Arbeitsleben:Was ist aus der Generation der eine Million Möglichkeiten geworden?

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Nur noch kurz die Welt retten: Die Generation Y ist angekommen in der Welt der Erwachsenen - was ist der Stand? (Foto: Thomas Peter/Reuters)

Vor ein paar Jahren sind die sogenannten "Millennials" mit großen Zielen und Erwartungen ins Berufsleben gestartet. Zeit für ein erstes Fazit der Generation Y.

Von Sarah Schmidt

Mit Skepsis wurde die Generation Y beäugt. Verwöhnt und anspruchsvoll sollten sie sein, die sogenannten Millennials - die jungen, gut ausgebildeten Menschen, die nach 1981 geboren und in den Nullerjahren erwachsen wurden. Ichzentriert, faul und unpolitisch. So unkten die Personal- und Feuilletonchefs vor einigen Jahren, als das Label "Generation Y" erfunden wurde.

So skeptisch das Establishment auf den Nachwuchs schaute, so groß waren die Erwartungen, die die jungen Menschen an sich selbst und ihre berufliche Zukunft stellten: sich nicht verbiegen, Work und Life in Balance bringen und das alles für die gute Sache. Schließlich war man als Generation der Eine-Million-Möglichkeiten aufgewachsen. Umso wichtiger: Eine Antwort auf die Frage zu finden, wofür tue ich das eigentlich, was gibt meinem Leben und Arbeiten einen Sinn. Nicht zufällig wird das Y im Englischen "why" ausgesprochen, auf Deutsch "warum".

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Angekommen im "Wenn ich mal groß bin"-Leben

Mittlerweile sind einige Jahre vergangen. Die Generation Y hat studiert und noch einmal etwas anderes studiert, sie ist durch die Welt gereist, hat bezahlte und unbezahlte Praktika gemacht, gejobbt und gefeiert. Und nun? Ist die Generation Y nicht mehr die Generation von morgen, sondern von heute. Die Millennials sind jetzt Ende 20, Anfang 30, sie sind vielleicht nicht erwachsen geworden, aber doch angekommen in der Welt der Erwachsenen, im "Wenn ich mal groß bin"-Leben.

Das Wirtschaftsprüfungsunternehmen Deloitte hat in einer großen Studie mehr als 7500 Ypsiloner aus 29 Ländern gefragt, wie es ihnen in den ersten Jahren im Beruf ergangen ist. Und wie immer, wenn Wunschträume auf die Realität treffen, lautet die Antwort: "So lala."

Die Millennials und ihr Job, das ist nicht die große Liebe, das ist eher eine Lebensabschnittspartnerschaft. Beziehungsstatus: Es ist kompliziert. Man arbeitet sich aneinander ab, man streitet, arrangiert sich, verbringt gute und schlechte Zeiten miteinander - und trennt sich wieder. 34 Prozent der jungen Deutschen wollen der Deloitte-Studie zufolge in den kommenden zwei Jahren den Arbeitgeber wechseln, international sind es sogar noch mehr - 44 Prozent.

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Die Befragung gibt auch sehr genau Auskunft darüber, wo es in der Beziehung zwischen Generation Y und Wirtschaft knirscht. "Diese Generation ist sich der Auswirkungen der Finanzkrise sehr bewusst", heißt es in der Studie. Gerade deshalb gebe es ein großes Bestreben, bestehende Wirtschaftsbedingungen zu verändern und den Faktor Mensch stärker in den Fokus zu rücken.

Auf die Frage, was langfristig den Erfolg eines Unternehmens sicherstellen kann, entschieden sich 26 Prozent für Mitarbeiterzufriedenheit, ein weiteres Viertel der Befragten wählte ethisches Verhalten. Es folgen Kundenzufriedenheit und Verlässlichkeit, mit nur fünf Prozent Zustimmung landen rein profitorientierte Werte auf dem letzten Platz.

Dabei vertreten die Millennials durchaus selbstbewusst ihre Vorstellungen. Beinahe die Hälfte der Befragten gibt an, schon einmal eine Tätigkeit abgelehnt zu haben, weil diese den eigenen Werten zuwiderlief.

Ein guter Job bedeutet für die Fach- und Führungskräfte der Generation Y neben einer fairen Bezahlung vor allem eine gute Work-Life-Balance, Weiterentwicklung, flexible Arbeitszeiten und die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten. Ob der Arbeitgeber hingegen die neueste Technik oder die Möglichkeit zu Dienstreisen anbietet, ist den Befragten ebenso egal wie Marktführerschaft oder renommiertes Führungspersonal.

Überraschender sind die persönlichen Ziele der Millennials, denn hier zeigt sich mittlerweile ein traditionelleres Bild als vor ein paar Jahren. Eigenheim, stabile Partnerschaft, finanzielle Sicherheit - das sind nun die Prioritäten.

"Die Erwartungen waren zu hoch gesteckt"

Hannah Bahl hat im Fachbereich Soziologie an der Zeppelin-Universität Friedrichshafen ihre Abschlussarbeit über die Generation Y geschrieben. Seitdem arbeitet sie als eine Art Millennial-Botschafterin und erklärt Unternehmen, wie die neuen Arbeitnehmer ticken und was man dafür tun kann, damit diese sich wohlfühlen. Einerseits kann sie die Enttäuschung auf Seiten der Ypsiloner verstehen, andererseits glaubt sie, dass die Erwartungen zu hoch gesteckt waren: "Wir können nicht innerhalb von drei, vier Jahren alles umstoßen, was vorher über Jahrzehnte gewachsen ist."

Immer wieder erlebt Bahl, dass Schlagworte zunächst auf großes Interesse stoßen, die Umsetzung dann aber in der Praxis scheitert. "Sich die Arbeit selbst einteilen, keine festen Arbeitsplätze, jeder bestimmt selbst, wie viel Urlaub er nimmt - das finden die meisten erst mal super." Sobald es dann aber jemanden gebe, der viel mehr arbeitet als er eigentlich muss, heiße es dann schnell: "Das ist uns zu modern und zu frei."

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Unternehmen vergäßen gerne, dass Flexibilität immer auch Eigenverantwortung bedeute. Und damit haben nicht nur viele Arbeitgeber, sondern auch viele Arbeitnehmer ein Problem. Hinzukommen die in Deutschland traditionell starken Arbeitnehmerschutzgesetze: "Dann kann die Einführung flexibler Arbeitszeiten an einer vertraglich festgeschriebenen Kernarbeitszeit scheitern", sagt Bahl.

"Die Generation Y denkt sehr viel weniger in Hierarchien"

Catrin Adams kennt die Unternehmensperspektive. Sie arbeitet als HR-Managerin und Projektleiterin für die Deutsche Bahn, war vorher für den Bereich strategische Führungskräfteentwicklung bei der Lufthansa verantwortlich und berät Unternehmen zum Thema Change-Management und digitale Transformation. Sie erlebt, dass die Firmen in Deutschland sich durchaus Gedanken machen, wie man sich auf die Generation Y einstellt.

Die größten Schwierigkeiten sieht Adams bei den Themen Organisation und Kultur. "Die Generation Y denkt sehr viel weniger in Hierarchien. Da stehen sich viele Unternehmen mit ihren linearen Strukturen selbst im Weg." Generell müsse das Thema Karriere neu gedacht werden, den Millennials seien klassische Boni und Status sehr viel weniger wichtig - dafür aber die Möglichkeit zur persönlichen Weiterentwicklung.

Eine besondere Herausforderung im Unternehmen ist es, zwischen der Generation Y und der bestehenden Belegschaft zu vermitteln. Hannah Bahl erlebt in ihren Workshops, dass ältere Mitarbeiter sie und das Thema, das sie vertritt, pauschal ablehnen. Da heiße es dann: "Was gibt Ihnen das Recht, hier überhaupt zu stehen?" Andererseits fällt Catrin Adams bei jungen Arbeitnehmern immer mal wieder eine Haltung auf, "bei der - spitz formuliert - alles Bestehende als altmodisch und gestrig abgetan wird".

Bei der Arbeitsweise und der Herangehensweise an Probleme unterscheiden sich Ypsilonern und ältere Semester am stärksten. Das liegt zu großen Teilen am Umgang mit der neuen Technik. Die Generation Y, das sind auch die ersten Digital Natives, diejenigen, die sich die Möglichkeiten des Internets unbedarft und selbstverständlich erschlossen haben. Die gemeinsam mit den sozialen Netzen, Google und Smartphones groß geworden sind - und die deshalb ganz selbstverständlich kollaborativ und in Netzwerken arbeiten.

"Davon können Unternehmen profitieren", ist Bahn-Personalerin Adams überzeugt. Die Organisation von Wissen werde von den Ypsilonern effektiver gestaltet: "Wo große Unternehmen bislang eine Tagung veranstaltet hätten, läuft das bei Ypsilonern viel schneller und flexibler über Plattformen."

Diskussionen gibt es Hannah Bahl zufolge beim Thema: Wer darf welche Daten einsehen? "In der Generation Y geht man da unbedarfter ran, erkennt Vorteile, wenn alle, die an einem Thema arbeiten, auf gleichem Stand sind. Die Generationen davor zögern, zu viel Zugriff zu gewähren."

Sowohl Hannah Bahl als auch Catrin Adams glauben aber daran, dass es sich lohnt, Konflikte auszutragen, im Gespräch zu bleiben: "Es muss darum gehen, gemeinsam zu diskutieren, wie die Arbeitswelt von morgen für alle attraktiv werden kann", so Bahl.

Austausch, Auseinandersetzung und Wertschätzung

Das Aushandeln von Kompromissen, das Ringen um Werte und Regeln mag zäh sein. Es kostet auf allen Seiten Zeit und Kraft. Aber es ist notwendig. Denn die nächste Generation wartet schon. Es ist die Generation Z (also die Jahrgänge ab 1995), es sind die ersten echten Digital Natives, die sich ein Leben ohne Smartphone und Internet gar nicht mehr vorstellen können. "Und die fordern das Gleiche wie die Generation Y - nur mit noch mehr Vehemenz", sagt Hannah Bahl.

Die Generation Y kann man also mit der großen Schwester vergleichen, die durchboxt, wie lange sie ausgehen und Computer spielen darf. Und die kleinen Geschwister profitieren dann davon - und viel von dem, worüber erbittert gestritten wurde, ist zur Selbstverständlichkeit geworden.

Dolmetscher zwischen Digital Natives und Digital Immigrants

So unbefriedigend das auch immer wieder sein mag, die Generation Y ist eine Generation an der Schnittstelle. Ein Dolmetscher zwischen Digital Natives und Digital Immigrants, zwischen der Generation der Eltern und den jüngeren Geschwistern, später auch der Generation der Kinder. Die Generation Y ist Vorkämpferin für die Arbeitswelt der Zukunft. Wie werden der technologische Fortschritt, die Digitalisierung gestaltet? Das liegt maßgeblich in der Hand der Millennials.

Es ist eine Generation, die naturgemäß immer wieder enttäuscht wird, weil sich die Gesellschaft, die Unternehmen nicht so schnell ändern, wie sie sich das wünscht. Und doch ist es die Generation, die einmal bekannt dafür sein wird, den Wandel in Bewegung gesetzt, Veränderung angestoßen zu haben.

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