Arbeitsmarkt:Behörde will Fachkräftemangel mit Weiterbildung bekämpfen

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Nürnberg (dpa) - Im Kampf gegen den eklatanten Fachkräftemangel auf dem deutschen Arbeitsmarkt müssen nach Expertenansicht so viele Menschen wie möglich im Arbeitsleben gehalten werden - auch weniger Qualifizierte.

"Wichtig ist, dass wir möglichst alle potenziellen Arbeitskräfte im Inland gewinnen und erst recht niemanden verlieren", sagte der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, der Deutschen Presse-Agentur. In der Zukunft entstünden genauso viele neue Arbeitsplätze wie durch Automatisierung und Transformationsprozesse wegfielen - allerdings mit anderem Anforderungsprofil.

Geringer qualifizierte Menschen weiterbilden

Diejenigen Menschen, denen durch den Wegfall geringer qualifizierter Jobs Arbeitslosigkeit drohe, dürften keinesfalls aus dem Erwerbsleben ausscheiden, sagte Scheele. "Sie muss man weiterbilden", betonte er. Die Bundesagentur habe allein für die Weiterbildung von Beschäftigten für das Jahr 2022 rund 900 Millionen Euro in der Kasse. "Die sollten verwendet werden, weil das Geld dazu dient, den Strukturwandel, die Transformation zu bewältigen und Menschen in Arbeit zu halten", sagte Scheele.

Es seien vor allem auch die Arbeitgeber gefordert, weil diese definieren müssten, wohin die Qualifizierung gehen müsse. Die Bundesagentur sehe es als eine ihre wesentlichen Aufgaben für die kommenden zehn Jahre an, die Rolle des Moderators zu übernehmen. "Wie kommt man von Firma A zu Firma B?", beschrieb Scheele das Kernproblem. Es gebe dazu bereits Modellversuche mit Industrie und Handwerk. "Wir lernen, die Drehscheibe in der Transformation zu sein", sagte Scheele.

Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten Erwerbspersonen in Deutschland ist mit 34,3 Millionen laut Scheele schon jetzt auf einem Rekordhoch. Die Bundesagentur für Arbeit geht davon aus, dass - ohne jede Gegenmaßnahme - bis 2035 gut sieben Millionen Arbeitskräfte in Deutschland fehlen würden.

Auch Fachkräfte aus dem Ausland gefragt

Deswegen sei es notwendig, auch Fachkräfte aus dem Ausland innerhalb und außerhalb der EU nach Deutschland zu holen - etwa in der Pflege kämen Menschen aus Ländern wie Kolumbien, Mexiko oder Indonesien. Diese Menschen aus der EU und aus Drittstaaten würden in Deutschland dringend gebraucht. Wenn sie nicht in ausreichender Zahl kämen, drohe für Deutschland ein Wachstumsproblem. Fehlende Zuwanderung könne selbst zur Wachstumsbremse werden.

Scheels Vorstandskollege bei der Bundesagentur für Arbeit, Daniel Terzenbach, sagte "Zeit Online", für die Zuwanderung brauche es eine echte Willkommenskultur in Deutschland. Die Bundesrepublik stehe im Werben um Arbeitskräfte aus aller Welt im massiven Wettbewerb mit den angelsächsischen Ländern aber auch mit Nationen wie Japan. Hinzu komme, dass zunehmend Arbeitskräfte - etwa aus Polen - die eine Zeit lang in Deutschland tätig waren, wieder nach Hause gingen. Länder wie Polen, Rumänien oder Bulgarien organisierten inzwischen gezielte Rückholaktionen.

Nicht alle Langzeitarbeitslosen können zurückgeholt werden

"Wir brauchen eine gezielte Einwanderungspolitik", sagte Terzenbach. "Daher müssen wir weltweit auf die Suche gehen." Das inländische Potenzial reiche nicht aus. Die eine Million Langzeitarbeitslosen in Deutschland könnten trotz aller Bemühungen nicht in vollem Umfang in den Arbeitsmarkt zurückgeholt werden.

BA-Vorstandschef Schelle betonte, zumindest müsse aber der Versuch unternommen werden, einen möglichst großen Teil wieder in den Arbeitsprozess zurückzubringen. Die im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung aufgenommene Entfristung des Teilhabe-Chancengesetzes sei ein richtiger Schritt gewesen, sagte Scheele. Durch die Entfristung des Gesetzes können erhebliche Zuschüsse für die Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen länger fließen.

© dpa-infocom, dpa:211227-99-517342/2

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