Ärger am Arbeitsplatz:Wenn der Chef mit Kündigung droht

Ist privates Internetsurfen oder häufiges Zuspätkommen schon ein Kündigungsgrund? Das ist selbst unter Experten oft umstritten - deshalb lohnt sich oft eine Klage vor dem Arbeitsgericht.

Für viele Arbeitnehmer ist es eine Horrorvorstellung: In der Post liegt ein Brief vom Chef mit der Kündigung. Doch ob das private Surfen am Arbeitsplatz oder das wiederholte Zuspätkommen als Kündigungsgrund ausreichen, ist selbst unter Experten oft umstritten. Es kann sich daher in vielen Fällen lohnen, vor dem Arbeitsgericht gegen die Kündigung zu klagen. Wegen der Komplexität der Materie ist eine Beratung bei einem auf Arbeitsrecht spezialisierten Rechtsanwalt aber meist unverzichtbar.

Kündigung, ap

Die Kündigung im Briefkasten: Wenn sich der Arbeitgeber nicht Formvorschriften gehalten hat, lohnt sich eine Klage.

(Foto: Foto: ap)

"Wenn die Kündigung dem Arbeitnehmer zugegangen ist, muss er innerhalb von drei Wochen Klage erheben. Diese Frist muss auf jeden Fall eingehalten werden, wenn man sich gegen eine Kündigung wehren möchte", sagt Martina Perreng, Expertin für Arbeitsrecht beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) in Berlin. Doch schon die Frage, ob und wie eine Kündigung den Angestellten erreicht hat, kann über dessen Zulässigkeit entscheiden.

"Das Allerwichtigste ist, dass die Kündigung unterschrieben ist. Außerdem gilt die Schriftform. Die elektronische Form per E-Mail oder SMS ist nicht zulässig", sagt der Rechtsanwalt Thomas Muschiol aus Freiburg. Auch eine mündlich ausgesprochene Kündigung kann der Arbeitnehmer getrost ignorieren.

Ausnahmen bei krassem Fehlverhalten

Besonders gute Chancen, gegen eine Kündigung vorzugehen, hat ein Arbeitnehmer, wenn er länger als sechs Monate im Betrieb arbeitet und die Firma mindestens zehn Mitarbeiter beschäftigt. Dann greift das Kündigungsschutzgesetz. Aber auch sonst kann sich eine Klage lohnen, etwa wenn der Arbeitgeber sich nicht an bestimmte Formvorschriften gehalten hat.

Einer ordentlichen Kündigung muss in der Regel eine Abmahnung vorausgehen. "Wenn jemandem etwa gekündigt wird, weil er morgens zu spät zur Arbeit gekommen ist, dann hätte der Arbeitgeber vorher abmahnen müssen", sagt Muschiol. Es gibt allerdings auch Ausnahmen, wenn der Arbeitnehmer ein besonders krasses Fehlverhalten zeigt. Als Beispiel nennt Muschiol das Ansteuern von pornografischen Internet-Seiten mit dem Arbeitsrechner oder Kriminalität.

Begeht der Mitarbeiter eine Straftat, kann dies sogar eine außerordentliche, also fristlose, Kündigung rechtfertigen: "Eine fristlose Kündigung ist immer dann gerechtfertigt, wenn es dem Arbeitgeber nicht mehr zuzumuten ist, den Arbeitnehmer bis zum Ablaufen der Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen", erklärt DGB-Expertin Perreng. "Der Arbeitgeber muss allerdings spätestens zwei Wochen, nachdem er von der Tat Kenntnis erlangt hat, kündigen", ergänzt Muschiol.

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Wenn der Chef mit Kündigung droht

Rechtsschutz und Abfindungen

Vor dem Arbeitsgericht besteht zwar kein Anwaltszwang. Experten empfehlen aber, sich nicht allein in ein Verfahren zu stürzen. "Das Arbeitsrecht ist kompliziert", sagt Michael Eckert, Vorstandsmitglied des Deutschen Anwaltvereins in Berlin und Fachanwalt für Arbeitsrecht in Heidelberg: "Zu dem Gespräch mit dem Anwalt sollte man alle wichtigen Unterlagen wie den Arbeitsvertrag, die letzte Gehaltsabrechnung und die letzte Jahresabrechnung sowie eventuell erhaltene Abmahnungen mitbringen." Nach Angaben von Martina Perreng bieten alle Gewerkschaften ihren Mitgliedern Rechtsschutz in Prozessen vor dem Arbeitsgericht.

"Natürlich wird vorab geprüft, ob der Prozess Aussicht auf Erfolg hat. Aber grundsätzlich werden die Mitglieder bei einer Kündigungsschutzklage unterstützt." Doch eine solche Klage muss nicht immer sinnvoll sein. Das gilt etwa, wenn der Arbeitgeber seinem Mitarbeiter nach Paragraf 1a des Kündigungsschutzgesetzes betriebsbedingt kündigt und ihm auf diesem Weg eine Abfindung anbietet, wie Arbeitsrechtsexperte Eckert erklärt: "In diesem Fall verliert der Arbeitnehmer bei einer Klage den Anspruch auf die Abfindung. Der Gang zum Arbeitsgericht lohnt sich daher nur, wenn man den Arbeitsplatz auf jeden Fall behalten will oder sich eine sehr viel höhere Abfindung im Prozess ausrechnet."

Generell gelten also strenge Anforderungen bei betriebsbedingter Kündigung, etwa wenn Arbeitsplätze an einen anderen Standort verlagert werden. So müsse der Arbeitgeber eine Sozialauswahl anlegen, die die Faktoren Schwerbehinderung, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und Unterhaltspflichten berücksichtigt, so Martina Perreng, Arbeitsrechtlerin beim Deutschen Gewerkschaftsbund. Im Fall der betriebsbedingten Kündigung muss der Arbeitgeber zudem nachweisen, dass die Stelle tatsächlich weggefallen ist. Besonders begründen muss der Arbeitgeber den Wegfall von Stellen nicht. Wenn er etwa einen Standort ins Ausland verlagert, liegt das in seiner unternehmerischen Freiheit.

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