Arbeit und Gesundheit:Höheres Krebsrisiko durch Schichtarbeit

Die Verschiebung des Tag-Nacht-Zyklus macht nicht nur müde. Auf Dauer begünstigt sie offenbar auch Krebs. Das sollte bei der Schichtplanung berücksichtigt werden, fordern Wissenschaftler.

Britta Verlinden

Die Wirkung des Jet-Lags kennt jeder, der über den Atlantik geflogen ist: Die Verschiebung des Tag-Nacht-Zyklus macht müde, übellaunig und appetitlos. Dass eine längerfristige Störung dieses sogenannten zirkadianen Rhythmus - etwa bei Schichtarbeitern - mit einem erhöhten Krebsrisiko einhergeht, ist hingegen weniger bekannt.

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Immer wieder wird die Nacht zum Tag: Schichtarbeit erhöht das Risiko einer Krebserkrankung.

(Foto: dpa)

Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der WHO stufte Schichtarbeit bereits im Oktober 2007 als "wahrscheinlich krebserregend" ein und stellte sie damit auf eine Risikostufe mit UV-Licht und Acrylamid.

Die Behörde begründete ihre Einschätzung vor allem mit Erkenntnissen aus Tierexperimenten, wonach Licht in der Nacht die Blockade von Krebs-Genen aufheben könnte, aber auch mit Hinweisen auf die krebsfördernde Wirkung von Schichtarbeit auf den Menschen.

Diesem Zusammenhang sind Forscher um den Arbeitsmediziner Thomas Erren von der Universität Köln nun in einer Übersichtsarbeit nachgegangen, die in dieser Woche im Deutschen Ärzteblatt erscheint (Bd.38, S.657, 2010). Dazu analysierten sie 30 epidemiologische Studien mit rund 240.000 in Schichtarbeit oder Flugverkehr tätigen Probanden.

Erren und seine Kollegen halten es nach Sichtung dieser Daten für "biologisch plausibel", dass dauerhafte Störungen oder Unterbrechungen des physiologischen Tag-Nacht-Rhythmus Krebs begünstigen. Statistisch haben Frauen, deren inneres Zeitgefüge durch Zeitzonenflüge, Nacht- oder rotierende Schichtarbeit gestört ist, ein erhöhtes Risiko, an Brustkrebs zu erkranken. Das gleiche gilt für Männer in entsprechenden Berufen und ihr Prostatakrebs-Risiko. Studien, die einen kausalen Zusammenhang belegen, fehlen jedoch bislang.

Während das deutsche Recht solche Belege für die Anerkennung einer Berufskrankheit voraussetzt, wurden in Dänemark im Jahr 2008 Nachtschichtarbeiterinnen, die an Brustkrebs erkrankten, bereits finanziell entschädigt. Sollten weitere Studien den Verdacht auf einen Kausalzusammenhang erhärten, halten es die Kölner Forscher für "nicht unrealistisch", dass die IARC Schichtarbeit bei einer erneuten Risikobewertung als ebenso gefährlich einstufen könnte wie Tabakrauch, Asbest und Strahlung.

Die Autoren fordern deshalb, arbeitsmedizinische und chronobiologische Erkenntnisse bei der Schichtplanung stärker zu berücksichtigen. So sei etwa schon lange bekannt, dass es sich lohnt, Arbeitnehmer nach ihren Schlafgewohnheiten zu fragen, denn "Nachtschichten werden von 'Eulen' als deutlich weniger belastend wahrgenommen als von 'Lerchen'".

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