Süddeutsche Zeitung

Arbeiten für wenig Geld:Das Teure sind die Blumen

Floristen verdienen nach Tarifvertrag oft weniger als 1000 Euro.

Von Barbara Vorsamer

Das Gehalt hat bei ihrer Berufswahl keine Rolle gespielt. Es ging ihr nur um Spaß am Job. Mit 14 Jahren hat Irmgard Knorr ein Praktikum in einem Blumengeschäft in Bad Aibling in der Nähe von Rosenheim gemacht und dabei festgestellt, dass sie gut mit Pflanzen umgehen kann und gerne kreativ arbeitet. Nach dem Abschluss der Volksschule St. Georg in Bad Aibling suchte sie sich eine Lehrstelle als Floristin.

Jetzt, im zweiten Berufsjahr, verdient sie 1564,69 Euro brutto im Monat, das entspricht 1034 Euro auf die Hand. Der 21-Jährigen reicht das. Sie wohnt noch zu Hause bei den Eltern, deswegen ist auf der Soll-Seite das Auto der größte Posten, mit dem sie täglich 20 Kilometer von ihrem Heimatort Willing bei München zur Gärtnerei Baumeister in Feldkirchen-Westerham fährt. Als sonstige Ausgaben fällt der Floristin Kosmetik ein, doch übermäßig eitel wirkt sie nicht.

Müsste Irmgard Knorr Wohnung, Haushalt und Familie mit ihrem Gehalt finanzieren, könnte sie ihre Verdienstabrechnung wahrscheinlich nicht mit einem Achselzucken und einem "Das passt schon so" beiseite legen.

Dabei ist sie mit ihrem monatlichen Tausender netto gut gestellt. Die Gärtnerei Baumeister zahlt nach dem Rahmentarifvertrag für Westdeutschland ohne Schleswig-Holstein. Zwischen 891 und 1138 Euro brutto bekommen Floristen in anderen Teilen Deutschlands, das veröffentlichte das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut der Hans-Böckler-Stiftung (WSI) in einer Tabelle.

Das WSI listet hier Branchen auf, in denen trotz Tarifvereinbarungen Niedriglöhne zwischen vier und zehn Euro die Stunde bezahlt werden. "Wer glaubt, dass allein durch Tarifverträge ein ausreichendes und sozial akzeptables Einkommen gesichert wird, kennt die Verträge nicht", so der WSI-Tarifexperte Reinhard Bispinck. Betroffen sind vor allem Dienstleistungsberufe - wie der Florist. Blumenverkäufer, die keine Ausbildung gemacht haben, verdienen noch weniger als Floristen.

Doch das sei berechtigt, da sind sich Irmgard Knorr und ihre Chefin Ursula Baumeister einig. Schließlich haben Floristen eine dreijährige Lehre hinter sich, in der sie sich mit Biologie und Architektur, Stilkunde und Pflanzenlehre beschäftigen. "Dieses Wissen brauche ich, zum Beispiel für die Pflege empfindlicher Pflanzen oder wenn ich mir die Dekoration für eine Hochzeit überlege", so Irmgard Knorr. Beides macht sie gerne. "Ich kann gar nicht sagen, ob ich lieber für einen Kunden einen Strauß binde, oder lieber etwas pflanze", sagt sie. Es ist die Abwechslung, die sie am Beruf reizt.

Ihr Tagesablauf sieht so aus: Montag, Mittwoch und Freitag kommen Lieferungen, das heißt, sie muss die Blumen putzen und in den Laden einstellen. Danach und an den anderen Tagen bestimmt die Auftragslage, ob Irmgard Knorr Sträuße für Fleurop bindet, Blumenzwiebeln einsetzt, oder einen Saal schmückt. 39 Stunden die Woche macht sie das, für etwa 5,80 Euro netto pro Stunde.

So manche exotische Blume würde sie also einen Stundenlohn kosten - ganz schön viel. Das empfinden auch Kunden so, die für einen mittelgroßen Herbststrauß mit einer Sonnenblume knapp 20 Euro bezahlen müssen. Ein Preis, der vor allem auf die Blumen entfällt, die Arbeitsleistung schlägt nur mit ein bis zwei Euro zu Buche.

Die meisten Leute nehmen auch nur die Pflanzen wahr: Wenn sie ein Gesteck schön finden, bewundern sie vor allem die Blumen. Dass diese erst durch Geschick und Kreativität der Floristen richtig zur Geltung kommen, ist den meisten nicht bewusst. Arbeitszeiten schreibt Ursula Baumeister ihren Kunden deswegen nicht auf die Rechnung. "Wir versuchen, das Geld über die Blumenpreise reinzuholen", sagt sie.

Erst im Jahr 1967 ging der Beruf Florist aus Blumenbinder und Kunst- und Handelsgärtner hervor. Die Kombination von Dekoration, Produktion und Handel finden viele interessant, obwohl der große Reibach mit dem Beruf nicht zu machen ist. Ursula Baumeister: "Bei mir hat sich noch keiner vorgestellt, dem das Gehalt wichtig war. Die meisten Bewerber wollen einfach gerne als Florist arbeiten."

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Quelle:
SZ vom 21.10.2004
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