Arbeit:Familienfreundlichkeit greift für Karriereplanung zu kurz

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Köln/Frankfurt/Main (dpa/tmn) - Flexible Arbeitszeiten, Kinderbetreuung im Betrieb und Homeoffice-Tage: Beruf und Familie vereinbaren zu können, ist für viele ein Kriterium für die Jobsuche. Arbeitgeber wissen das und werben mit entsprechenden Angeboten. Aber was bedeutet "familienfreundlich" überhaupt?

Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Karriere-Coach Bernd Slaghuis empfiehlt daher, nicht nur nach der Bezeichnung "familienfreundlich" zu gehen, sondern sich zunächst selbst zu überlegen: Was benötige ich und was passt zu meiner familiären Situation? Sobald man sich darüber im Klaren ist, was man selbst braucht, sollte man auch im Gespräch mit einem Arbeitgeber Klarheit schaffen und besprechen, was möglich ist, empfiehlt Slaghuis.

Unternehmen sollten auf alle Lebensphasen eingehen

Oliver Schmitz ist Geschäftsführer der berufundfamilie Service GmbH - ein Dienstleister und Think Tank, der Unternehmen im Bereich Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben unterstützt. Dabei spricht Schmitz lieber von "familien- und lebensphasenbewusst" als von "familienfreundlich".

"Es gibt eben nicht nur die Konstellation Vater, Mutter, Kind. Das muss man breiter sehen", sagt er. Außerdem bringen auch andere Lebensphasen Bedürfnisse mit sich, auf die Unternehmen ebenso eingehen sollten. Er empfiehlt daher zum Beispiel auch Berufseinsteigern, darauf zu schauen, welche Angebote es etwa für Menschen mit Familie oder auch kurz vorm Ruhestand gibt. "Wenn man längerfristig irgendwo arbeiten will, macht das Sinn."

Spreche ein Unternehmen mit seinem Maßnahmen etwa nur hochqualifizierte Jobeinsteiger oder aber auch nur Mütter von kleinen Kindern an, führe das zum einen zu einem Ungleichgewicht in der Belegschaft. Außerdem sei so etwas meist nicht langfristig gedacht - Mitarbeiter sind nicht ewig Jobeinsteiger und die Kinder nicht für immer klein.

Bei Maßnahmen nicht auf Augenwischerei reinfallen

Man sollte auch auf die Art der Maßnahmen achten: Sind es Angebote, die auch langfristig beibehalten werden können? Eher als Augenwischerei bezeichnet Schmitz Angebote für Mitarbeiter, die zwar schön anzusehen und plakativ, aber auch sehr teuer sind - das sind nicht unbedingt immer die besten, so Schmitz. "Wichtig ist die Summe an Einzelmaßnahmen." Außerdem komme es darauf an, dass die Angebote gut und regelmäßig kommuniziert werden.

Und nicht zuletzt ist die Führung wichtig: Gehen Vorgesetzte mit gutem Beispiel voran? Kommen sie etwa selbst mal später, weil sie ihr Kind in die Kita gebracht haben? "Das setzt Zeichen und erhöht die Legitimität, solche Angebote auch zu nutzen."

Einen Job für immer - das gibt es nicht mehr

Ob es mit einem Arbeitgeber und der aktuellen Lebenssituation klappt, lasse sich am besten im Gespräch klären, sagt Slaghuis. Einen Job, der ein Leben lang passt, gibt es meist nicht. Muss es auch nicht. "Auf 20 Jahre sein Leben und seine Karriere zu planen, das passt nicht mehr in unsere schnelllebige Zeit", so der Coach.

Von vornherein auf vermeintlich familienfreundliche Jobs zu setzen, hält er deshalb für falsch. "Die Geburt eines Kindes, ein Todesfall oder eben eine Pandemie verändern unser Wertesystem. Die Frage sollte dann sein: Wie reagiere ich im beruflichen Umfeld darauf?"

In diesem Zusammenhang hält Slaghuis es für wichtig, Karriere nicht als Einbahnstraße, in der es immer weiter bergauf geht, zu definieren. Karriere sei nicht der ständige Aufstieg, sondern schlichtweg eine berufliche Entwicklung.

"Es kann auch ein guter nächster Schritt in der Karriere sein, Verantwortung abzugeben, um mehr Zeit für die Familie zu haben. Selbst der hierarchische Rückschritt als sogenanntes Downshifting kann für eine Führungskraft eine gute Karriere-Entscheidung sein, wenn dies zur aktuellen Lebenssituation besser passt." Es selbst nicht als Rückschritt zu sehen, seine eine Frage der inneren Haltung.

© dpa-infocom, dpa:210401-99-53288/2

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