Arbeitslose sollen Erzieher werden:5000 Luftnummern

Die Arbeitsagentur möchte aus Langzeitarbeitslosen Erzieher machen - 5000 von ihnen hätten sogar die formellen Voraussetzungen. Doch ganz einfach wird der Plan nicht umzusetzen sein.

Viktoria Großmann

In Deutschland fehlen Erzieherinnen, Tausende von ihnen. Andererseits gibt es Millionen Arbeitslose. Eine gute Quelle, um die fehlenden Fachkräfte auszubilden - meinen viele, darunter Bundesarbeitsminsterin Ursula von der Leyen (CDU). Etwa 800.000 Menschen, hat die Arbeitsagentur in Nürnberg nachgerechnet, erfüllen grundsätzlich die Voraussetzungen, um Erzieher zu werden. Das heißt, sie haben mindestens die mittlere Reife oder eine abgeschlossene Berufsausbildung.

Kostenfaktor Erzieherinnen

In Thüringen ist der Bedarf an Erzieherinnen gedeckt. Hier ein Kindergarten in Nohra bei Weimar.

(Foto: dpa)

"Durch intensive Beratung können wir vielleicht 5000 Arbeitslose für den Beruf der Erzieherin oder des Erziehers gewinnen", sagte das Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit (BA), Heinrich Alt. Mehr als 1000 Menschen befänden sich bereits in der Umschulung.

Als die Schlecker-Pleite immer näher rückte, gab das Bundesfamilienministerium zwei Zahlen heraus: Etwa 14.000 Erzieherinnen sollen in Deutschland fehlen, dazu 16.000 Tagesmütter. Eine ganze Menge - zumal es vom 1. August 2013 an für unter Dreijährige einen Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz gibt.

Die Zahl 5000 macht nicht zum ersten Mal die Runde. Sie stammt von Ursula von der Leyen, die im Juni davon sprach, mindestens 5000 Menschen durch Umschulungen in den Erzieherberuf bringen zu wollen. Die Arbeitsagentur wolle nur diejenigen für den Erzieher-Job ausbilden, die das ausdrücklich wünschten, sagte Alt. Von diesem Angebot seien aber alle Jobsuchenden angesprochen, nicht nur Langzeitarbeitslose. Darunter könnten auch ehemalige Beschäftigte der insolventen Drogerie-Kette Schlecker sein.

Die Vorteile lägen laut Arbeitsagentur auf der Hand: "Wer sich für die Ausbildung entscheidet, hat danach sehr gute Beschäftigungschancen." In vielen Bundesländern, so etwa in Nordrhein-Westfalen, Bayern oder Hessen, werden Erzieher dringend gesucht. Doch bei Arbeitslosenquoten von 3,4 Prozent im Freistaat und 5,6 Prozent in Hessen werden Umschulungen allein kaum das richtige Mittel sein, um den Bedarf zu decken.

Zudem finanziert die Arbeitsagentur grundsätzlich eine weitere Ausbildung nur dem, der noch keinen Berufsabschluss hat oder mindestens vier Jahre nicht im erlernten Beruf gearbeitet hat. Stattdessen wollte kürzlich der hessische Sozialminister Stefan Grüttner an Thüringer Ausbildungsstätten dafür werben, in Hessen zu arbeiten. Thüringen verbot die Kampagne. Die Erzieherinnen werden im eigenen Land gebraucht. Man möchte außerdem nicht für andere Länder die Ausbildung zahlen.

Thüringen ist hinsichtlich der Kinderbetreuung ein Musterland. Einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz von zehn Stunden am Tag vom ersten Lebensjahr an gibt es hier schon seit August 2010. Zwar gebe es in den größeren Städten Erfurt und Jena manchmal Engpässe, aber eine Klage habe das Land bisher noch nicht erreicht, heißt es aus dem Thüringer Kultusministerium.

Thüringen hat eine Arbeitslosenquote von 8,1 Prozent. Das Einstiegstarifgehalt einer Erzieherin von 2372,10 Euro brutto ist hier ein attraktiver Lohn, es sind rund 1000 Euro mehr als beispielsweise eine Filialleiterin von drei Läden einer Modekette verdient.

Ganz einfach ist die Umschulung nicht

Doch eine Umschulung auf den Erzieherinnenberuf haben die Jobcenter in Thüringen nicht im Programm. Denn in Thüringen gelten, wie in den meisten anderen Bundesländern auch, strenge Aufnahmevoraussetzungen für die Erzieherausbildung. Nur wer zuvor eine zweijährige schulische Ausbildung zum Sozialassistenten gemacht hat, kann die dreijährige Fachschulausbildung zum Erzieher beginnen, die für die Arbeit im Kindergarten qualifiziert.

Andere Bundesländer fordern Praktika, einschlägige Berufserfahrung, ein einjähriges Berufskolleg oder eine zweijährige Ausbildung im sozialen Bereich, ehe junge Leute überhaupt mit ihrer Ausbildung zum Erzieher beginnen können. All das finanziert die Arbeitsagentur normalerweise nicht. Nun aber sollen 5000 Arbeitslose die dreijährige Ausbildung zur Fachkraft machen - doch wie, wenn sie die Voraussetzungen nicht erfüllen? Eine Sprecherin der Arbeitsagentur sagt, man müsse über Ausnahmen reden und verweist an die Bundesländer.

Nicht nur ihre Schulordnungen sollen die Länderministerien, wenn es nach der Arbeitsagentur geht, ändern. Sie sollen auch das dritte Ausbildungsjahr finanzieren. Bislang ist dazu nur Nordrhein-Westfalen bereit: Hier könnten die Pläne von der Leyens noch am besten umgesetzt werden. Denn es gibt sowohl Arbeitslose, als auch - im Gegensatz zu Thüringen - einen Mangel an Erzieherinnen.

Der Anteil der Arbeitslosen an Rhein und Ruhr liegt, anders als in Bayern oder Hessen, bei etwa acht Prozent. Die Aussichten, Arbeitslose zu finden, die umschulen möchten, sind also nicht so schlecht. Gleichzeitig braucht das Land tatsächlich dringend Kindergärtnerinnen. Etwa 1000 Menschen sollen hier in die Umschulung gebracht werden.

Dafür stellt sich in Nordrhein-Westfalen ein drittes Problem: Die Kapazitäten der Schulen könnten nicht ausreichen. Zu wenige Unterrichtsräume, zu wenig Lehrpersonal. Dessen ist man sich bei der Arbeitsagentur bewusst. "Die Gespräche laufen in alle Richtungen", auch über Mobilität müsse man noch einmal reden, sagt die Sprecherin. Über die Mobilität der etwa 11.000 Erzieherinnen nämlich, die im Mai 2012 arbeitslos gemeldet waren. Rund 3000 davon allein in Nordrhein-Westfalen, etwa 2700 in den neuen Bundesländern.

Die Bundesarbeitsagentur lässt sich davon nicht beirren: Das 5000-Umschulungen-Programm soll in allen Bundesländern umgesetzt werden. In Mecklenburg-Vorpommern werden dann eben nur 50 Arbeitslose auf die Erzieherausbildung angesprochen. Wie viel das Programm die Arbeitsagentur kosten wird, war nicht zu erfahren. Nur so viel sagte die Sprecherin: "Am Geld wird es nicht scheitern."

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