Süddeutsche Zeitung

Agilität:Konflikte mit der neuen Rolle

Professor Ayelt Komus weiß, an welchen drei Hürden das agile Arbeiten im Berufsalltag scheitert.

Interview von Miriam Hoffmeyer

Alle reden von Agilität. Aber wie stark hat sich dieser Managementtrend tatsächlich schon durchgesetzt? Und warum scheitert die Umsetzung agiler Methoden so häufig? Professor Ayelt Komus, Wirtschaftswissenschaftler an der Hochschule Koblenz, ist überzeugt, dass die Zukunft agil ist - selbst wenn das Wort irgendwann keiner mehr hören will.

SZ: Das Konzept "Agilität" kommt ursprünglich aus der Softwareentwicklung. Wo wird es sonst noch genutzt?

Ayelt Komus: Agile Methoden sind in erster Linie für Aufgaben geeignet, die sich vorab nicht vollständig beschreiben lassen und hoher Dynamik unterliegen - Beispiele sind etwa Innovationsprozesse, Software-Einführungen, klassische Produktentwicklungen oder Marketing. Hier kommen agile Methoden besonders häufig zum Einsatz.

Agilität soll Firmen nicht nur schneller und flexibler machen, sondern auch die Arbeitsleistungen der Mitarbeiter verbessern. Wie funktioniert das?

Mitarbeiter in agilen Teams bekommen die Chance, mehr Eigeninitiative zu zeigen, weil sie selbst bestimmen, wie sie ihre Aufgaben erledigen. Und wenn Arbeitsprozesse in kleine Schritte - sogenannte Sprints - zerlegt werden, sieht man alle zwei bis vier Wochen ein greifbares Ergebnis. Beide Faktoren steigern die Motivation und führen zu besseren Leistungen.

Das klingt in der Theorie überzeugend. Aber viele Unternehmen haben gewaltige Probleme bei der Umstellung auf Agilität.

Das stimmt. Inzwischen wissen wir, die Sache scheitert immer an denselben drei Hürden. Zum einen kommen viele "Product Owner" nicht mit dieser neuen Rolle zurecht, in der sie nur Ziele formulieren, die Details zur Umsetzung aber dem Team überlassen sollen. Auch die Arbeit in Sprints aufzuteilen ist für sie eine große fachliche Herausforderung. Zum Zweiten sieht das mittlere Management die Umstellung oft als Bedrohung. Viele haben Angst davor, nicht mehr gebraucht zu werden. Aber auch in agilen Unternehmen werden Führungskräfte gebraucht. Sie sind sogar extrem wichtig, wenn es darum geht, Strategien zu entwickeln, Orientierung vorzugeben und den Mitarbeitern bei ihrer Weiterentwicklung zu helfen.

Das Problem sind also die Menschen?

Das Problem ist, dass viele Unternehmen sich nur kurz beraten oder schulen lassen und ihren Mitarbeitern danach zu wenig Unterstützung dabei geben, in ihre neuen Rollen hineinzufinden. Man muss die Menschen während der ganzen Umstellung intensiv begleiten und unterstützen. Die dritte Hürde muss auch noch erwähnt werden: Besonders in großen Unternehmen gibt es unzählige Vorgaben, Regelungen und Prozesse, die auf die alten, plangetriebenen Verfahren ausgerichtet sind. Das verträgt sich schlecht mit Agilität.

Wie viele Unternehmen in Deutschland arbeiten trotz all dieser Schwierigkeiten schon agil?

Schwer zu sagen. In unserer letzten gemeinsamen Studie mit der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement und "Scrum.org" gaben nur zwölf Prozent der Unternehmen an, gar keine agilen Methoden zu nutzen. Wir wissen aber nicht, ob das repräsentativ ist. In solchen Studien antworten vor allem jene, die sich schon für das Thema interessieren. Man kann auf jeden Fall sagen, dass Agilität auch außerhalb der Softwareentwicklung eine immer größere Rolle spielt und meist auch sehr erfolgreich ist.

Agilität ist ein Buzzword. Ist das Ende des Hypes nicht schon absehbar?

So ist der Hype-Kreislauf: Auf eine Phase der Übertreibung folgt die Ernüchterung - dort sind wir wohl jetzt angekommen. Aber in den letzten Jahrzehnten hat sich Führung kontinuierlich hin zu mehr Selbstorganisation und mehr Vertrauen in die Mitarbeiter entwickelt, und das ist angesichts der immer schnelleren Veränderungen der Welt auch nötig. Agilität wird die Unternehmen deshalb auf Dauer verändern, auch wenn das Wort in ein paar Jahren vielleicht verbrannt ist.

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Quelle:
SZ vom 11.05.2019
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