Arbeitsmarkt:Neues Gesetz löst Boom bei Billigjobs aus

Durch die Reform der Minijobs sind seit April mehr als eine Million neue Stellen mit einer Bezahlung von bis zu 400 Euro entstanden - fast ausschließlich im gewerblichen Bereich.

Von Kristina Läsker und Ulrich Schäfer

(SZ vom 5.11.2003) Ende September gab es nach Angaben der zuständigen Bundesknappschaft insgesamt 5,89 Minijobs in Deutschland. "Die positive Entwicklung der Minijobs hat sich fortgesetzt", sagte Knappschaftsdirektor Georg Greve in Berlin. Insgesamt seien, seit die Regeln für geringfügige Beschäftigungsverhältnisse vor einem halben Jahr geändert wurde, etwa 1,03 Million neue Billigstellen entstanden, die meisten davon in der gewerblichen Wirtschaft. Darüber hinaus hätten 816.617 Menschen vorübergehend einen Minijob angenommen. Die Privathaushalte hätten dagegen nur 36.265 Angestellte mit Minilöhnen beschäftigt und stattdessen weiterhin auf illegale Schwarzarbeit gesetzt.

Putzfrau

Zwei Drittel der Minijobber sind Frauen

(Foto: Foto: dpa)

Alles in allem beläuft sich die Zahl der geringfügig Beschäftigten damit laut Greve auf mehr als 6,73 Millionen. Zwei Drittel davon seien Frauen. Besonders häufig sind Minijobs bei Dienstleistungen, im Handel, in Gaststätten, aber auch in der Industrie.

Möglich wurde der rasante Zuwachs durch die Minijob-Reform, die die rot-grüne Regierung und die Opposition Ende vergangenen Jahres im Vermittlungsausschuss beschlossen hatten - und die in Teilen auf Vorschlägen der Union beruht: Im April war deshalb die Verdienstgrenze für geringfügig Beschäftigte von 325 auf 400 Euro angehoben und zugleich die Begrenzung der Wochenarbeitszeit auf 15 Stunden abgeschafft worden. Bis 400 Euro Verdienst müssen Arbeitnehmer nun keine Sozialabgaben mehr zahlen.

Für den Arbeitgeber fallen pauschal 25 Prozent für Renten- und Krankenversicherung sowie Steuern an. Sind die Arbeitgeber Privatpersonen, sinkt die Pauschale auf zwölf Prozent.

Den rasanten Anstieg im letzten halben Jahr erklärt die Minijob-Zentrale auch damit, dass es einen Nachholeffekt gibt. So hatte die rot-grüne Regierung im Jahr 1999 die ursprüngliche Regelung für 630 Mark-Jobs geändert, woraufhin viele geringfügig Beschäftigte ihre Billigstelle aufgaben oder in die Schattenwirtschaft wechselten. Diese Menschen nähmen nun wieder einen Minijob auf. Gleichwohl hat der Boom praktisch keine Auswirkungen auf die amtliche Arbeitslosenstatistik. Die Mehrzahl der neuen Teilzeit-Jobber seien Schüler, Studenten und Hausfrauen, hieß es bei der Minijob-Zentrale. "Geringfügige Beschäftigung ist typischerweise ein Zusatzverdienst", urteilt auch Martin Werding vom Münchener Ifo-Institut. Außerdem bleibt, wer nur einen Minijob hat, im Normalfall offiziell als Arbeitsloser gemeldet.

Der Leiter der Minijob-Zentrale, Greve, widersprach der These, dass die Firmen Minijobs vor allem nutzen, um Vollzeit- in Teilzeitstellen aufzuspalten. Die Mehrheit der Menschen gehe meist nur einer solchen Beschäftigung nach. Zudem dürfe man nur einen Job beim gleichen Arbeitgeber annehmen. Enttäuschend sei es aber, so Greve, dass nur 36.000 Minijobber in Privathaushalten tätig seien, während es dort bis zu 2,9 Millionen illegal Beschäftigte gebe. Das sei ein volkswirtschaftlicher Skandal. Er kündigte eine Anzeigenkampagne an, um einen "Bewusstseinswechsel" herbeizuführen.

"Anreize schaffen"

Nach Ansicht der Union reicht die bisherige Minijob-Regel nicht aus, um die Arbeitslosigkeit wirklich zu senken. Es müsse vielmehr ein echter Niedriglohnsektor geschaffen werden, der auch Vollzeitstellen hervorbringe, sagte CDU-Chefin Angela Merkel auf einer Diskussionsveranstaltung der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion. Deshalb will die Union, so Merkel, für Arbeitslosen- und Sozialhilfeempfänger "Anreize zum Zusatzverdienst schaffen" und Jobs zwischen 400 und 1100 Euro durch Lohnzuschläge fördern. Es gehe darum, "die Schwelle in den Arbeitmarkt zu senken" und die Anreize für einen Verbleib der Menschen in der staatlichen Fürsorge zu verringern, sagte die hessische Sozialministerin Silke Lautenschläger (CDU).

Dieser Ansatz gehe deutlich über die Pläne der Bundesregierung im Zuge der geplanten Zusammenlegung von Arbeitlosen- und Sozialhilfe hinaus. Die Union will ihren fertigen Gesetzentwurf in die anstehenden Verhandlungen im Vermittlungsausschuss mit einbringen.

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