würde den Anteil an Home-Office erhöhen, erwartet Dominik Groll, Ökonom am Institut für Weltwirtschaft. Doch er lehnt das ab, genau wie die Arbeitgeberverbände. "In der Produktion ist Home-Office meist unmöglich", sagt Groll. Präsenz sei auch im Speditionslaster oder an der Ladenkasse gefragt: "Es könnte sein, dass mehr Heimarbeit die Geschäfte der Firma schädigt, dann schneiden sich Mitarbeiter ins eigene Fleisch."

Allerdings gibt es in den Niederlanden nur einen Rechtsanspruch, wenn keine zwingenden betrieblichen Gründe dagegen sprechen. Auch bei uns wäre mehr Heimarbeit möglich, glaubt Karl Brenke, Arbeitsmarktexperte des Forschungsinstituts DIW. Er verweist auf Dienstleistungsjobs, deren Anteil wächst. Und er verweist auf Großbritannien und Schweden, wo 20 beziehungsweise 26 Prozent der Beschäftigten teils zu Hause arbeiten. "In Deutschland sind viele Vorgesetzte Kontrollfreaks, die ihren Mitarbeitern misstrauen", kritisiert er. Wirtschaftlich sei das unklug. Studien zeigen: Heimarbeiter sind oft produktiver. Logisch, findet Brenke: "Die müssen ja beweisen, dass sie zu Hause wirklich was tun."

Und was ist mit Ideen, die nur entstehen, wenn sich Kollegen sehen, und das nicht per Videokonferenz? Marissa Mayer schaffte bei Yahoo Home-Office ab, weil sie um Innovationen fürchtete. Diese Kreativität lässt sich aber erhalten, wenn meist im Büro und nur gelegentlich zu Hause geschuftet wird. Und das ist bei deutschen Heimarbeitern meist ohnehin der Fall. Daher hat Wilhelm Adamy, Abteilungsleiter Arbeitsmarkt beim Deutschen Gewerkschaftsbund, eine ganz andere Sorge: "Heimarbeit führt oft zu Mehrarbeit, die nicht bezahlt wird." Adamy fordert Tarifverträge, um in der schönen neuen Arbeitswelt der Zuhausewerkler ein hässliches altes Problem zu vermeiden: Ausbeutung.

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