Abiball-Betrug:Kriminelle zocken Abiturienten ab

Der Friseurtermin steht, das Kleid ist gekauft, die Eintrittskarten liegen bereit: Kurz vor ihrem Abiball erfahren Berliner Schüler, dass ihre Partyagentur sie betrogen hat. Hunderttausende Euro sind weg - und von den Veranstaltern fehlt noch immer jede Spur. Die Polizei hat inzwischen die Büroräume der Agentur durchsucht.

Corinna Nohn

Der Friseurtermin in Mitte steht seit Monaten, die Limousine ist gebucht, die Eintrittskarten liegen seit einer Woche auf dem Tisch: Samstag, 18. Juni, Hotel Maritim am Potsdamer Platz. Exakt 42.126 Euro haben die Abiturienten des Melanchthon-Gymnasiums für Buffet, Bühne und Ambiente gezahlt, 840 Leute sollten kommen. Doch die Partystimmung ist dahin. Die Berliner Firma Easy Abi GmbH, die seit Jahren Abschlussfeiern mit Pomp und Gloria ausrichtet, hat das Geld nicht weitergereicht, die Verantwortlichen sind verschwunden. Insgesamt sollen mehr als 30 Schulen betroffen sein und der Schaden im hohen sechsstelligen Bereich liegen.

Betrug an Abitur Abschlussklassen

Geschädigte Schüler der Berliner John F. Kennedy-Schule halten vor dem Gebäude der Eventagentur Easy Abi ungültige Flugscheine für eine Klassenreise hoch. Zahlreiche Schülerinnen und Schüler von Abitur-Abschlussklassen sollen von Easy Abi um ihre Abschlussfeiern und Reisen betrogen worden sein. Zwar zahlten die Schüler, aber es gab bisher keine Gegenleistung.

(Foto: dpa)

"Wir dachten, alles sei in Ordnung, wir hatten ja schon die Karten", berichtet die 19-jährige Katharina Fiedler, die zum Festkomitee des Melanchthon-Gymnasiums gehört. "Aber am Pfingstsamstag schrieb uns ein Sub-Unternehmen, dass Easy Abi das Geld nie weiterüberwiesen hat und der Vertrag geplatzt ist." Am Dienstag wollten sie die Verantwortlichen zur Rede stellen, "aber in dem Büro, wo wir ein paar Tage vorher noch 939 Euro für die Lehrerkarten abgegeben hatten, war alles verrammelt ". Die Schüler verständigten die Polizei, nun ermittelt das Landeskriminalamt "hoch intensiv".

Bis Mittwochnachmittag hatten bereits 15 Schulen Anzeige erstattet, doch die Polizei rechnet mit weiteren. So sagt etwa der Berliner Rechtsanwalt Karun Dutta, er vertrete bereits 18 Schulen und habe noch 15 auf seiner Liste. Viele hätten fünfstellige Summen an Easy Abi gezahlt, je nachdem, wie aufwendig das Catering geplant und was alles inklusive war; eine Schule hatte sogar eine Abi-Fahrt nach Spanien gebucht. Die Zeiten, in denen Abiturienten ihre Zeugnisse in graubraunen Stadthallen entgegen nahmen und Mama Frikadellen für die Party briet, sind längst vorbei. "Das ist jetzt ein Event, wie in den USA" sagt Rechtsanwalt Dutta, dessen Sohn selbst 2010 das Abitur bestanden und gefeiert hat.

Dutzende Agenturen haben sich auf solche Abschlussfeiern spezialisiert. Die Firma Easy Abi, die das Geschäft seit etwa zehn Jahren betreibt, war eine der ersten. "Es ging immer alles gut, die Zusammenarbeit lief super", sagt ein Mitarbeiter von Easy Abi München. Die Münchner kooperierten mit der Berliner Agentur, sind aber rechtlich von ihr getrennt und selbst geschädigt. Sie müssen noch eine Feier ausrichten, für die sie wohl kein Geld mehr aus Berlin erhalten. "Auch wir haben keine Ahnung, was los ist", sagt der Mitarbeiter.

Die Probleme hätten begonnen, heißt es, seit der Berliner Firmengründer David H., der noch alle Verträge unterzeichnet hat, Easy Abi vor sechs Wochen verkauft hat. Er war am Mittwoch nicht zu erreichen. Geschäftspartner sagen, er sei erschüttert. Aber es gibt Ungereimtheiten: So ist David H. bereits mit einer neuen Firma, der "Abiball UG", im Handelsregister eingetragen. Der Käufer von Easy Abi, Karl-Heinz R., ist bereits wegen fragwürdiger Geschäfte im Sport-Sponsoring aufgefallen. Derzeit prüfen die Ermittler die Konten der alten und neuen Eigentümer und Geschäftsführer, um herauszufinden, wer das Geld zur Seite geschafft hat. Am Donnerstag wurden die Geschäftsräume der Agentur und die Wohnung des Tatverdächtigen durchsucht, um Beweismaterial zu sichern.

Die Ermittlungen werden Monate dauern. Die geprellten Berliner Schüler haben deshalb eine Gruppe auf Facebook gegründet und suchen Sponsoren und alternative "Locations" für ihre Feiern. Dem Melanchthon-Gymnasium hat das Maritim nun angeboten, eine Party für 36 Euro pro Person auszurichten. Doch die Schüler haben ja schon pro Karte 51 Euro gezahlt und Hunderte Euro in Klamotten und Styling investiert. "Das wäre ja das Allerschlimmste: wenn einer diesen Tag verpasst, weil er sich das nicht auch noch leisten kann", sagt Katharina Fiedler.

Einige ihrer Schulkameraden sitzen derweil in der Nachprüfung und hoffen, dass es überhaupt noch was wird. Das mit dem Abitur.

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