Absurde Kündigungen:Graue Haare kommen mir nicht in die Firma!

Weil sie sich weigerte, ihre grauen Haare zu färben, wurde eine Angestellte in den USA entlassen. Aber auch wegen ganz anderer Kleinigkeiten setzen Arbeitgeber ihre Angestellten vor die Tür. Die absurdesten Kündigungen

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Brigitte Bardot wird 75

Quelle: dpa

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Pfandbons, Maultaschen, Frikadellen: Entlassungen wegen Bagatell-Delikten und anderen Kleinigkeiten beschäftigen die Arbeitsgerichte. Wir zeigen die absurdesten Kündigungen.

Der Täter: eine 52-jährige Angestellte eines Immobilienunternehmens in Texas Das Opfer: ein ästhetisch beleidigter Vorgesetzter Das Corpus Delikti: mehrere graue Haare

Nach sechs Jahren im Unternehmen wurde eine 52-jährige Angestellte eines US-Immobilienunternehmens entlassen - weil sie sich weigerte, ihre grauen Haare zu färben, wie der Houston Chronicle berichtet. Ihr Chef hatte sie zuvor dazu aufgefordert, um das jugendliche Auftreten der Belegschaft zu fördern. Eine Woche danach war die Texanerin ihren Job los. Den macht jetzt eine zehn Jahre jüngere Kollegin. Eine Diskriminierungsklage läuft bereits.

Bagatell-Kündigung

Quelle: dpa

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Der Täter: eine 58-järhige Altenpflegerin Das Opfer: ein Altenheim in Konstanz Das Corpus Delikti: sechs Maultschen

Der Altenpflegerin wurde nach 17 Jahren Betriebszugehörigkeit fristlos gekündigt, weil sie sechs Maultaschen gegessen hatte, die nach der Essenausgabe im Pflegeheim übrig geblieben waren. Vor dem Landesarbeitsgericht Freiburg klagte sie in zweiter Instanz gegen die Kündigung. Das Heim ließ sich auf einen vom Gericht vorgeschlagenen Vergleich ein: Die Pflegerin bekommt eine Abfindung von insgesamt 42.500 Euro, die fristlose Kündigung wird in eine ordentliche umgewandelt. Die Maultaschen waren vor einem Jahr nach dem Mittagessen in der Spitalhofpflege Konstanz übrig geblieben und wären nach übereinstimmenden Angaben der Entlassenen und der Heimleitung weggeworfen worden. Dem Heim sei also kein materieller Schaden entstanden, sagte der Richter. "Es wurde höchstens die Abfallmenge reduziert."

Prozess wegen Stromdiebstahls

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Der Täter: ein 41-jähriger Computerfachmann Das Opfer: eine IT-Firma im Siegerland Das Corpus Delikti: körperlich nicht fassbar; Strom für 1,8 Cent

Die siegerländische Firma hatte dem 41-Jährigen gekündigt, weil er den Akku seines Elektrorollers im Büro aufgeladen hatte - Kosten: 1,8 Cent. Das Arbeitsgericht Siegen hatte die Kündigung aus dem Jahr 2009 bereits im Januar 2010 aufgehoben. Auch die Richter am Landesarbeitsgerichts in Hamm hielten die Kündigung für unwirksam.

Bienenstich, iStock

Quelle: SZ

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Der Täter: eine 27-jährige Buffetkraft Das Opfer: ein Essener Warenhaus Das Corpus Delikti: ein Stück Bienenstich im Wert von 60 Pfennigen

Die Rechtsprechung orientiert sich in solchen Fällen an dem in Justizkreisen bekannten, sogenannten Bienenstich-Urteil, das heute zum Einmaleins jedes Arbeitsrechtlers gehört: Im März 1982 hatte sich eine 27-jährige Buffetkraft in einem Essener Warenhaus ein Stück Bienenstichkuchen genommen und es verzehrt. Daraufhin wurde sie fristlos entlassen. Dagegen klagte sie mit der Begründung, sie habe sich an dem fraglichen Tag nicht wohlgefühlt. Bis zum Nachmittag habe sie deshalb nichts gegessen. Als es ihr dann besser gegangen sei, habe sie, um ihren größten Hunger zu stillen, ein Stück Bienenstich im Wert von 60 Pfennigen verzehrt. Dieses Verhalten sei zwar nicht ordnungsgemäß gewesen, dennoch halte sie die fristlose Kündigung für nicht gerechtfertigt.

Die Richter folgten ihr nicht. Ihre Begründung: Das Vertrauen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sei nach solch einem Vorfall unwiederbringlich zerstört. Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei deshalb nicht mehr zumutbar. (2 AZR 3/83)

Fleischplanzlsemmel, 2005

Quelle: Andreas Heddergott

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Der Täter: eine Sekretärin Das Opfer: Der Bauverband Westfalen Das Corpus Delikti: zwei halbe Brötchen

Die 59-jährige Sekretärin hatte für die ehrenamtlichen Sachverständigen, die ins Haus kamen, einen Imbiss zubereitet - eine Brötchenplatte und ein paar Frikadellen. Als sie bei der Zubereitung Hunger bekam, griff sie zu. Zur Kündigung kam es laut Unternehmen aber nur, weil die Frau "das über Jahre so gemacht hat", so der Hauptgeschäftsführer gegenüber der SZ. Dies sei für ihn umso unverständlicher, weil die Reste des Imbisses anschließend stets verteilt würden. Durch ihr "zugestandenes, jahrelanges Fehlverhalten" aber sei ein "irreparabler Vertrauensverlust" entstanden.

Barbara E., ddp

Quelle: SZ

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Der Täter: ungeklärt. Bis heute ist nicht bewiesen, dass Barbara E. tatsächlich gestohlen hat. Das Opfer: je nach Blickwinkel entweder die Supermarktkette Kaiser's oder die Kassiererin Das Corpus Delikti: zwei Pfandbons im Wert von 48 und 82 Cent

Das bekannteste Opfer solch rigider Firmenpolitik ist die Kassiererin Barbara E.: Die Supermarktkette Kaiser's kündigte ihr, weil sie zwei Pfandbons im Wert von 48 Cent und 82 Cent unterschlagen haben soll. Vor dem Arbeitsgericht hatte die Entlassung Bestand: Es seien alle Voraussetzungen für eine Verdachtskündigung erfüllt, urteilten die Richter und bestätigten damit die Vorinstanz. Eine Kassiererin müsse "unbedingte Zuverlässigkeit und absolute Korrektheit" zeigen, begründete das Gericht sein Urteil. Kündigungsgrund sei der Vertrauensverlust, nicht aber der Wert der Sache. Im Juni hob das Bundesarbeitsgericht die Kündigung auf. Sie sei nicht verhältnismäßig gewesen, hieß es in der Begründung

Nach ´Bettchenklau" weiter Streit um Kündigung

Quelle: dpa

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Der Täter: ein Müllmann aus Mannheim Das Opfer: das weiß, eigentlich niemand so genau Das Corpus Delikti: ein entsorgtes Kinderbett

Der Müllmann war fristlos entlassen worden, weil er ein Kinderbett aus der Arbeit mit nach Hause nahm, das andere Leute bereits in den Müll geworfen hatten.

Bäckerei Westermann, dpa

Quelle: SZ

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Der Täter: ein Bäcker Das Opfer: die Bäckereikette Westermann Das Corpus Delikti: Brotaufstrich

Der Bäcker soll seine selbst mitgebrachten Frühstücksbrötchen unerlaubt mit einem pikanten Belag aus dem Eigentum der Backstube bestrichen haben. Die Bäckerei kündigte dem Betriebsratsmitglied fristlos.

Zu Unrecht, wie das Gericht entschied: Ausschlaggebend waren allerdings formale Gründe, da der Betriebsrat vor der Entscheidung nicht angehört wurde. Mit dem Diebstahl des Brotaufstrichs beschäftigten sich die Richter also gar nicht erst.

Kiwi, ddp

Quelle: SZ

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Der Täter: eine Obstfachverkäuferin Das Opfer: ein Supermarkt Das Corpus Delikti: drei matschige Kiwis im Wert von 2,97 Mark

Ähnlich argumentierten die Richter im Falle der Kündigung einer Mitarbeiterin einer Obst-Abteilung: Sie hatte sich in ihrer Dienstzeit drei Kiwis im Wert von 2,97 Mark in die Tasche gesteckt. Nach Ansicht des Gerichts spielte jedoch der Wert des gestohlenen Gegenstandes keine Rolle, denn das Urteil richtete sich nicht nach dem Vermögensschaden, der angerichtet wurde. Vielmehr stand für die Juristen auch hier der Vertrauensbruch im Vordergrund. (2 AZR 633/82)

Supermarkt, ddp

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Der Täter: ein Schlachtergeselle Das Opfer: ein Einkaufsmarkt Das Corpus Delikti: eine Packung Frischkäse im Wert von 1,99 Euro

Eine Packung Frischkäse wurde einem Schlachtergesellen aus Schleswig-Holstein zum Verhängnis: Er hatte mit seinem Arbeitgeber, einem Einkaufsmarkt, Altersteilzeit im Blockmodell vereinbart und schon die Freistellungsphase erreicht. Als er in dieser Freistellungsphase als Kunde den Einkaufsmarkt besuchte, steckte er eine Packung Frischkäse im Wert von 1,99 Euro ein, ohne zu bezahlen. Ein Ladendetektiv stellte den Mann, der daraufhin fristlos entlassen wurde und damit seinen Anspruch auf Gehalt verlor. Der Schlachtergeselle klagte zwar dagegen, jedoch ohne Erfolg. (Az 2 Sa 413/04)

Fischbrötchen, dpa

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Der Täter: eine Küchenhelferin Das Opfer: ein Restaurant Das Corpus Delikti: drei Fischbrötchen

Ähnlich erging es einer Küchenhelferin, die nach Feierabend drei Fischbrötchen einsteckte und dafür fristlos gekündigt wurde. In der Restaurantküche war ein Hinweis ausgehängt worden, dass die Mitnahme oder der Verzehr von Speisen verboten war. Trotzdem hatte sie die Heringsbrötchen nach Feierabend in einem Plastikbeutel gepackt, ohne sie zu bezahlen. Zu ihrer Entschuldigung erklärte sie, die Ware wäre sonst ohnehin weggeworfen worden. Gleichwohl unterlag sie im Kündigungsrechtsstreit vor Gericht. (Az 7 Ca 8861/07)

Briefmarke, dpa

Quelle: SZ

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Der Täter: ein Kundenbetreuer Das Opfer: ein Versicherungsmakler-Unternehmen Das Corpus Delikti: private Briefe, die auf Kosten des Unternehmens frankiert wurden

Auch wer mit der Frankiermaschine seines Arbeitgebers private Post freimacht, darf fristlos entlassen werden. Dies hat das hessische Landesarbeitsgericht in Frankfurt entschieden und damit ein Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main bestätigt. In dem Fall hatte ein Kundenbetreuer eines Versicherungsmakler-Unternehmens mehrere Privatbriefe mit der Frankiermaschine der Firma freigemacht. Der Mann flog auf, weil die Briefe mit handschriftlichen Adressen versehen waren. Der Portobetrag belief sich auf weniger als fünf Euro. Das Urteil der Richter: Der Pflichtverstoß sei so erheblich, dass er eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt. (Az 16 Sa 1865/06)

Kasse, ddp

Quelle: SZ

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Der Täter: eine Verkäuferin Das Opfer: eine Bäckerei Das Corpus Delikti: ein Fehlbetrag von 1,36 Euro

Der Fall einer Verkäuferin einer Bäckereifiliale in Friedrichshafen am Bodensee, der Ende Februar bekannt wurde, ist der jüngste unter den Kündigungsfällen: Die Frau wurde entlassen, weil 1,36 Euro in der Kasse fehlten. Ihr Chef hatte zwei Detektive eingesetzt, um Unregelmäßigkeiten aufzuspüren. Diese hatten festgestellt, dass mal zu viel und mal zu wenig Geld in der Kasse war. Einmal fanden sie einen Fehlbetrag von 1,36 Euro - der zum Rauswurf der Mitarbeiterin führte. Das Urteil in dem Fall steht noch aus.

Briefpapier, ddp

Quelle: SZ

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Noch mal Glück gehabt

Doch nicht immer haben Arbeitgeber mit einer fristlosen Kündigung aufgrund eines Diebstahlverdachts Erfolg: So entschied das Landesarbeitsgericht Köln vor einigen Jahren, dass bei einer nicht endgültig bewiesenen Entwendung von Briefpapier im Wert von 0,03 Mark der Arbeitgeber nicht direkt kündigen dürfe (5 Sa 872/99).

Auch eine Kassiererin aus Stuttgart durfte bleiben, weil sie sich 20 Mark aus der Kasse genommen und zwei Stunden später - ohne davon zu wissen, dass sie erwischt worden war - wieder hineingelegt hatte. (LAG Stuttgart vom 29.09.1989)

© sueddeutsche.de/bön/holz/cmat
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