Arbeitende Mütter: Rachida Dati:Ärger über Supermama

An Rachida Dati scheiden sich die Geister. Frankreichs Justizministerin arbeitet kurz nach der Geburt weiter - das regt die Franzosen auf: Dürfen Mütter das?

Michael Kläsgen, Paris

Paris - An Rachida Dati scheiden sich die Geister, mal wieder. Frankreichs Justizministerin war am Mittwoch, nur fünf Tage nach der Entbindung ihrer Tochter durch einen Kaiserschnitt, schon wieder arbeiten gegangen. Kaum wurde sie aus dem Krankenhaus entlassen, erschien sie strahlend im schwarzen Kostüm und in Highheels im Kreis der Minister, ohne besondere Zeichen der Müdigkeit.

Arbeitende Mütter: Rachida Dati: Rachida Dati hochschwanger: Ist sie ein Vorbild, gar eine Superfrau, oder geht es hier mehr um falsch verstandene Emanzipation oder schlicht um die Angst um den Arbeitsplatz?

Rachida Dati hochschwanger: Ist sie ein Vorbild, gar eine Superfrau, oder geht es hier mehr um falsch verstandene Emanzipation oder schlicht um die Angst um den Arbeitsplatz?

(Foto: Foto: afp)

Doch nicht alle Franzosen finden das stark. Mittlerweile tobt eine Debatte darüber, ob Dati mit ihrem Einsatz anderen Müttern einen Gefallen getan hat. Ist sie ein Vorbild, gar eine Superfrau, oder geht es hier mehr um falsch verstandene Emanzipation oder schlicht um die Angst um den Arbeitsplatz? Einige loben die Professionalität und Aufopferungsbereitschaft der Ministerin. Die große Mehrheit der veröffentlichten Kommentare kritisiert Dati jedoch. Sie habe den Frauen einen Tort angetan - aus arbeitsrechtlichen, gesellschaftlichen und medizinischen, vor allem aber aus psychologischen Gründen.

"Unerträglichen Druck"

So bemängelt die Frauenrechtlerin Maya Sturduts, die Arbeitgeber könnten das Beispiel nutzen und einen "unerträglichen Druck" auf arbeitende Mütter ausüben. Die Auffassung "Schaut her, es geht doch" könnte zur gesellschaftlichen Maxime werden. Andere fürchten, Datis Verhalten bewirke bei Müttern, die ihren Kindern mehr Zeit widmen wollen, ein schlechtes Gewissen.

Schließlich hat es seinen Grund, dass der gesetzliche Mutterschutz in Frankreich 16 Wochen beträgt und acht Wochen Arbeitsverbot nach der Geburt einschließt: Er dient dem Schutz der Gesundheit von Mutter und Kind. Die EU-Kommission will ihn sogar auf 18 Wochen verlängern. 84 Prozent der französischen Mütter wünschen sich eine noch längere Auszeit. 70 Prozent geben in einer Studie der Regierung an, sie würden gerne ein Jahr zu Hause bleiben, wenn sie könnten. Zudem sei der Mutterschutz eine sozialpolitische Errungenschaft, argumentieren sogar Unternehmerinnen.

Bedürfnisse von Mutter und Kind

Für Ministerinnen gilt er gleichwohl nicht. Sie beziehen kein Gehalt, sondern bekommen eine Entschädigung. Die Justizministerin tut also nichts Illegales. Hinzu kommt, dass Datis Arbeitgeber, in diesem Fall Staatspräsident Nicolas Sarkozy, am Mittwoch eine der wichtigsten Reformen in der Justizgeschichte Frankreichs verkündete: die Abschaffung des Untersuchungsrichters.

Hätte die Ministerin da fehlen können? "Dati hätte ihre Karriere auf das Spiel gesetzt, wenn sie länger zu Hause geblieben wäre", sagt die Leiterin der französischen Profamilia, Marie-Pierre Martinez. Der Kinderpsychiater Alain Lazartigues geht noch weiter: "Jemand tut ihr da Gewalt an, wenn sie es nicht selber tut", sagt er. Die Bedürfnisse von Mutter und Kind würden nicht ausreichend respektiert.

Da ist zum einen die Mutter: Sie brauche drei bis vier Wochen Ruhezeit nach einem Kaiserschnitt, sagt der Vizepräsident des französischen Gynäkologen-Verbandes, Georges-Fabrice Blum. Auf der anderen Seite das Kind: "Wenn eine Mutter so früh von ihrem Kind getrennt wird, kann nur sehr schwierig ein inniges Vertrauensverhältnis zwischen beiden entstehen", so der Kinderarzt Philippe Grandsenne. Und was macht der Vater? Den hält Dati weiter geheim.

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