Arbeitnehmer: Immer erreichbar:Berufliche E-Mails im Urlaub? Selbstverständlich

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Fast rund um die Uhr verfügbar: Der Düsseldorfer Unternehmensberater Wolfgang Zieren ist immer für Kollegen erreichbar - und erwartet das auch von anderen.

Florian Fuchs

Der Urlaub ist vorbei, und damit auch der Ehekrach, weil der Partner am Strand schon wieder E-Mails gelesen hat, anstatt sich um die Beziehung zu kümmern. Für Wolfgang Zieren, Vorstand der Unternehmensberatung KPMG, ist Arbeit in der Freizeit eine Selbstverständlichkeit.

"Die Kollegen Phasen akzeptieren, in denen sie auch mal fast rund um die Uhr erreichbar sind", sagt Wolfgang Zieren. (Foto: Reuters)

SZ: Lesen Sie in Ihrer Freizeit oft aus beruflichen Gründen E-Mails?

Wolfgang Zieren: Selbstverständlich. Im Urlaub genauso wie spät abends daheim. Aber ich bin zu keiner Zeit ein Sklave meines Blackberrys geworden.

SZ: Was treibt einen dazu, in der Freizeit zu arbeiten?

Zieren: Hauptsächlich die Verantwortung - man will sich nicht ganz ausklinken und das Team alleine lassen. Man will, dass die Dinge weiter rund laufen.

SZ: Und das geht nicht, ohne in der Freizeit E-Mails zu prüfen?

Zieren: Kein Unternehmen bricht zusammen, wenn jemand mal nicht verfügbar ist. Ich glaube, die Kunst besteht in der richtigen Balance. Wenn es brennt, muss man sich auf Mitarbeiter verlassen können. Dann müssen die Kollegen Phasen akzeptieren, in denen sie auch mal fast rund um die Uhr erreichbar sind. Aber es braucht auch Ruhepausen. Das Berufsleben ist ein Marathon, den schaffe ich nicht, wenn ich jede Strecke wie ein 100-Meter-Läufer angehe.

SZ: Erwarten international tätige Unternehmen wie die KPMG, dass ihre Angestellten immer verfügbar sind?

Zieren: Wir erwarten gerade von Führungskräften, dass sie ihre Jobs erstklassig erledigen. Wie sie das machen, muss jeder für sich entscheiden. Ich zum Beispiel schaue im Urlaub jeden zweiten Abend ins Postfach.

SZ: Und das soll die richtige Balance sein? Wie kann man sich da entspannen?

Zieren: Jeder muss für sich selbst den passenden Weg finden. Die einen können nur dann wirklich abschalten, wenn sie auch mal eine Phase haben, in der sie keine Mails lesen. Wenn es wirklich brennt, kann man die Kollegen ja immer noch anrufen. Andere können sich gerade dann gut entspannen, wenn sie ihre Mails checken und feststellen: alles in Ordnung.

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Zieren: Ich beurteile Mitarbeiter nicht danach, ob sie andauernd ihre E-Mails checken. Das mache ich ihnen auch deutlich. Neben der fachlichen Kompetenz kommt es auf Führungsqualität an, und dazu gehört ein guter Umgang mit sich selbst. Und nicht jede Mail ist so wichtig, dass man dafür alles stehen und liegen lassen müsste.

SZ: Welche E-Mails sind so wichtig?

Zieren: Ich bearbeite Mails im Urlaub, wenn ein Mandant ein dringendes Anliegen hat. Oder ich springe ein, wenn jemand im Team krank geworden ist und ich den Kollegen einfach helfen will.

SZ: Also doch immer auf Abruf. Wer so etwas nicht tut, macht dann keine erstklassige Arbeit, oder wie?

Zieren: Die Qualität der Arbeit bemisst sich doch nicht in permanenter Abrufbereitschaft! Unsere Mitarbeiter entscheiden selbst, wie sie ihrer Verantwortung am besten gerecht werden, da habe ich großes Vertrauen.

SZ: Wünschen Sie sich manchmal, dass es kein Internet gäbe?

Zieren: Im Gegenteil. Das Leben ist leichter geworden durch das Internet. Ich denke mit Schrecken an frühere Zeiten, als seitenlange Faxe im Urlaub ankamen.

SZ: Ach, dann sind Sie weniger gestresst, seit es Internet gibt?

Zieren: Ich glaube schon, man gewinnt sogar Zeit. Der entscheidende Punkt bleibt, die richtige Balance zu finden.

© SZ vom 10.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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