Arbeiten in Co-Working-Areas:Club der Kreativen

Co-Working mit Kaffeehaus-Flair: Im Hamburger Betahaus teilen sich Freiberufler einen Platz zum Arbeiten. Hier wird genetzwerkt - auf die altmodische Art und Weise.

Beta ist ein Begriff, den vor allem Softwareentwickler benutzen. Er steht für die Testversion, das Unfertige, einen Zustand, in dem sich auch viele Freiberufler befinden. Sie arbeiten an Projekten, entwickeln eine Geschäftsidee oder haben gerade ihr Start-Up gegründet. Im Betahaus im Hamburger Stadtteil St. Pauli finden sie einen Platz, um vernetzt zusammenzuarbeiten.

Betahaus in Hamburg

Im Betahaus in Hamburg werden auf etwa 250 Quadratmetern 45 mobile Arbeitsplätze für Selbständige angeboten. Die Einheiten können ohne weitere Verpflichtungen flexibel auf Tages- oder Monatsbasis inklusive aller Nebenkosten gemietet werden.

(Foto: dpa)

Co-Working nennt sich das. Vorbilder gibt es in den USA, das erste deutsche Betahaus entstand in Berlin. Besucher können sich einen Schreibtisch mieten, für einen Monat oder nur einen Tag. Es gibt WLAN, eine Bar und noch wichtiger: den Austausch mit anderen Wissensarbeitern.

Die Räume im Betahaus sind hell, die Begegnungen locker und offen. "Die Leute sollen nicht nur nebeneinandersitzen und losarbeiten, sondern sich auch kennenlernen und ihre Kompetenzen austauschen", sagt die 30 Jahre alte Mitgründerin Lena Clausen. Für die stille, konzentrierte Arbeit ist ein eigener Bereich reserviert. Insgesamt ist die Einrichtung minimalistisch. "Wir haben einige Ordner im Regal - aber nur als Alibi." Denn alles Wichtige läuft online.

Ins Betahaus kommen zum Beispiel Programmierer und PR-Berater, aber auch Ingenieure. Eines verbindet ihre Arbeit: "Sie brauchen nur ihren Computer und einen Internetanschluss, um zu arbeiten", sagt Clausen. Co-Working heißt hier nicht "irgendwas mit Medien", und das Netz ist nicht gleich Facebook. "Mindestens ein Drittel der Leute hält sich absolut fern davon." Treffpunkt ist da eher der gemeinsame Frühstücksbrunch.

Für viele Freiberufler ist der Co-Working-Hort an der Lerchenstraße die soziale Alternative zum Büro zu Hause. "Man köchelt da in einem Sud, der immer klumpiger wird und zäh", sagt Valentin Heyde, der als freier Kommunikationsberater arbeitet. "Die Leute hier lieben es, dass sie endlich wieder Struktur im Alltag haben. Du ziehst dich ordentlich an, du gehst unter Menschen. Du sitzt nicht um 19 Uhr zu Hause und sagst: Mein Mann kommt gleich, ich sollte mal duschen", beschreibt Clausen die Situation vieler Selbständiger.

Das Arbeiten im Betahaus gibt oft neue Impulse. "Hier ist der Blick über den Tellerrand quasi Teil des Systems", sagt Heyde. "Im Dezember brauchte ich kurzfristig einen Entwickler für eine Facebook-App. Im Betahaus musste ich nur einmal in die Runde rufen, einen Tag später saßen wir beim Kunden", erzählt der 35-Jährige. "Ich konnte für meinen bisher größten Auftrag Partner finden, die mich unterstützten", sagt Jörn Hendrik Ast. Er berät Firmen beim Personalmarketing und kann dank Monatsticket jeden Tag im Betahaus vorbeischauen.

Netzwerken ohne Netz

Co-Working ist Netzwerken, aber nicht über das Netz. "Wir setzen hier offline um, was online schon alle kennen", sagt Clausen. Viele suchten einen Ort, wo das Vernetzen wieder real möglich ist. "Wo du die Leute auch kennst, mit denen du redest. Mit deinen Internet-Kontakten kannst du nicht Mittagessen gehen." Und der Umgang ist zwanglos: "Du musst nicht alles selber können. Wenn du Buchhaltung nicht kannst, such dir jemanden, der es kann."

Die offene Zusammenarbeit funktioniert nicht ohne ein hohes Maß an Transparenz. "Ich hab' dadurch ein Leben von einer Qualität erlangt, das ich davor nicht kannte, weil ich mich viel mehr im Austausch mit Menschen befinde, die sich für ähnliche Dinge interessieren. Ich werde viel klüger", sagt Mitinitiator Florian Siepert. Es sei wichtig, sich mit seiner Idee nicht zu verstecken. "Alle, die das total abgedreht finden, können immer noch bei einer Versicherung anfangen", findet Lena Clausen.

Dass nur Freischaffende mit Latte Macchiato und Macbook im Betahaus auftauchen, sei ein Vorurteil. "Wir hatten schon die Innovationsabteilung einer großen Firma hier, die von unseren Strukturen lernen wollte", erzählt Clausen. Oft kämen kleinere Projektteams aus Unternehmen. Was sich im Betahaus abspielt, ist natürlich trotzdem nicht auf alle Branchen übertragbar. "Atomkraftwerke und Banken werden nie Co-Working machen."

Kontakt: Betahaus Hamburg,

Lerchenstraße 28a, 22767 Hamburg, www.hamburg.betahaus.de

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