Süddeutsche Zeitung

Akademischer Grad im Personalausweis:Nicht ohne meinen Doktortitel

Promovieren für die Visitenkarte, das Klingelschild - und den Personalausweis. In Deutschland wird der Doktortitel noch immer im Pass vermerkt. So wird der akademische Grad zur persönlichen Aufwertung. Mit Wissenschaft hat das nichts mehr zu tun.

Johan Schloemann

Im lieblichen Konstanz, da gibt es einen Doktor Nix. Ja, sogar: Professor Doktor Nix. Der Mann ist ein sehr umtriebiger, origineller Kopf: Er hat ein kleines Boot auf dem Bodensee, er ist Jura-Professor und Lehrbuchverfasser, ausgebildeter Zirkusclown, Autor mehrerer Romane und zudem seit einigen Jahren erfolgreicher Intendant des Stadttheaters Konstanz. 1988 wurde er an der Universität Bremen zum Dr. jur. promoviert. Er konnte überhaupt nicht anders, als den Doktor zu machen, erzählt heute dieser Christoph Nix: Nur so war es ihm möglich, was zu werden. Sonst wäre er ja einfach nur Nix.

Was Doktor Nix da im Scherz sagt, das meinen viele Karrieristen sehr ernst. Die Promotion an einer Universität dient für sie nicht der Forschung, sondern dem beruflichen und gesellschaftlichen Status, dokumentiert auf Visitenkarte und Klingelschild. Die Zahl der Promotionen wächst in Deutschland von Jahr zu Jahr, die Qualität und die Dringlichkeit der wissenschaftlichen Vorhaben wächst nicht unbedingt mit. Die Folgen sind bekannt: Diverse Politiker, die was werden wollten, sind über schlampige und betrügerische Dissertationen gestolpert.

Krista Sager, die forschungspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, kramt nun anlässlich dieser Skandale ein schon früher diskutiertes Problem aus den Brieftaschen heraus: Es geht um die Personalausweise und Reisepässe, in denen der Doktortitel vermerkt wird. Dies ist in Deutschland seit 1988 gesetzlich so geregelt: Der akademische Grad "Dr." wird laut Passgesetz eingetragen, eine Amtsbezeichnung wie Professor hingegen nicht, ebenso wenig Abschlüsse wie Magister oder gar Bachelor.

Diese Praxis, moniert Sager nun im Hamburger Abendblatt, sei international unüblich - mit den Ausnahmen Österreich und Tschechien -, und sie gehöre abgeschafft. Sonst fördere man nur die Neigung, den Doktor "als persönliche Aufwertung und nicht als wissenschaftliche Qualifikation" anzusehen. (Dr.) Wolfgang Schäuble wollte übrigens bereits 2007 als Innenminister der großen Koalition den Doktor im Pass streichen; er fügte sich aber dem Einspruch des damaligen bayerischen Innenministers (Dr.) Günther Beckstein, der heute trotz Doktorgrad wieder so gut wie nix ist.

Abgesehen vom hohen Aufwand für die Behörden - besonders bei der Anerkennung ausländischer Promotionen - hat der Doktor-Eintrag in deutschen Ausweisen in der Tat einen erheblichen Nachteil: Er nährt das verbreitete Missverständnis, der akademische Grad sei rechtlich Bestandteil des Namens. Das ist aber nicht der Fall. Bundesverwaltungsgericht und Bundesgerichtshof haben bereits 1957 und 1962 geklärt, dass der Doktorgrad nicht als Teil des bürgerlichen Namens gilt, anders als etwa ein ererbter Titel wie "Freiherr". Auch im titelseligen Österreich gehört der Doktor rechtlich nicht zum Namen. Wäre der "Dr." offiziell Bestandteil des Namens, dann müsste das Passgesetz seine Nennung ja gerade nicht ausdrücklich regeln.

Es gibt also Argumente für die Streichung der Doktorwürde im Pass. Doch wäre es gewiss eine Illusion zu glauben, der Jagd nach karrieristischen Promotionen würde damit Einhalt geboten. Diese hat vielfältige Gründe, unter anderem die mangelnde Reputation einfacher Studienabschlüsse in Deutschland. Und eine würdige Darstellung der Person gibt es im Pass und Personalausweis ja ohnehin nicht mehr: Auf den biometrischen Passfotos sehen wir alle aus wie verschreckte Maulwürfe.

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Quelle:
SZ vom 15.07.2011/holz
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