Arbeitsmarkt der Zukunft:Kampf um Talente

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Wollen Unternehmen in Zukunft die besten Arbeitskräfte für sich gewinnen, kommen sie an Headhuntern nicht vorbei. Die wissen genau, wo die guten Stellen sind - und wo die passenden Bewerber.

Anja Steinbuch

Wie finde ich einen neuen Software-Entwickler? Welcher Headhunter hat schon erfolgreich für Krankenhäuser im Rhein/Main-Gebiet gearbeitet und welcher hat Top-Positionen in Telekommunikationsfirmen in Süddeutschland besetzt? Das sind Fragen, die sich Firmenchefs und Personalverantwortliche stellen. Vor dem Hintergrund des zunehmenden Fach- und Führungskräftemangels hat der "War of Talents" bereits begonnen. Weil der traditionelle Recruitingmarkt darauf nur schwerfällig reagiert und vielen Unternehmen die Mittel und das Personal fehlen, um gute Kandidaten zu orten, gewinnt das Internet gerade für Headhunter eine immer größere Rolle.

Im Schnitt bearbeitete jeder Headhunter 2009 acht Suchaufträge. Es wurden etwa 38.000 Positionen in der deutschen Wirtschaft durch Personalberater neu besetzt. 83 Prozent der vermittelten Männer und Frauen waren Fach- und Führungskräfte. 56 Prozent der Stellen wurden nach einer reinen Direktsuche besetzt, 16 Prozent mit einer Kombination aus Direkt- und Internetsuche. Die meisten Aufträge kamen die Personalberater aus dem Verarbeitenden Gewerbe, zu dem die Konsumgüterindustrie, der Maschinenbau, Chemie/Parma und der Fahrzeugbau zählen, sowie aus dem Finanzwesen. (Foto: dpa)

Zuletzt hatte die Branche zu leiden. Die Wirtschaftskrise ist auch an den Personalberatern, die Firmen in Deutschland bei der Suche geeigneter Bewerber unterstützen, nicht spurlos vorbeigegangen: 2009 sank der Umsatz der Branche um 26 Prozent auf 1,1 Milliarden Euro. Bundesweit waren Ende des Jahres noch knapp 5000 Personalberater aktiv - 8,5 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Die meisten Arbeitsplätze wurden bei den größeren Personalberatungsunternehmen mit mehr als fünf Millionen Euro Jahresumsatz gestrichen.

Doch laut Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) erholt sich das Geschäft der Headhunter langsam. Dabei entwickle sich das Internet zum wichtigsten Netzwerkmarktplatz. Aus dem Web holen sich die Talentsucher heute fast alle wichtigen Daten über Kandidaten und Unternehmen. Allerdings bremst die Düsseldorfer Kommunikationsexpertin Josefine Sarfert die neue Euphorie: "E-Recruiting und Internetportale sind zwar hilfreiche Instrumente, können die persönliche Kommunikation aber nicht ersetzen, diese Zeit sollte man sich weiterhin nehmen."

Der gleichen Meinung ist Guido Schmitz-Krummacher, Managing Director der Internet-Plattform Talentory. Hier sind etwa 300 Personalberater und mehr als 150 Unternehmen registriert, um Geschäftskontakte zu knüpfen. Personalberater kommen über die Plattform an mehr Aufträge von Unternehmen und haben die Möglichkeit, mehr wechselwilligen Kandidaten aus ihrem Pool in die passende Position zu verhelfen - aber sie stehen auch in größerem Wettbewerb untereinander.

Die Sicherheitssoftware-Firma BitDefender hat über das Web-Portal von Schmitz-Krummacher gerade die Position des Director E-Commerce neu besetzt. "Beim Recruiting wollten wir den Aufwand für unser Unternehmen minimieren", sagt Geschäftsführer Harald Philipp. Bei der Erstellung der Stellenbeschreibung und bei der Planung des Gehaltsrahmens hat er sich von eniem Talentory-Mitarbeiter beraten lassen. "Innerhalb von 14 Tagen hatten wir über mehrere Personalberater bereits zehn hochqualifizierte Bewerber", erinnert sich Philipp. Am Ende hatte er die Qual der Wahl. "Eine derartige Bewerberdichte kann eine einzelne Personalberatung nicht bieten", sagt er. Talentory erhielt für die "Eheanbahnung" 20 Prozent des Headhunting-Honorars.

Für die Personalberater selbst existieren mehrere Honorarmodelle: Am häufigsten ist die "Drittelregelung", bei der ein Drittel des Gesamthonorars bei Vertragsabschluss, ein Drittel bei der Präsentation des Kandidaten und ein Drittel bei der Unterzeichnung des Arbeitsvertrages fällig wird.

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Das Portal Talentory steht für einen Trend auf dem Markt der Jobsuche im Internet: Die Angebote im Netz werden immer differenzierter. Neben den großen Portalen wie Monster oder Stepstone, die Zehntausende, meist allerdings im mittleren und unteren Gehaltsegment angesiedelte Jobs präsentieren, und sozialen Netzwerken wie Xing oder Facebook gewinnen kleinere, spezialisierte Arbeitsmarktplätze an Bedeutung. So lassen sich Ingenieure unter der Internet-Adresse www.ingenieurkarriere.de suchen und finden, IT-Fachleute unter www.cio.de und Mediziner unter www.aerztestellen.de.

Die Dinosaurier fürchten sich

Unter den großen, etablierten Personalberatungsfirmen haben Internet-Plattformen wenige Freunde: Die Dinosaurier der Branche fürchten um ihre Pfründe, denn zunehmende Transparenz auf dem Markt für Führungs- und Fachkräfte wird für mehr Wettbewerb und mittelfristig möglicherweise für sinkende Honorare sorgen.

Diese Entwicklung ist auch auf der vom 12. bis 14. Oktober in Köln stattfindenden Messe "Zukunft Personal 2010" ein zentrales Thema. Guido Schmitz-Krummacher wird sich in einem Vortrag die Frage stellen: "Wie viel Transparenz verträgt der europäische Recruitingmarkt - oder wie viel Transparenz braucht er?".

Schon vor der Messe steht fest: Neutrale Personalfachleute begrüßen mehr Offenheit. Sie hoffen, dass die einst verkrustete Branche des Headhuntings durch das Internet und durch neue Player übersichtlicher wird und die Arbeit der "Kopfjäger" künftig leistungsbezogener bezahlt wird.

Für die Zukunft lässt sich bereits jetzt ein Trend absehen: Die demografische Entwicklung wird es Unternehmen künftig nicht mehr erlauben, zu warten, bis ein Kandidat signalisiert, dass er bereit ist, einen neuen Job anzunehmen. Kreative Datensammlungen und Programme, die aus einer Vielzahl von Informationen Analysen erarbeiten, die den Personalern helfen, selbst zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Leute anzusprechen, werden zu entscheidenden Erfolgsfaktoren werden. Schon bald werden Unternehmen anhand der Anwendungen, die ein Smartphone-Besitzer nutzt, und der von ihm besuchten Internet-Seiten feststellen, wie hoch seine Wechselbereitschaft ist. Der neue Mitarbeiter ist dann nur noch einen Klick entfernt.

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