Arbeitsmarkt - Düsseldorf:Raus aus der Hartz-IV-Falle: Fast 12 000 fanden neuen Job

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Landesarbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU). Foto: Federico Gambarini/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Düsseldorf (dpa/lnw) - Viele Jahre begann der Tag von Torsten Kämper mit langem Ausschlafen - und ohne Ziel. Der Düsseldorfer steckte im Teufelskreis aus Gelegenheitsjobs und Hartz-IV-Bezug, mangelndem Selbstbewusstsein und fehlender Perspektive. "Ich habe gekämpft, aber es half nicht", sagt der 45-Jährige. Dann bekam Kämper eine neue Chance: Der Staat übernimmt zwei Jahre lang komplett seine Lohnkosten, er heuerte beim ambulanten Pflegedienst "Heinzelmännchen" an, wartet dort den Fuhrpark und hilft im Lager. Seitdem zahlt er ohne "Stütze" seine Miete. "Jetzt guck ich wieder geradeaus", sagt er am Montag bei einem Ortstermin in Düsseldorf.

Landesarbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU), der nordrhein-westfälische Arbeitsagentur-Chef Torsten Withake und der NRW-Städtetagsvorstand Andreas Mucke zogen bei dem Treffen eine erste Jahresbilanz des neuen Gesetzes, das Betroffenen von verfestigter Langzeitarbeitslosigkeit helfen soll. In NRW sind das mehr als 200 000 Menschen, denn gerade im Ruhrgebiet und teils im Bergischen Land finden Tausende seit vielen Jahren, teils seit Generationen keinen Job.

"Das ist ein großer Durchbruch, dafür haben wir viele Jahre gekämpft", sagt der erfahrene Sozialpolitiker Laumann. Das von der GroKo in Berlin verabschiedete Teilhabechancengesetz unterscheidet sich nämlich grundsätzlich von den zahlreichen früheren Anläufen mit Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen: Gefördert werden kann jetzt nicht nur zusätzliche Arbeit und Dienstleistung, sondern die gesamte Palette des allgemeinen Marktes, und die Förderung dauert fünf volle Jahre. In den ersten beiden Jahren werden die Lohnkosten voll übernommen, dann sinkt der Zuschuss jedes Jahr um zehn Prozentpunkte. Hinzu kommt ein intensives Coaching der Beschäftigten und auf Wunsch auch eine Beratung ihrer Chefs.

All das soll die Chancen vergrößern, dass die Langzeitarbeitslosen nicht vorzeitig abspringen und dass sie nach den fünf Jahren in den regulären Arbeitsmarkt übernommen werden.

Der Wiedereinstieg tut nach Jahren ohne Job weh, erzählt Kämper. Pünktlich da zu sein und von 8.00 bis zum Nachmittag durchzuhalten, sei ihm anfangs schwergefallen. "Am Anfang hätte ich gern aufgehört oder wenigstens Teilzeit gearbeitet." Doch sein Chef habe ihn gleich auf acht Stunden und in die Autos gesetzt. "Ich war schweißgebadet." Kämper hielt durch. Die ersten regelmäßigen Lohnüberweisungen brachten Erfolgsgefühle. Jetzt will er mit der Arbeitslosigkeit nichts mehr zu tun haben. "Diesen Kreis hab ich verlassen."

NRW-weit haben mit dem 2019 gestarteten Programm für Langzeitarbeitslose, die in sieben Jahren mindestens sechs Jahre Hartz IV bekommen haben, fast 13 000 Menschen einen geförderten Job gefunden. Knapp 12 000 hielten im ersten Jahr durch. Die Abbruchquote liege damit unter zehn Prozent, betonte Laumann - ein Erfolg, glaubt er.

Natürlich gebe es noch Mängel, wie etwa die nordrhein-westfälische DGB-Chefin Anja Weber anmerkt. So seien noch zu wenig Stellen in der freien Wirtschaft und bei den Kommunen entstanden. Gerade in diesen Bereichen müssten die Arbeitsplätze aber entstehen, wenn sie über die Fünf-Jahres-Förderung hinaus Bestand haben sollten, forderte Weber. Die Frauenquote bei den Vermittelten liegt nur bei 35 Prozent und das ganze Programm ist bisher befristet. "Das muss verstetigt werden", fordern Laumann und praktisch alle anderen Beteiligten.

Ob das passiert, entscheiden nicht zuletzt die neuen Mitarbeiter und ihre Arbeitgeber durch ihr Verhalten: Wenn nach den fünf Jahren mit erheblicher staatlicher Förderung wieder alle auf der Straße stehen, dürfte es kaum eine Verlängerung geben. "Wenn wir die Übernahme nicht zu einem gewichtigen Teil hinkriegen, ist die Maßnahme gescheitert", betont Laumann.

Der SPD-Landtagsabgeordnete Josef Neumann warf Laumann vor, sich bei der Bilanz des Gesetzes mit fremden Federn zu schmücken. Der Soziale Arbeitsmarkt sei ein sozialdemokratischer Meilenstein. "Dafür hat die SPD sehr lange gekämpft, vor allem gegen den Widerstand von CDU, CSU und auch von Landesarbeitsminister Karl-Josef Laumann."

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