Arbeitnehmerrechte:Darf ich mir Pakete ins Büro schicken lassen?

Private Mails vom Firmen-PC aus verschicken, das Handy im Büro aufladen, während der Arbeitszeit zum Arzt gehen. Fast jeder Mitarbeiter tut es, doch niemand weiß so recht, ob es eigentlich erlaubt ist. Arbeitsrechtsexperten klären auf.

Von Ina Reinsch

Darf ich den Kopierer auch privat nutzen?

"Ein ganz klares Nein", sagt Rechtsanwalt Michael Felser aus Köln. Das gilt bereits für eine einzige private Kopie, für die man sonst einen weiten Weg zurücklegen müsste. Viele Arbeitnehmer hätten hier ein zu geringes Unrechtsbewusstsein und steckten beispielsweise auch bedenkenlos Kugelschreiber oder Aktendeckel ein. Doch egal, wie geringfügig das Mitgenommene auch ist: "Es handelt sich dabei um ein Vermögensdelikt", sagt Felser. Sieht man gar keine andere Möglichkeit, sollte man zumindest vorher fragen. Denn moderne Kopierer dokumentieren häufig jede Kopie - dumm, wenn der Chef den privaten Brief dann im Speicher findet.

Bis Mitte 2010 hatte ein solches Verhalten fast immer eine fristlose Kündigung zur Folge. Mit dem bundesweit bekannt gewordenen Emmely-Fall der Kassiererin Barbara Emme, die zwei nicht ihr gehörende Getränkebons im Wert von 1,30 Euro eingelöst hatte, hat das Bundesarbeitsgericht seine strikte Rechtsprechung jedoch aufgeweicht. "Seitdem hat ein Bagatelldiebstahl am Arbeitsplatz in der Regel nur eine Abmahnung zur Folge, wenn das Arbeitsverhältnis schon sehr lange störungsfrei bestand", erklärt Felser.

Darf ich einen alten Umschlag mitnehmen?

Im Dezember 2008 hatte ein Müllmann in Baden-Württemberg ein zur Entsorgung ausrangiertes Babybett vom Sperrmüll mitgenommen und daraufhin von seinem Arbeitgeber die fristlose Kündigung kassiert. Das Landesarbeitsgericht Mannheim erklärte die Entlassung für unwirksam. Der Mann habe zwar einen Pflichtverstoß begangen. Da er aber schon lange für die Firma arbeite, sei die Kündigung unverhältnismäßig.

Viele solcher Gerichtsverfahren gingen in letzter Zeit zugunsten von Arbeitnehmern aus. Darauf sollte man es aber lieber nicht ankommen lassen. "Im Normalfall wird wohl nichts passieren, wenn jemand einen alten Umschlag einsteckt", sagt Anwalt Felser. Doch hat der Chef den betreffenden Mitarbeiter bereits auf dem Kieker, sind solche Vorfälle ein willkommener Anlass für arbeitsrechtliche Schritte. "Eine Abmahnung dürfte hier in der Regel gerechtfertigt sein."

Das Argument des Müllmanns, er habe nicht den Vorsatz gehabt, den Arbeitgeber zu schädigen, weil die Sache wertlos sei, greift nicht unbedingt. Felser: "Streng genommen handelt es sich um eine Unterschlagung, den Vorsatz wird der Arbeitgeber unterstellen."

Darf ich private Mails im Büro verschicken?

Es kommt darauf an, ob der Arbeitgeber es erlaubt oder verboten hat. Regelungen dazu finden sich bisweilen in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen, häufig aber im Arbeitsvertrag. "Hat der Arbeitgeber die private Nutzung erlaubt, darf der Mitarbeiter in seinen Pausen private Mails verschicken - nicht jedoch während der Arbeitszeit", warnt Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Berlin. Der Grund: "Wer Mails verschickt, arbeitet nicht." Auch das zählt unter Arbeitszeitbetrug. Exzessiv und in großem Umfang betrieben kann auch hier eine fristlose Kündigung drohen.

Ist die Privatnutzung dagegen verboten, müssen sich Mitarbeiter daran halten. "Nur in absoluten Notfällen ist es dem Arbeitnehmer dann erlaubt, eine private Mail zu verschicken", sagt Bredereck. Die Tatsache, dass man Überstunden machen muss und nicht mit ins Kino gehen kann, reicht dafür aber nicht aus. Existiert gar keine Regelung, kommt es auf die betriebliche Praxis an. Bredereck warnt aber auch hier vor einem ausufernden Gebrauch. "Ich würde immer vorsichtig sein, um dem Arbeitgeber nicht unnötig einen Grund für eine Abmahnung zu liefern."

Hier meine Karte

Darf ich Visitenkarten an Bekannte verteilen?

Visitenkarten sind in erster Linie ein Arbeitsmittel, das dazu dient, die Firma nach außen zu repräsentieren. "Ich würde mich daher immer fragen, aus welchem Grund ich die Visitenkarten im privaten Umfeld verteile", sagt die Stil- und Knigge-Beraterin Katharina Zinke. "Habe ich auf einer Party gerade nichts anderes zur Hand? Oder treffe ich jemanden, bei dem sich ein geschäftlicher Kontakt entwickeln könnte?"

Im zweiten Fall ist die Verteilung geschäftlich veranlasst und damit in Ordnung. Vom Verteilen an rein private Bekanntschaften würde Zinke jedoch abraten. Den rechtlichen Hintergrund erklärt Anwalt Bredereck so: "Zum einen macht der Mitarbeiter für den Arbeitgeber Werbung - nicht jede Art Werbung ist auch erwünscht. Zum anderen kann dem Unternehmen ein wirtschaftlicher Schaden entstehen, wenn beispielsweise sehr teure Visitenkarten wahllos an Personen verteilt werden, die gar nicht zur Zielgruppe gehören." Steht auf der Visitenkarte auch die Privatadresse, weil der Mitarbeiter zum Beispiel im Homeoffice arbeitet, gilt im Prinzip nichts anderes. Denn auch das Homeoffice repräsentiert den Arbeitgeber.

Darf ich während der Arbeitszeit zum Arzt?

An sich sind Arztbesuche Privatsache. Allerdings haben viele Ärzte so ungünstige Öffnungszeiten, dass man allein schon für die Terminvereinbarung nicht um einen Anruf während der Arbeitszeit herumkommt. "Rechtlich stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber die Nutzung der betrieblichen Kommunikation für private Zwecke erlaubt hat", sagt Rechtsanwältin Sandra Flämig aus Stuttgart. Ist das der Fall, dürfte ein kurzer Anruf beim Arzt unproblematisch sein. "Ansonsten sollten Mitarbeiter lieber in der Pause und mit dem privaten Handy telefonieren", so die Fachanwältin.

Anders sieht das natürlich aus, wenn der Mitarbeiter akut erkrankt. Flämig: "Hier gebietet schon allein die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, einen Anruf beim Arzt zu gestatten." Den Arztbesuch selbst sollten Mitarbeiter in die arbeitsfreie Zeit legen. Ist für eine medizinisch unvermeidbare Untersuchung aber partout kein anderer Termin frei, darf man auch während der Arbeitszeit gehen. "Dies sollte man sich allerdings vom Arzt bestätigen lassen", rät Flämig. Von Teilzeitkräften könne der Arbeitgeber aber verlangen, dass sie Arztbesuche in der Freizeit wahrnehmen.

Muss ich zum Rauchen ausstempeln?

Wer raucht, arbeitet nicht. "Rauchen ist daher keine Arbeitszeit, sondern eine Arbeitsunterbrechung", erklärt Benjamin Biere, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Köln. Ausstempeln ist daher Pflicht. Wer das nicht mache, begehe im Prinzip einen Arbeitszeitbetrug, sagt der Anwalt. Er täusche vor, in dieser Zeit gearbeitet zu haben und betrüge den Arbeitgeber um Gehalt. Strafbares Verhalten kann grundsätzlich zu einer fristlosen Kündigung führen.

"Einen einmaligen Verstoß wird man vielleicht noch als Bagatelle werten können. Ignoriert der Arbeitnehmer aber eine klare Weisung und raucht wiederholt ohne auszustempeln, kann es problematisch werden", warnt Biere. Zwar ist für eine verhaltensbedingte Kündigung in der Regel eine vorherige Abmahnung erforderlich. Ist das Fehlverhalten aber offensichtlich, geht es auch ohne. Meist gibt es in Unternehmen, die mit Zeiterfassungssystemen arbeiten, aber einen Betriebsrat und damit auch eine Betriebsvereinbarung. Biere: "Dort ist meist ausdrücklich geregelt, ob für Rauchpausen ausgestempelt werden muss." Der Anwalt rät Arbeitnehmern, sich beim Betriebsrat zu erkundigen.

Darf ich mein Handy im Büro aufladen?

"Genau genommen darf man das nicht", sagt Rechtsanwalt Biere. Das scheint bei näherem Nachdenken auch korrekt. "Lädt man sein privates Handy im Büro auf, verwendet man schließlich betriebliche Einrichtungen für private Zwecke." Der Chef kann darauf theoretisch mit einer Kündigung reagieren. So geschehen im Falle eines Ingenieurs aus Oberhausen, der sein Handy wiederholt im Büro aufgeladen hatte. Geschätzter Schaden: 0,014 Cent. Ob der Arbeitgeber mit der Kündigung Erfolg gehabt hätte, blieb im vorliegenden Fall allerdings offen. Der Chef nahm die Kündigung vor Gericht zurück.

Warnung vor dem Hunde

Darf ich meinen Hund mit ins Büro nehmen?

Wenn der Arbeitgeber einverstanden ist: Ja. Der Chef kann Vierbeiner aber genauso gut verbieten. Dies gilt selbst dann, wenn er es zunächst erlaubt hat und Kollegen ihre Hunde weiterhin mitbringen dürfen. Allerdings muss er gute Gründe für seinen Gesinnungswandel haben. Zeigt der Hund etwa plötzliche Verhaltensauffälligkeiten und haben andere Mitarbeiter Angst vor ihm, kann das für ein Verbot ausreichen. Ob der Hund tatsächlich bedrohlich ist, spiele dabei keine Rolle, entschied jüngst das Arbeitsgericht Düsseldorf. Es komme allein darauf an, dass das subjektive Bedrohungsgefühl den Arbeitsablauf störe.

Dürfen Externe meine Kantinenkarte nutzen?

Das kann problematisch werden. Denn häufig ist das Essen vom Arbeitgeber subventioniert. "Nehme ich einen Fremden mit auf die Karte, entsteht dem Arbeitgeber ein Schaden", sagt Anwalt Bredereck. "Das ist genau genommen ein Betrug. Ohne ausdrückliche Gestattung sollte man daher niemanden auf seine Karte einladen." Anders sieht es aus, wenn die Karte nur ein anderes Zahlungsmittel für Bargeld darstellt und das Essen nicht bezuschusst ist. Dann dürfte der Arbeitgeber auch kein besonderes Interesse daran haben, dass nur Mitarbeiter sie nutzen. Im Zweifel nachfragen oder eine Besucherkarte organisieren.

Darf ich mir Pakete ins Büro schicken lassen?

Post: 200 bis 300 Stellen bei DHL betroffen

Wenn der Paketbote daheim klingelt, sind viele Arbeitnehmer im Büro. Doch darf man sich das Paket einfach an die Arbeitsstelle liefern lassen?

(Foto: dpa)

Private Einkäufe sollte man lieber in der Freizeit machen. Dennoch lassen sich viele Mitarbeiter bedenkenlos Päckchen von Amazon oder Zalando an die Büroadresse schicken. "Das ist problematisch", sagt Anwältin Flämig, "denn damit geht Arbeitszeit verloren und der Büroablauf wird gestört." Mitarbeiter sollten außerdem bedenken: Wer Päckchen bekommt, muss sie auch bestellt haben. Der Chef wird sich fragen, ob der Mitarbeiter das vielleicht auch während der Arbeitszeit gemacht hat. Sie rät dazu, vorher zu fragen, ob die Zusendung eines Paketes in Ordnung ist, und es auf Ausnahmefälle zu beschränken.

Darf ich das Büro nach Belieben dekorieren?

Grundsätzlich darf sich jeder Mitarbeiter eine persönliche Atmosphäre schaffen. Gegen ein Foto der Kinder oder einen Bildschirmschoner mit einem Urlaubsmotiv wird niemand etwas einzuwenden haben. Allerdings gibt es Grenzen. "Da ist zum einen die Frage: Was stelle ich auf?", sagt Stilberaterin Zinke. "Nacktfotos oder andere diskriminierende Motive sind tabu." Zum anderen spielt es eine Rolle, wo sich der Arbeitsplatz befindet. "Bei Kundenkontakt oder im Großraumbüro können private Gegenstände unerwünscht sein." Am größten dürfte der Spielraum im Einzelbüro sein, am geringsten in der Bank-Schalterhalle.

Darf die Krankmeldung in die Firmenpost?

Wie sieht es beispielsweise mit der Krankmeldung aus, die jeder Mitarbeiter innerhalb von zwei bis drei Tagen nach Auslieferung durch den Arzt an die Krankenkasse schicken muss? Sie enthält wichtige Informationen über Art und Dauer der Erkrankung, ohne die die Kasse Zahlungen wie etwa Krankengeld verweigern kann. In die Firmenpost gehört sie jedoch nicht. "Es handelt sich dabei um Privatpost", sagt Rechtsanwalt Felser. Er warnt davor, es damit allzu locker zu nehmen: "Das kann in jedem Fall eine Abmahnung zur Folge haben, bei ständigen Wiederholungen auch eine fristlose Kündigung."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: