Arbeiten im Ausland:Weniger Anpassung ist manchmal mehr

Wer als Expat im Ausland arbeitet, sollte sich an die dortigen Gebräuche halten - könnte man meinen. Die Wissenschaftlerin Martina Maletzky sieht das ganz anders.

Jutta Göricke

Ein Deutscher, der für sein Unternehmen ins Ausland geht, sollte sich möglichst undeutsch verhalten. Als "Expat" sollte er alles dafür tun, sich in die Befindlichkeiten des Gastlandes einzufühlen und dortige Sitten und Gebräuche anzunehmen. Das könnte man zumindest meinen. Aber Martina Maletzky vom Lehrstuhl für Personalmanagement und Interkulturelle Führung der ESCP Europe Wirtschaftshochschule Berlin sieht das ganz anders.

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"In arabischen Ländern werden bei einer westlichen Kollegin die Führungsposition und ihre fachliche Kompetenz wahrgenommen, nicht ihre Weiblichkeit", sagt Martina Maletzky. Zuviel Anpassung ist deshalb manchmal fehl am Platz.

(Foto: dpa)

SZ: Wer seinen Mitarbeiter ins Ausland entsendet, schickt ihn vorher in der Regel in ein interkulturelles Training. Ist das immer sinnvoll?

Martina Maletzky: Prinzipiell schon. Allerdings ist fraglich, ob das Ziel eines solchen Trainings die maximale Anpassung an das Gastland sein sollte.

SZ: Warum nicht?

Maletzky: Weil es von vielen Faktoren abhängt, wie Expats im Gastland wahrgenommen werden, und nicht nur davon, wie gut sich jemand mit den einheimischen Gepflogenheiten auskennt. Wichtig ist zum Beispiel, wie das Verhältnis von Stammhaus und Belegschaft im Ausland ist. Oder ob das Heimatland in neutraler, negativer oder aber positiver Beziehung zum Gastland steht. Je positiver der Background, den man mitbringt, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass man auch unangepasst akzeptiert wird. Wenn etwa ein US-Amerikaner nach Mexiko geht, muss er damit rechnen, für arrogant gehalten zu werden. Dem sollte er mit bescheidenem Auftreten entgegenwirken und den Gastgebern Achtung erweisen, indem er zeigt: Ich habe mich mit euren Sitten und Ritualen beschäftigt.

SZ: Erwarten die Kollegen im Gastland nicht ein nationaltypisches Verhalten und stellen sich ihrerseits darauf ein?

Maletzky: Ja. Und das kann sogar charmant sein. Aber auch hier gilt: Jeder Expat sollte sich darüber bewusst sein, welchen Hintergrund er mitbringt. Lässt ein Franzose in einem ehemals kolonialisierten Land den Kolonialherrn heraushängen, wird das dort niemand als französischen Charme werten. Und es würde sicherlich ins Auge gehen, wenn ein junger schwedischer Manager, der daheim einen partnerschaftlichen Führungsstil gepflegt hat, sich in Russland plötzlich so paternalistisch geben wollte, wie es dort üblich ist. Eine Studie hat gezeigt, dass gerade Russen an westlichen Expats Authentizität sehr schätzen.

SZ: Chef oder Kollege - würden Sie je nach Status unterschiedliche Anpassungsempfehlungen geben?

Maletzky: Je abhängiger man vom ausländischen Partner ist, desto mehr angepasstes Verhalten sollte man zunächst demonstrieren. Andererseits: Je höher man in der Hierarchie steht, desto wahrscheinlicher ist es, dass unangepasstes Verhalten toleriert wird. Vielerorts sind Entscheidungen des Chefs sakrosankt, und er ist daher auch als Person nicht kritisierbar. Eine erfolgreiche deutsche Managerin, die lange in China war, berichtet, dass sie "Panzerchen" genannt wurde. Sie war mit dem indirekten Kommunikationsstil nicht zurechtgekommen und sagte rigoros, was sie wollte. "Panzerchen" war liebevoll gemeint.

SZ: Gibt es spezielle Verhaltensregeln für Frauen?

Maletzky: Sie sollten sich in Ländern, in denen Frauen traditionell eine untergeordnete Rolle spielen, eher nicht an die weiblichen Rollenmuster anpassen, dann haben sie weniger Akzeptanzprobleme. In arabischen Ländern etwa werden bei einer westlichen Kollegin die Führungsposition und ihre fachliche Kompetenz wahrgenommen, nicht ihre Weiblichkeit. Der Versuch, sich nach einheimischen Rollenmustern zu verhalten, würde nicht unbedingt als Geste der Höflichkeit gewertet, sondern wäre unter Umständen kontraproduktiv, weil sie nicht auf Augenhöhe wahrgenommen würde.

SZ: Ein Kopftuch ist aber doch angebracht, oder?

Maletzky: Vermutlich ja. Aber ob eine Frau dem arabischen Geschäftspartner die Hand geben sollte oder nicht, ist schon weniger eindeutig. Da ist Abwarten die beste Taktik. Vielleicht hat er in Harvard studiert und streckt die Hand von selbst entgegen. Mir geht es darum zu zeigen, dass kulturelle Anpassung nicht holzschnittartig funktioniert, sondern interaktiv. Das heißt, man sollte mit dem Eigenen und dem Fremden spielerisch umgehen und sein Repertoire der jeweiligen Situation anpassen.

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