Altersdiskriminierung:Von wegen Abstellgleis

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In vielen Berufen bestimmen Tarifverträge, wer wo wie lange arbeiten darf. Ob die Arbeitnehmer ihren Job im Alter gut meistern oder nicht, ist egal - eine unsinnige Regelung. Menschen sollten so lange arbeiten können, wie sie wollen. Davon würden am Ende nicht nur die Unternehmer profitieren.

Sibylle Haas

Die Europarichter haben klug entschieden. Sie haben die Altersgrenze von 60 Jahren verworfen, die bei Lufthansa für Piloten gilt und damit ein klares Si-gnal gesetzt: Ein Arbeitsverbot ab 60 diskriminiert Ältere. Im Fall der Lufthansa-Piloten könnten zwar sachliche Gründe eine Ungleichbehandlung rechtfertigen, etwa wenn die Sicherheit der Fluggäste gefährdet wäre. Doch das ist nicht der Fall, da in regelmäßigen Checks die Gesundheit der Piloten kontrolliert wird.

Arbeitgeber und Gewerkschaften werden künftig genauer prüfen müssen, ob Altersgrenzen in Tarifverträgen sinnvoll sind oder nicht. Und sie werden genauer hinschauen müssen, ob ein vorzeitiger Zwangsruhestand gegen das Diskriminierungsverbot verstößt und einen Grund zur Klage bietet. (Foto: ap)

Diskriminierend ist der Rausschmiss auch deshalb, weil gesetzliche Regelungen in Deutschland und anderen Ländern Piloten die Arbeit im Cockpit bis 65 erlaubt. Der Europäische Gerichtshof hat deutlich gemacht: Die Ungleichbehandlung hat Grenzen. Und ein Arbeitsverbot ab 60 - schon gar ein tarifvertragliches - geht im konkreten Fall zu weit.

Das Urteil birgt Zündstoff. Denn Arbeitgeber und Gewerkschaften werden künftig genauer prüfen müssen, ob Altersgrenzen in Tarifverträgen sinnvoll sind oder nicht. Und sie werden genauer hinschauen müssen, ob ein vorzeitiger Zwangsruhestand gegen das Diskriminierungsverbot verstößt und einen Grund zur Klage bietet.

Denn nicht jeder Arbeitnehmer findet es gut, dass man ihn vorzeitig in Rente schickt, wie man an den Lufthansa-Piloten, die geklagt hatten, ja sieht. Auf eine ähnliche Idee könnten Polizisten und Berufsfeuerwehrleute kommen. Denn auch für sie gibt es Altersgrenzen, die unter dem gesetzlichen Renteneintrittsalter liegen.

Kassenärzte und Notare dürfen übrigens auch nicht bis zum Sankt Nimmerleinstag arbeiten. Und für Unternehmensvorstände heißt es oft: Mit 60 ist Schluss. Nun mag bei Polizisten und Feuerwehrleuten die körperliche Fitness für den Job ganz besonders wichtig sein. Doch schon bei Ärzten kann man getrost fragen, ob deren Erfahrungsschatz nicht zunimmt, je länger sie praktizieren. Aber dass Vorstände schon mit 60 den Chefsessel räumen müssen, obwohl selbständige Unternehmer oft mit 70 ihr Geschäft sehr gut beherrschen, ist unverständlich.

Mehr Flexibilität wünschenswert

Es ist an der Zeit, gesetzliche und tarifliche Altersgrenzen abzuschaffen. Ein 40-Jähriger ist nicht zwangsläufig leistungsfähiger als ein 70-Jähriger. Warum sollte jemand, der mit 70 Jahren seinen Job gut und gerne macht, nicht weiterhin arbeiten dürfen?

Mehr Flexibilität der Politiker und in den Firmen wäre wünschenswert. Denn wer in Deutschland über das gesetzliche Rentenalter hinaus arbeiten will, braucht meist die Zustimmung seines Arbeitgebers. Die meisten Arbeitsverträge sind an das gesetzliche Rentenalter gekoppelt und enden dann automatisch.

Anstatt die Menschen von einem bestimmten Alter an abzuschieben, sollten Unternehmen lieber darüber nachdenken, wie ihre Mitarbeiter lange arbeitsfähig bleiben. Länger zu arbeiten, bedeutet ja nicht unbedingt, dass jemand ein Leben lang denselben Job macht. Arbeit muss so gestaltet werden, dass die Menschen länger durchhalten. Arbeitgeber und Beschäftigte müssen hier flexibler werden.

Ökonomisch sinnvoller

Umbesetzungen dürfen nicht dazu führen, dass Mitarbeiter schief angeschaut werden. Außerdem müssen mehr anspruchsvolle Stellen mit kurzen und flexiblen Arbeitszeiten geschaffen werden. Auch Weiterbildung wird immer wichtiger. Nur durch lebenslanges Lernen bleiben Mitarbeiter leistungsstark.

Ältere Menschen zu beschäftigen, ist ökonomisch sinnvoller, als gesunde Ältere dafür zu bezahlen, dass sie in den Ruhestand gehen. Alte müssen ihre sozialen Kompetenzen und ihre Berufs- und Lebenserfahrung in den Firmen einbringen dürfen.

Sie sind auch deshalb unverzichtbar, weil eine schrumpfende Bevölkerung ein Wachstumsrisiko ist. Daher sind schon wegen des Fachkräftemangels ältere Arbeitnehmer unentbehrlich. Es ist klüger, die Menschen fit zu halten, anstatt sie, wie bislang Lufthansa, vorzeitig zu verabschieden.

© SZ vom 15.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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