Akademische Ausbildung zur Hebamme:Komplizierter Start ins Leben

Die Anforderungen an den Beruf der Hebamme ändern sich - und damit auch deren Ausbildung. Was in anderen Ländern schon gang und gäbe ist, kommt nun auch nach Deutschland: Die ersten Studiengänge für Geburtshelferinnen.

Martina Janning

Mechthild Groß ist die erste ihrer Art in Deutschland. Als bisher einzige Hebamme hierzulande hat sie sich in der Geburtshilfe habilitiert. Dabei ist es in Deutschland schon ungewöhnlich, wenn eine Hebamme einen Doktortitel besitzt. Doch Groß selbst arbeitet daran, dass es bald mehr Hebammen mit akademischer Ausbildung gibt. Denn als Privatdozentin leitet sie den Masterstudiengang für Hebammenwissenschaft an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) - den einzigen, den es in Deutschland gibt. "Die Habilitation war erforderlich für die Studiengangsleitung an der MHH", erklärt Groß.

Historisches Geburtenhoch am Krankenhaus St.Elisabeth und St. Barbara

Die Arbeit von Hebammen hat sich in den vergangenen Jahren deutlich geändert - darum bedarf es neuer Ausbildungswege.

(Foto: dpa)

Das Masterstudium an der MHH startete im Herbst 2009, zuvor konnten studierwillige Hebammen nur allgemeine pflegewissenschaftliche Studiengänge belegen, oder sie mussten im Ausland studieren. Eine Besonderheit des Masterstudiengangs für Hebammenwissenschaft ist, dass er mit Universitäten in England, den Niederlanden, Slowenien und in der Schweiz kooperiert. Dort können die Studenten ebenfalls Module belegen. Das funktioniert ohne viel Aufwand, weil es sich um ein Onlinestudium handelt, bei dem Dozenten und Studenten übers Internet kommunizieren - nur zu Beginn des Masterstudiums lernen die Studenten gemeinsam eine Woche lang in Hannover.

Für Luise Lengler aus dem Schwarzwald war das Studium via Internet der Grund, warum sie sich eingeschrieben hat: "Weite Fahrwege wären für mich nicht machbar, dann könnte ich nicht studieren. So aber habe ich Kontakt zu Mitstudentinnen aus ganz Europa und profitiere von den verschiedenen Sichtweisen in anderen europäischen Ländern." Lengler weiß noch nicht, was sie nach dem Masterabschluss machen wird. "Ich würde gerne weiter als Hebamme arbeiten und parallel dazu forschen", sagt sie. Denn der Abschluss European Master of Science in Midwifery qualifiziert nicht nur für die Hebammenforschung, sondern auch für eine Leitungsfunktion und eine Lehrtätigkeit.

Besonders in der Berufsausbildung werden Hebammen mit Mastertitel künftig vermehrt gebraucht. Denn die Ausbildung verändert sich. Während Geburtshelferinnen bisher eine Hebammenschule absolvieren mussten, können sie nun auch studieren. Seit ein paar Jahren dürfen die Bundesländer ein Bachelorstudium der Hebammenkunde zulassen, und einige haben dies bereits getan. Wer die Hochschulausbildung erfolgreich abschließt, hat am Ende das Staatsexamen als Hebamme und einen Studienabschluss in der Tasche. Zwar hat das Bachelorstudium momentan noch Modellcharakter. Aber die Akademisierung dieses wie anderer Gesundheitsberufe nimmt Fahrt auf und ist wohl erst mal unumkehrbar.

Der Deutsche Hebammenverband (DHV) wünscht sich eine solche Entwicklung jedenfalls. Für ihn war eine akademische Berufsausbildung von Hebammen überfällig. "In 24 von 27 EU-Mitgliedstaaten werden Hebammen ausschließlich an Hochschulen ausgebildet", berichtet Claudia Dachs, Bildungsbeirätin im Präsidium des Deutschen Hebammenverbands. Das zolle der besonderen Verantwortung der Geburtshelferinnen Tribut. Hebammen müssen nur dann einen Arzt hinzuziehen, wenn es Komplikationen bei einer Geburt gibt. Wie die Hebamme die Situation einschätzt, entscheidet also im Zweifelsfall darüber, ob ein Kind gesund zur Welt kommt.

Immer neue Anforderungen

Eine akademische Ausbildung von Hebammen sei heute notwendiger denn je, weil sich die Anforderungen im Beruf stark verändert hätten, sagt Dachs. Als ein Beispiel nennt sie die Betreuung im Wochenbett. "Vor 30 Jahren blieb eine Frau nach einer Geburt etwa zwei Wochen in Krankenhaus, nach einem Kaiserschnitt sogar drei Wochen. Heute verlässt eine Frau die Klinik drei bis fünf Tage nach der Geburt ihres Kindes, und ihre Hebamme betreut sie zu Hause weiter", erläutert Dachs.

Das erfordere andere Kenntnisse. "Die Beratung bei der Rückbildung des Körpers und beim Stillen nehmen einen großen Umfang der heutigen Hebammenarbeit ein", ergänzt die Hebamme. Aber auch die Arbeit in einem Krankenhaus verlange Hebammen heute mehr ab als früher, weil in der Medizin viel geforscht und entwickelt werde. "Hebammen müssen die neuesten Techniken kennen und sie richtig einsetzen können", sagt Dachs.

Eine Folge dieser Entwicklung: Die Berufshaftpflicht für selbständige Hebammen steigt seit Jahren, und ein Ende ist nicht in Sicht. Denn Fehler bei der Geburt sind für die Versicherungen besonders teuer. Seit Jahren wehren sich Hebammen erfolglos gegen die steigenden Prämien bei der freiberuflich erbrachten Geburtshilfe. 2010 stieg der jährliche Haftpflichtbeitrag von 2370 auf 3689 Euro - von Juli an soll er auf mehr als 4200 Euro wachsen. Grund seien die steigenden Versicherungskosten, sagt Katrin Rüter vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).

Pro Jahr legten sie im Schnitt um fast 15 Prozent zu. Dabei machten Hebammen nicht mehr Fehler als früher. Doch die Heil- und Pflegekosten kletterten kontinuierlich. Rüter zufolge nehmen zudem die Krankenversicherungen der geschädigten Kinder in viel höherem Umfang als früher Regress bei der Haftpflichtversicherung der Hebamme. Mehr als die Hälfte der im Deutschen Hebammenverband organisierten Frauen ist freiberuflich tätig. Doch Geburtshilfe leistet nach Verbandsangaben nur noch ein Viertel aller Selbständigen. Statt Geburten zu begleiten, weichen die Hebammen auf Vorbereitungskurse oder Wochenbettbetreuung aus - Bereiche, in denen die Haftpflicht nicht so hoch ist. Die Hebammen fordern mehr Unterstützung von der Politik.

Dass eine Akademisierung des Hebammenberufs Nachwuchsprobleme zur Folge haben könnte, befürchtet der Deutsche Hebammenverband nicht. 80 bis 90 Prozent aller Berufsanfängerinnen besäßen schon heute Fachabitur oder Abitur, heißt es beim Verband. Es herrsche außerdem kein Mangel an Bewerberinnen. Bis heute ist der Beruf Hebamme eine Frauendomäne. Nur drei männliche Entbindungspfleger sind Mitglied im Hebammenverband, dem knapp 17.500 von bundesweit 19.000 Hebammen angehören.

Im Studium lernen Hebammen forschungsbasiertes Know-how - damit wissenschaftliche Belege und keine Bauchentscheidungen ihre Arbeit leiten. Während es bereits im Bachelorstudiengang darum geht, Forschungen kritisch zu bewerten und die Ergebnisse in der Praxis umzusetzen, vertieft das Masterstudium besondere Fragestellungen. "Denn immer mehr Spätgebärende, Schwangere mit chronischen Erkrankungen oder mit vorausgegangener Organtransplantation schaffen auch für Hebammen ein immer komplexeres Berufsprofil mit teilweise hoch spezialisierten Anforderungen", sagt Privatdozentin Mechthild Groß.

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