Süddeutsche Zeitung

Arbeiten in Deutschland:So läuft die Anerkennung ausländischer Abschlüsse

  • Wer im Ausland seinen Uniabschluss erworben hat, muss diesen für bestimmte Berufe in Deutschland erst anerkennen lassen.
  • Je nach Job sind die Voraussetzungen und Regularien unterschiedlich. Das Förderprogramm Integration durch Qualifizierung berät kostenlos.

Von Christine Demmer

Deutschland braucht Fachkräfte. Aber nicht jeder, der mit einem ausländischen Hochschuldiplom oder Berufsabschluss nach Deutschland kommt, darf hier seiner erlernten Tätigkeit nachgehen. Sobald er eine Arbeitserlaubnis hat, ist er zwar grundsätzlich berechtigt, einen Job anzunehmen. Damit ist aber noch längst nicht gesagt, dass Mediziner auch ärztlich behandeln und Lehrer unterrichten dürfen.

"Für viele Berufe gibt es genaue Vorschriften, die teilweise vom Bund, teilweise von den Bundesländern erlassen worden sind", sagt Ulrike Benzer von der Fachstelle Beratung und Qualifizierung des Förderprogramms Integration durch Qualifizierung, kurz IQ. "Wer seine ausländische Ausbildung in Deutschland als gleichwertig mit einer hiesigen Ausbildung anerkennen lassen will, muss genau wissen, an welche Stelle er oder sie sich wenden muss." Entscheidend sind dabei der Beruf und der gewünschte Tätigkeitsort in Deutschland. "Manchmal gibt es aber auch Alternativen zur Anerkennung, die im Einzelfall zielführender sind", sagt Benzer.

Die Gleichwertigkeit kann auf drei Weisen ausgesprochen werden: in vollem Umfang, gar nicht oder nur teilweise gleichwertig. Letzteres ist immer dann der Fall, wenn wesentliche Unterschiede zwischen der ausländischen und der deutschen Ausbildung festgestellt werden, die nicht durch Berufserfahrung ausgeglichen werden können. In reglementierten Berufen müssen die Antragsteller dann bestimmte Auflagen erfüllen, zum Beispiel Anpassungslehrgänge durchlaufen oder eine Prüfung absolvieren, um ihre Kenntnisse als gleichwertig anerkannt zu bekommen.

Fast hundert Beratungsstellen unterstützen kostenlos

Zur Vorbereitung auf die Anerkennungsverfahren bieten die Beratungsstellen des Förderprogramms IQ kostenlose Unterstützung. Fast hundert solche Stellen sind über ganz Deutschland verteilt. Die Beratung ist zu empfehlen. Denn nur in den gesetzlich reglementierten Berufen ist eine behördliche Anerkennung zwingend notwendig. Die Angehörigen aller anderen Berufe können sich ohne Weiteres auf dem Arbeitsmarkt bewerben.

Die Experten im Förderprogramm IQ wissen, was Zahnärzte oder Erzieher, die uneingeschränkt in ihrem Beruf arbeiten wollen, tun können. Sie beraten zu Finanzierung und Fördermöglichkeiten der Kosten von Anerkennungsverfahren, zu Vorbereitungskursen und Ausgleichsmaßnahmen. Der finanzielle Aufwand dafür reicht von wenigen Hundert bis zu mehreren Tausend Euro. Ein Beratungsgespräch kann daher viel Zeit, vergebliche Bewerbungen und nicht zuletzt Geld sparen helfen.

Ärzte

In diesem Beruf wurden 2014 mit Abstand die meisten Anträge auf Anerkennung gestellt. Er ist bundesrechtlich reglementiert. Das bedeutet: Ohne die behördliche Anerkennung - bei Ärzten ist das die sogenannte Approbation - darf niemand in Deutschland als Mediziner arbeiten. Die Umsetzung dieser Regelung liegt bei Landesbehörden. Eine Person, die in München als Arzt arbeiten will, muss ihren Antrag also in Bayern stellen. Wobei die Anerkennung in einem Bundesland dann automatisch für das gesamte Bundesgebiet gilt. Ähnlich verhält es sich bei Zahnärzten.

EU-Abschlüsse sind inländischen Abschlüssen in der Regel gleichgestellt. Auch wer kein EU-Bürger ist, aber seinen Hochschulabschluss in einem EU-Staat erworben hat, kann sich darauf berufen. Für Qualifikationen aus Staaten außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums und der Schweiz fordern die Anerkennungsstellen hingegen fast immer das erfolgreiche Ablegen einer Prüfung, die sich über sämtliche Inhalte des deutschen Medizinstudiums erstrecken kann. Dafür werden von mehreren Anbietern Vorbereitungskurse angeboten. Die Kosten des Verfahrens und der Kurse können unter Umständen durch Träger wie Jobcenter und Arbeitsagenturen übernommen werden.

Krankenpfleger

Gesundheits- und Krankenpfleger gilt als Mangelberuf. Er steht auf der Positivliste der Bundesarbeitsagentur, die alle Berufe aufführt, in denen Fachkräftemangel herrscht. Bei der Zahl der Anträge auf Anerkennung steht er an zweiter Stelle. Auch dieser Beruf ist nach Bundesrecht reglementiert: Ohne eine behördliche Anerkennung darf niemand als Gesundheits- und Krankenpfleger arbeiten. Um den im Ausland erlernten Beruf in Deutschland ausüben zu können, müssen sich die Bewerber an die für ihren gewünschten Tätigkeitsort zuständige Anerkennungsstelle wenden. Wer also in Niedersachsen als Krankenpfleger arbeiten will, muss seinen Antrag bei einer niedersächsischen Behörde stellen. Die Anerkennung in einem Bundesland gilt automatisch für das gesamte Bundesgebiet.

Altenpfleger

Altenpfleger ist ebenfalls ein Mangelberuf. Und auch hier ist der Zugang bundesweit einheitlich geregelt. In der Praxis zeigt sich allerdings, dass die gesetzlichen Regelungen von 2012 kaum greifen. Aus Sicht der Anerkennungsstellen können die ausländischen Qualifikationen nicht mit dem deutschen Berufsprofil verglichen werden, weil im internationalen Umfeld kaum speziell auf die Altenpflege ausgerichtete Studiengänge oder Ausbildungsberufe existieren. Antragsteller haben bessere Chancen auf eine Tätigkeit nahe ihrem erlernten Beruf, wenn sie sich um eine Anerkennung als Gesundheits- und Krankenpfleger bemühen.

Lehrer

Zu keinem Beruf beraten die Stellen des Förderprogramms IQ häufiger als zum Lehramt. Der Beruf ist landesrechtlich reglementiert. Das heißt, dass die gesetzlichen Vorgaben für die Anerkennung von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sind. In vielen Bundesländern haben nur EU-Qualifikationen und Lehrer, die in zwei Fächern ausgebildet wurden, eine realistische Chance auf Anerkennung. Wichtig: Die Anerkennung eines Bundeslandes gilt nicht automatisch als Anerkennung in einem anderen Bundesland. Wer zum Beispiel in Thüringen als Lehrer anerkannt worden ist, darf nicht ohne Weiteres in Bayern Schüler unterrichten. In einigen Bundesländern können Bewerber alternativ als pädagogische Ergänzungskraft anerkannt werden. Damit ist etwa eine Tätigkeit in Kindertagesstätten möglich.

Erzieher

Nicht nur wegen des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz gibt es in diesem Beruf derzeit einen hohen Personalbedarf. Erzieher ist ein landesrechtlich reglementierter Beruf. Das bedeutet, dass wie bei den Lehrern eine Anerkennung in einem Bundesland nicht automatisch in einem anderen Bundesland gilt. Häufig sind die gesetzlichen Zuständigkeiten im Anerkennungsverfahren auf mehrere Behörden verteilt. Im Ergebnis sehen sich im Ausland ausgebildete Erzieher häufig einem Zuständigkeiten-Wirrwarr gegenüber und haben Mühe, die tatsächlich für sie zuständige Anerkennungsstelle zu identifizieren. Daher ist hier eine Beratung besonders wichtig.

Betriebswirte

Bei Betriebswirten, Ökonomen oder Wirtschaftswissenschaftlern handelt es sich um nicht reglementierte akademische Berufe. Das bedeutet, dass die Berufsausbildung und -ausübung nicht durch Bundes- oder Landesrecht geregelt ist. Jeder Absolvent einer Fachschule oder Hochschule kann sich mit seinem ausländischen Zeugnis auf offene Stellen in Deutschland bewerben. Nur der Arbeitgeber bewertet die Qualifikation der Bewerber.

Um es Personalern einfacher zu machen, das Zeugnis einer ausländischen Hochschule zu verstehen und einzuordnen, können Berufsangehörige bei der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (ZAB) in Bonn eine individuelle Zeugnisbewertung beantragen. Das dauert etwa drei Monate und kostet eine Gebühr von 200 Euro. In dieser Zeugnisbewertung werden die jeweilige Qualifikation sowie die beruflichen und akademischen Verwendungsmöglichkeiten mit denen eines deutschen Hochschulabschlusses verglichen. Diese Einstufung soll den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt erleichtern. Sie bedeutet jedoch keine offizielle Anerkennung. Rechtlich betrachtet, ist eine solche Zeugnisbewertung nicht notwendig.

Kaufleute für Büromanagement

Dies ist ein bundesweit geregelter, aber nicht gesetzlich reglementierter Ausbildungsberuf. Die zuständige Stelle ist die Industrie- und Handelskammer Fosa (Foreign Skills Approval). Dieses bundesweite Kompetenzzentrum wurde von den IHKs gegründet, um die Feststellung der Gleichwertigkeit ausländischer Berufsabschlüsse mit einer deutschen Referenzqualifikation auszulagern. Nur einige IHKs haben sich der Fosa nicht angeschlossen und erledigen die Aufgaben nach wie vor selbst.

Da der Beruf der Bürokaufleute gesetzlich nicht reglementiert ist, kann man sich auch ohne oder mit einer nur teilweisen Berufsanerkennung auf dem Arbeitsmarkt bewerben. Es steht im Ermessen des Arbeitgebers, die Qualifikation selbst zu bewerten. Wer seine Ausbildung im Ausland absolviert hat und um volle Berufsanerkennung ersucht, muss im Fall von wesentlichen Unterschieden eine Anpassungsqualifizierung erfolgreich durchlaufen. Diese Maßnahmen können sowohl praxis- als auch theorieorientiert sein. Die Praxis wird entweder in einem kooperierenden Betrieb geleistet oder in einer Einrichtung, die außerbetriebliche Ausbildungen anbietet. Der theoretische Unterricht findet bei einem Bildungsträger oder in einer Berufsschule statt.

Elektroniker

Elektroniker ist ebenfalls ein bundesweit geregelter, aber nicht reglementierter Ausbildungsberuf. Für die Anerkennung sind die örtlichen Handwerkskammern (HWK) zuständig. Ansonsten gelten für Elektroniker die gleichen Modalitäten wie bei den Kaufleuten für Büromanagement.

Ingenieure

Nach Zahlen des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln werden auf dem Arbeitsmarkt in den nächsten Jahren im Durchschnitt 27 800 Ingenieure pro Jahr fehlen. Die pessimistische Berechnung kommt zu dem Schluss, dass es bis zum Jahr 2029 eine Lücke von 389 200 Ingenieuren geben wird. Die Berufsbezeichnung "Ingenieur" ist in Deutschland aufgrund von Vorschriften der Bundesländer an den Besitz und Nachweis bestimmter Qualifikationen gebunden. Sie darf ohne Gleichwertigkeitsbescheinigung der zuständigen Ingenieurkammer nicht geführt oder genutzt werden. Trotzdem können sich Ingenieure mit ausländischen Qualifikationen mit ihren Abschlusszeugnissen auf dem deutschen Arbeitsmarkt bewerben. Eine Zeugnisbewertung durch die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (ZAB) in Bonn kann die Chancen auf eine Anstellung erhöhen, ist aber keine zwingende Voraussetzung für eine Bewerbung.

Informatiker

Informatiker zählen ebenfalls zu den Mangelberufen und gleichzeitig zu den nicht reglementierten akademischen Berufen. Das bedeutet: Es gibt keine gesetzliche Grundlage für die Ausbildung und Zulassung zum Beruf. Berufstätige können eine individuelle Zeugnisbewertung durch die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen beantragen.

Kontakt: Förderprogramm IQ, www.netzwerk-iq.de, Informationsportal der Bundesregierung, www.anerkennung-in-deutschland.de Anabin-Datenbank mit Liste der in Deutschland reglementierten Berufe, www.anabin.kmk.org Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen bei der Kultusministerkonferenz, www.kmk.org/zab

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Quelle:
SZ vom 20.02.2016/sks
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