Arbeiten im Ausland:Und tschüss!

Ohne Perspektive in der Heimat? Viele Deutsche suchen ihr berufliches Glück im Ausland. Gerade in der Wirtschaftskrise fliehen sie nach Holland oder in die Schweiz.

Simone Gröneweg

Der Papierkram ist erledigt, der Flug gebucht. Anfang März wird Renè Koch Deutschland verlassen. Sein Ziel: Kanada. Dort will der 39-Jährige als Trucker arbeiten. Sein Vertrag läuft zwei Jahre. "Danach wird man weitersehen", sagt er. Unter den Deutschen geht das Fernweh um. Im Fernsehen kann man Krankenschwestern, Handwerker und viele andere auf dem Weg in die weite Welt begleiten. Das Sendeformat boomt. Der Neubeginn klappt jedoch nicht immer. Mancher Traum zerplatzt vor laufender Kamera. "Einige gehen die Sache naiv an", urteilt der Auswanderer Koch. Er habe schon ein Jahr in den USA gearbeitet und dort auch als Kind gelebt. "Ich weiß, was auf mich zukommt. Viele andere nicht."

Arbeiten im Ausland: Ab nach Holland: Im Jahr 2007 haben mehr als 161.000 Deutsche ihr Heimatland verlassen.

Ab nach Holland: Im Jahr 2007 haben mehr als 161.000 Deutsche ihr Heimatland verlassen.

(Foto: Foto: dpa)

Die meisten Deutschen zieht es auch nicht ganz so weit weg. Sie gehen lieber in die Schweiz, nach Österreich, Dänemark oder in die Niederlande (Grafik). 2008 hat die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) etwa 9500 Arbeitnehmer ins Ausland gebracht. Im Jahr 2007 haben mehr als 161.000 Deutsche ihr Heimatland verlassen. Wie viele wegen eines neuen Jobs wegziehen, weiß man nicht; Schätzungen gehen von fast 60 Prozent der Auswanderer aus.

Ingenieure und Sozialpädagogen sind gefragt

Eine Befragung der Jobbörse Stepstone ergab: Sieben von zehn Fach- und Führungskräften sind gewillt, ins Ausland zu gehen. Bei der ZAV standen bisher vor allem Bauarbeiter, Personal für Gaststätten und Hotels sowie Metallarbeiter auf der Vermittlungsliste. Aber auch Krankenschwestern und Mediziner waren gefragt, ebenso Ingenieure und Sozialpädagogen.

Besonders Skandinavien, die Schweiz und Holland suchten Personal. Die Wirtschaftskrise lässt die Arbeitslosenquoten aber weltweit steigen. "Man merkt, dass die Nachfrage der Arbeitgeber abnimmt", sagt eine ZAV-Sprecherin. So kriselt es etwa in der spanischen Baubranche. Das können auch Konjunkturprogramme nicht mehr ausgleichen.

Professor Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) prognostiziert, dass die Zahl der Auswanderer zurückgehen wird. "Die anderen Länder leiden auch unter der Krise." Eine Ausnahme stelle der Gesundheitsbereich dar, sagt er. "Krankenschwestern sind auch in der Wirtschaftskrise gefragt."

Wer sich von den düsteren Aussichten der Weltwirtschaft nicht beeindrucken lassen will, sollte sich überlegen, ob er die notwendigen Qualifikationen für einen Auslandsjob mitbringt. Man sollte eine abgeschlossene Ausbildung haben sowie zwei bis drei Jahre Berufserfahrung. Eine Führungskraft muss nachweisen, dass sie bereits Verantwortung übernommen hat.

Besonders wichtig: die Sprache. Führungskräfte und Wissenschaftler müssen sich verhandlungssicher verständigen können. Bei Handwerkern und Facharbeitern reichen Grundkenntnisse. Renè Koch, der seinen Lebensunterhalt bald als Trucker in Kanada verdient, hat schon sechs Jahre in den Vereinigten Staaten gelebt. "Die Sprache ist kein Problem", sagt er. Koch freut sich auf Kanada, weit weg von Deutschland. Er werde 40 Jahre alt, und da seien die Perspektiven hierzulande beschränkt. "Dort steht mir in diesem Alter noch alles offen."

Auf der nächsten Seite: Warum im Ausland auch über 50-Jährige gute Chancen haben.

Und tschüss!

Fast alles ist Verhandlungssache

In der Tat: In anderen Ländern spielt das Alter offenbar keine so große Rolle. Wer über 50 Jahre alt ist, gehört in Deutschland mitunter zum alten Eisen. Das sieht man zum Beispiel in Skandinavien anders. Die Arbeitgeber schätzen die Erfahrung und das Wissen älterer Bewerber.

Es gibt viele Möglichkeiten, um an einen Job im Ausland zu gelangen. Koch hat seine Stelle bei einer von der ZAV organisierten Jobmesse bekommen. Dort hatte sein künftiger Arbeitgeber einen Stand. Der Berufskraftfahrer stellte sich vor, erzählte, dass er schon ein Jahr in den USA gearbeitet habe. "Nach fünf Minuten hatte ich den Job", sagt er. Die ZAV ist die Auslandsvermittlung der Bundesagentur für Arbeit. "Wir stellen Kontakt zu Arbeitgebern her", so die Sprecherin. Der Vorteil: Die ZAV hat weltweit Kooperationspartner. Eine weitere Möglichkeit: Viele Beschäftigte werden auch von ihrer Firma ins Ausland geschickt. Und: Es gibt auch private Vermittler. "Man sollte auf deren Seriosität achten", sagt Christoph Fritz von der Kanzlei Heuser und Collegen.

Ist der Job gefunden, sollte man sich über Regeln und Rechte in dem Land informieren. Ob Mindestlohn oder Probezeit - schon innerhalb Europas gibt es Unterschiede. So ist in Irland fast alles Verhandlungssache: das Gehalt, der Urlaub und die Kündigungsfrist. In Holland wird man in der Regel befristet eingestellt. "In den USA wird der Arbeitsvertrag meist per Handschlag gemacht", berichtet Fritz.

Abkommen über die Rente

Wichtig ist auch, inwiefern das Land Abkommen mit Deutschland geschlossen hat. Innerhalb der Europäischen Union muss man sich wenig Gedanken um diese Dinge machen. Die Länder kooperieren. Wer beispielsweise in Spanien arbeitet, ist dort sozial-, renten- und krankenversichert. Außerhalb der Europäischen Union ist das nicht so. Die Betroffenen müssen sich selbst kümmern.

Renè Koch hat noch Glück: Mit Kanada gibt es immerhin ein Abkommen über die Rente. Das bedeutet: Er zahlt in Kanada seine Beiträge. Verbringt er seinen Ruhestand später in Deutschland, wird ihm die kanadische Rente überwiesen, was durchaus praktisch ist.

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