Arbeiten in der Tabakindustrie:"Es gibt kein Produkt, das nur gut ist"

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Viele Menschen rauchen, doch in der Tabakindustrie zu arbeiten, scheint ein Tabu zu sein. (Foto: picture alliance / dpa)

Elena Iwanowa hat lange im Marketing einer der größten Tabakfirmen der Welt gearbeitet. Sie erzählt von moralischen Bedenken und Schwierigkeiten beim Branchen-Wechsel.

Protokoll von Sarah Schmidt

Wie ist es, für einen Tabakkonzern zu arbeiten? Lässt es sich mit dem Gewissen vereinbaren, ein Produkt zu verkaufen, das gesundheitsschädlich ist? Elena Iwanowa heißt in Wirklichkeit anders. Sie arbeitet seit 2004 für eines der größten Tabakunternehmen der Welt. Aktuell ist sie in Elternzeit.

Die Tabakindustrie war nicht meine erste Wahl, das gleich vorweg. Ich rauche selbst auch nicht. Aber manchmal trifft man Entscheidungen, die nicht hundert Prozent ideal sind.

Ich war auf der Suche nach einem Job, einem guten Job. Meine Karriere habe ich im Finanzbereich begonnen und ich wollte gern ins Marketing wechseln. Darum habe ich mich für Trainee-Programme beworben, in denen man mehrere Stationen durchläuft. Das eröffnet viele Möglichkeiten. Am Ende hatte ich zwei Zusagen, eine von einem Lebensmittelkonzern, eine von einem Tabakunternehmen. Letztlich war es eine Geldfrage.

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Es war ein super Angebot. Ich wollte immer international arbeiten. Da bietet die Tabakindustrie tolle Möglichkeiten. Ich habe in Russland angefangen, war in Zug in der Schweiz, in der Europa-Zentrale in Amsterdam und zuletzt wieder in der Schweiz. Langweilig wird es nie, alle zwei bis drei Jahre bietet das Unternehmen eine neue Position an.

Die meisten Tabakfirmen sind sehr dynamische Unternehmen. Das hat Vor- und Nachteile. Einerseits passieren die Dinge sehr schnell, du lernst wahnsinnig viel. Das schafft Karriereoptionen, du arbeitest in einem jungen Team, machst Überstunden, aber dann gehst du noch mit den Kollegen feiern. Viele Berufseinsteiger machen das als ersten Job.

Wenn du dich nicht mehr richtig reinhängst, egal aus welchen Gründen, bist du schnell raus oder deine Karriere stagniert zumindest. Es gibt aber durchaus Leute, die seit 20, 25 Jahren dort arbeiten und damit zufrieden sind.

Wer richtig weit kommen will in dem Unternehmen, in dem ich beschäftigt war, muss spezielle Aufgaben übernehmen - zum Beispiel in ein weniger beliebtes Land gehen, zum Beispiel in Afrika. Das ist nur fair - es können sich schließlich nicht alle immer nur die beliebten Länder aussuchen.

"Ich habe Probleme, einen neuen Job zu finden"

Ich will nach der Elternzeit nicht zurück. Doch jetzt habe ich ein Problem, einen neuen Job zu finden. Marketing ist sehr eng mit Werbung verknüpft - und da sind Tabakfirmen heutzutage total eingeschränkt.

Wenn ich mich nun bewerbe, um beispielsweise Joghurt zu vermarkten, dann gehören da auch TV-Werbung, digitales Marketing und Social Media dazu. Ich habe zwar zehn Jahre Berufserfahrung, aber das habe ich einfach noch nie gemacht, weil die Beschränkungen für Zigaretten-Werbung so stark sind.

Ansonsten kann es sowohl gut als auch schlecht sein, für eine Tabakfirma gearbeitet zu haben. Es gibt Firmen, die sagen: "Du hast für die Tabakindustrie gearbeitet? Dann müssen deine moralischen Standards sehr niedrig sein." Sie werden dir das vielleicht nicht ins Gesicht sagen, aber es gibt Unternehmen, die in ihren Richtlinien stehen haben, dass sie niemanden anstellen, der beruflich mit Zigaretten oder Alkohol zu tun hatte. Eine Kollegin von mir hat zum Beispiel von den Weight Watchers eine Absage bekommen - für die war der Tabak-Job ein absolutes No-go. Dann gibt es aber auch Unternehmen, die sagen: "Wenn du in einem so schwierigen Marktumfeld erfolgreich warst, dann bist du richtig gut."

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Unter Kollegen haben wir immer wieder darüber diskutiert, ob es moralisch vertretbar ist, für ein Tabakunternehmen zu arbeiten. Es gibt Leute, denen ist das völlig egal, die sagen: "Es ist einfach ein Produkt, wie jedes andere auch. Wir verkaufen schließlich keine harten Drogen." Das ist auch die Ansage des Arbeitgebers: "Wir wissen, dass Zigaretten gesundheitsschädlich sind, das steht groß auf der Packung. Wir verstecken nichts, so kann jeder Konsument seine eigenen Entscheidung treffen."

"27 Mal wird ein Apfel behandelt"

Ich persönlich habe mich aber nicht immer ganz wohl gefühlt. Ich würde lieber für ein Produkt arbeiten, dem gegenüber ich keine Vorbehalte habe. Andererseits gibt es vermutlich kein einziges Produkt, das nur gut und positiv ist. Klar, bei Zigaretten sind die Probleme ziemlich offensichtlich. Aber in einem Kosmetikkonzern freut man sich darüber, wenn ein neuer Makel erfunden wird, für den man das passende Shampoo oder die passende Creme anbieten kann. Pharmakonzerne freuen sich über den Ausbruch von Krankheiten, von den Tierversuchen ganz zu schweigen.

Ein Verwandter von mir arbeitet in der Landwirtschaft: 27 Mal wird ein ganz normaler Apfel behandelt, bevor er im Supermarkt liegt. Wer richtig hohe Maßstäbe anlegt, dem bleibt wohl nichts anderes übrig, als in den Wald zu gehen, seinen eigenen kleinen Garten zu haben und nie wieder in die Zivilisation zurückzukehren.

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