Arbeiten in der Krise:Lebst du schon oder drehst du noch am Rad?

Angst vor der Krise? Unnötig, sagt Zukunftsforscher Horst Opaschowski: Der Hype des Aufstiegs geht zu Ende.

A. Mühlauer

SZ: Warum arbeiten wir eigentlich?

Arbeiten in der Krise: Verzweiflung angesichts der Krise: In Wirklichkeit wollen wir so arbeiten wie die Eltern - also mit Festanstellung und geregelten Arbeitszeiten.

Verzweiflung angesichts der Krise: In Wirklichkeit wollen wir so arbeiten wie die Eltern - also mit Festanstellung und geregelten Arbeitszeiten.

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Horst Opaschowski: Na, um Geld zu verdienen, natürlich.

SZ: Das ist alles?

Opaschowski: Erst mal muss man von der Arbeit leben können. Dann bringt sie natürlich auch Ansehen und Erfolgserlebnisse. Die Freude an der Arbeit spielt jedoch für die meisten Beschäftigten nur eine untergeordnete Rolle.

SZ: Aber man studiert doch, um dann die Arbeit zu finden, die einem Freude macht.

Opaschowski: Richtig. Zumindest für die Uni-Absolventen gilt: Sie haben die einzigartige Chance, in einer privilegierteren Arbeit tätig zu sein.

SZ: Warum einzigartig?

Opaschowski: Nur zwei von fünf Beschäftigten können sich überhaupt noch in der Arbeit selbstverwirklichen. Das sind in der Regel die Gut- und Bestausgebildeten. Für alle übrigen setzt die Selbstverwirklichung erst nach Feierabend ein.

SZ: Klingt traurig.

Opaschowski: Aber so ist es. Hinzu kommt: Jedes dritte Arbeitsverhältnis dauert kein ganzes Jahr mehr. Und viele Unternehmen können keine Job-Garantie mehr gewähren. Es gibt immer weniger Mitarbeiter, die einer Firma zeitlebens die Treue halten. Was man früher Betriebstreue nannte, die Loyalität zum Arbeitgeber, das gibt es nicht mehr. Ein Wir-Gefühl wird zwar erwartet, aber ist so gut wie nicht mehr da. In 20 Jahren wird nur noch jeder Zweite einen Vollzeit-Job haben.

SZ: Das heißt, wir alle sind nur noch Job-Nomaden, die von einem Arbeitsplatz zum nächsten ziehen.

Opaschowski: Ganz so schlimm wird es nicht kommen. Mitunter ist der Job-Nomade nur ein Phantom wider Willen - freiwillig gibt es ihn gar nicht.

SZ: Wie das?

Opaschowski: Der Job-Nomade will angeblich kein Zuhause mehr haben und ständig umziehen - von Hamburg nach Dresden, von dort nach New York und dann wieder zurück nach Madrid. Er jagt immer den Jobs hinterher. Er hat nicht nur den Lebensabschnittspartner, sondern auch ein Lebensabschnittsjob ...

SZ: ...okay, aber Sie sprachen von einem Phantom ...

Opaschowski: ... ja, denn in Wirklichkeit ist es anders: Was die Arbeitnehmer wirklich wollen, sind geregelte Arbeitsverhältnisse.

SZ: Ist das denn Wunschdenken oder Realität?

Opaschowski: Das genau ist das Problem: Insbesondere die jungen Leute wollen eigentlich etwas anderes. Sie müssen daher den Job-Nomaden "spielen". 80 Prozent wollen in Wirklichkeit so arbeiten wie die Eltern - also mit Festanstellung und geregelten Arbeitszeiten. Der Wanderarbeiter mit Rollcontainer, der jeden Tag an einem anderen Schreibtisch sitzt, der wird den Arbeitnehmern aufgezwängt. Sie wollen das gar nicht.

SZ: Sie beschreiben eine sehr hohe Unsicherheit, die den Menschen gleichzeitig viel Mobilität und Flexibilität abverlangt. Ist das nötig, um überhaupt in der Arbeitswelt der Zukunft bestehen zu können?

Opaschowski: Wenn es so weitergeht wie bisher, dann ja.

SZ: Gibt es denn überhaupt eine Alternative?

"Gefangen im Hype des Aufstiegs"

Opaschowski: Die gibt es. Zurzeit findet ein Umdenken statt. Wenn ich wissen will, wo es hingeht, dann frage ich die Studierenden in einer Großstadt. Das sind die Trendpioniere der Zukunft.

Horst Opaschowski

Zukunftsforscher Horst Opaschowski

(Foto: Foto: ap)

SZ: Und was sagen die Ihnen?

Opaschowski: Bei der Lebenszielplanung steht die Karriere nicht mehr an oberster Stelle, sondern das Gleichgewicht von Privat- und Berufsleben.

SZ: Wie kam es zu dem Wandel?

Opaschowski: Die junge Generation nimmt eine Güterabwägung vor und stellt fest: Der Karrierismus allein bringt keine Lebenserfüllung. In der derzeitigen Arbeitswelt wird man als Person geopfert.

SZ: Stimmt ja auch, sonst wird der Job-Nomade Wirklichkeit.

Opaschowski: Deshalb auch der verständliche Widerstand der jungen Generation gegen die gegenwärtige Arbeitswelt.

SZ: Hat dieser Widerstand die Chance, sich durchzusetzen?

Opaschowski: Absolut, zum Beispiel durch innere Kündigung oder heimlichen Ausstieg.

SZ: Was wären die Folgen?

Opaschowski: Bei den Führungskräften der Zukunft fehlt dann der letzte Einsatz und Leistungswille. Die ultimative Auspowerung findet nicht mehr statt. Man sagt sich: Lieber reduziere ich meine Karriereansprüche und bleibe in der zweiten Reihe. Dann kann ich wenigstens noch in den Spiegel schauen - und mein eigenes Lebenskonzept verwirklichen.

SZ: Also eine Form des Widerstands gegen das bestehende System.

Opaschowski: Es ist eine Revolution und Evolution zugleich - verbunden mit dem Wandel vom quantitativen zum nachhaltigen Wohlstandsdenken. Die Formel lautet: Lieber gut leben, statt viel haben.

SZ: Sein statt Haben.

Opaschowski: Ja, weg vom einseitig materiellen, nur ökonomischen Denken hin zum Gleichgewicht des Lebens.

SZ: Warum kommt diese Revolution ausgerechnet jetzt?

Opaschowski: Weil die Menschen erkennen, dass sie der permanente Kampf um mehr Geld um keinen Deut glücklicher macht - eher unglücklicher.

SZ: Aber warum gerade jetzt?

Opaschowski: Veränderungen künden sich immer in Krisenzeiten an. Solange die Arbeitswelt Anreize bereitstellen kann, die zum Wohlleben beitragen, denkt man nicht groß darüber nach. Dann ist man im Hype des Aufstiegs gefangen. Das konnten wir in den achtziger und neunziger Jahren beobachten: Es ging immer nur aufwärts, bis die Luftblase der New Economy platzte. Seither kann die Arbeitswelt diese Garantie nicht mehr einlösen.

SZ: Viele werden arbeitslos.

Opaschowski: So ist es. Aber wer gut ausgebildet ist, den trifft es zuletzt.

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