Abwanderung von Fachkräften:Ein Arzt im Wert von einer Million Euro

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Sie klagen über zu viel Bürokratie, schlechte Bezahlung oder strenge Hierarchien: Immer mehr deutsche Fachkräfte wandern aus - und kosten den Staat Milliarden.

R. Preuß

Deutschland verliert jedes Jahr mehrere Milliarden Euro durch die Auswanderung von Fachkräften. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung des Sachverständigenrates für Integration und Migration (SVR) und des Ifo-Instituts, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Demnach sind seit 2003 mehr als 180.000 Deutsche - nach Abzug der Rückkehrer - in andere Industriestaaten ausgewandert.

Ärzte drohen auf einer Demonstration mit Auswanderung: Deutschland verliert durch einen abgewanderten Arzt eine Million Euro. (Foto: Foto: dpa)

Allein 2008 hätten mehr als 3000 Ärzte das Land verlassen. Die Auswanderer seien in der Regel "gut qualifiziert, flexibel, risiko- und leistungsbereit", sagte der Vorsitzende des Sachverständigenrates, Klaus J. Bade. Der Historiker rief dazu auf, die Ursachen der Auswanderung zu bekämpfen und trotz Wirtschaftskrise aktiv um qualifizierte Zuwanderer zu werben.

Eine Millionen Euro Verlust

Der Sachverständigenrat gilt als das renommierteste deutsche Expertengremium im Bereich Migration. Er setzt sich aus neun Professoren zusammen und wird von acht großen Stiftungen getragen. Die Ökonomen des Ifo-Instituts berechneten für den SVR erstmals die Folgekosten für einzelne Auswanderer. Demnach entgehen dem deutschen Staat durch einen 30-jährigen Arzt, der auf Dauer ins Ausland zieht, Steuer- und Sozialversicherungsgewinne von gut einer Millionen Euro.

Bei einem Facharbeiter aus der Metallindustrie sind es rund 280.000 Euro - jeweils ohne die Kosten für die Ausbildung zu berücksichtigen. "Wenn nur ein Drittel der 2008 weggezogenen Ärzte im Ausland bleibt, entgehen dem Staat allein deshalb fast 1,1 Milliarden Euro", sagte Bade. Derzeit arbeiten laut Sachverständigenrat etwa 19.000 deutsche Ärzte im Ausland.

Kaum jemand kehrt zurück

Betrachte man alle Auswanderer, drohe ein Verlust in zweistelliger Milliardenhöhe, sagte Bade weiter. Es habe sich gezeigt, dass ein bedeutender Teil der abgewanderten Deutschen nicht mehr zurückkehre. Die Bundesregierung rechnet dagegen damit, dass die meisten Bundesbürger aus dem Ausland zurückkommen.

Auf der nächsten Seite: Wie Deutschland die Auswanderung durch die Einstellung hochqualifizierter Ausländer auffangen könnte.

Flache Hierarchien

Die Differenz zwischen Auswanderern und Rückkehrern ist in den vergangenen Jahren gewachsen, nach den jüngsten Zahlen von 2007 haben unter dem Strich gut 55.000 Deutsche das Land verlassen. Hauptmotive für den Wegzug seien der Wunsch nach höheren Einkommen, nach flacheren Hierarchien und weniger Auflagen bei Selbständigen, sagte Bade. "Viele werden erst dann wiederkommen wollen, wenn sich diese Bedingungen in Deutschland geändert haben."

Der Sachverständigenrat forderte, die Auswanderung auch durch mehr qualifizierte Zuwanderer auszugleichen. Diese kämen immer noch zu selten nach Deutschland. Eigene Agenturen und deutsche Konsulate müssten gezielt um Akademiker werben, ausländische Absolventen deutscher Hochschulen müssten in Deutschland nach einer Arbeit suchen dürfen, auch wenn sie zunächst wieder in ihre Heimat zurückgekehrt seien.

Eine derartige Reform des Zuwanderungsrechts sei trotz Wirtschaftskrise und steigender Arbeitslosigkeit nötig, sagte Bade. "Ansonsten wird uns der Fachkräftemangel nach der Krise umso schärfer einholen." Die bisherigen Lockerungen für Hochqualifizierte reichten nicht aus.

© SZ vom 27.5.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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