Väter und Elternzeit:Männer verdienen zu viel

Väter wollen nicht nur im Büro schuften, sondern auch ihr Kind aufwachsen sehen. Allerdings fehlt ihnen für eine anspruchsvolle Variante des Vaterseins vor allem eines: Zeit. Die verbringen sie meist im Büro. Nicht, weil sie das unbedingt möchten. Ihr Hauptproblem ist der Einkommensunterschied zwischen den Geschlechtern.

Felix Berth

Sie alle möchten gute Väter sein. Bevor das erste Kind zur Welt kommt, nehmen sich junge Männer vor, die Fehler ihrer Väter und Großväter zu vermeiden. Sie wollen nicht nur im Büro schuften, sondern auch das Baby wickeln. Nicht nur das Auto reparieren, wenn der Lack verkratzt ist, sondern auch das Kind trösten, wenn es sich das Knie aufgeschrammt hat. Nicht nur eine Männerkarriere vorleben, sondern auch Kinderbücher vorlesen. Ein traditioneller, meist abwesender Vater? Bloß nicht, sagen viele junge Männer.

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Die meisten Männer würden gern viel Zeit mit ihren Kindern verbringen. An einer anspruchsvollen Variante des Vaterseins hindert sie jedoch der Einkommensunterschied zwischen den Geschlechtern.

(Foto: dpa)

Dann ist das Baby da. Und alles läuft sehr schnell wieder sehr traditionell. Vielleicht macht der Mann noch zwei Monate Elternzeit - etwa ein Viertel der jungen Väter wagt das inzwischen; allmählich werden es sogar noch ein paar mehr. Doch in den vielen Jahren danach gelingt es nur wenigen Vätern, ihren guten Vorsätzen Taten folgen zu lassen.

Väter haben nämlich fast immer das Gefühl, dass ihnen für die anspruchsvolle Variante des Vaterseins eines fehlt: die Zeit. Die nämlich verbringen sie nun doch meist mit ihrem Job. Pro Woche vierzig Stunden und ein bisschen mehr: hier eine Besprechung, da ein Abendtermin - schließlich gilt es, die junge Familie zu ernähren. Und für die Kinder sorgt derweil die Frau. Eine Zahl zeigt, wie früh die Pläne scheitern: Nach Geburt des ersten Kindes sinkt die durchschnittliche Wochenarbeitszeit der Männer nicht, sondern sie steigt. Wenn die Kinder ein bisschen älter sind, ist dann wieder alles beim Alten: Der Mann arbeitet Vollzeit, die Frau hat einen 400-Euro-Job oder eine Teilzeit-Stelle.

Man kann nun die Schuld dafür bei den Vätern suchen, man kann eine "verbale Aufgeschlossenheit bei weitgehender Verhaltensstarre" diagnostizieren, wie das ein Soziologe mal getan hat. Nur ist es eben kein individuelles Problem, kein bloßer Mangel an gutem Willen. Dass auch Väter ein "Vereinbarkeitsproblem" haben, liegt nur zum kleinen Teil daran, dass sie sich vor Abwasch und Einkauf drücken würden.

Ihr Hauptproblem ist: Sie verdienen zu viel. Nicht im Vergleich mit den kinderlosen Männern - wer gelegentlich mit den Kindern in Urlaub fährt oder regelmäßig den Kühlschrank für ein paar pubertierende Jugendliche füllen muss, der weiß, dass Eltern sein kein billiges Hobby ist. Doch zu viel verdienen die deutschen Väter im Vergleich zu ihren Frauen: Bei knapp 25 Prozent liegt der Gender pay gap, der Unterschied von Männer- und Fraueneinkommen. Selbst wenn man die Berufserfahrung, die Qualifikation und die unterschiedlichen Branchen von Männern und Frauen berücksichtigt, bleibt eine Lücke von mehr als zehn Prozent.

Die Gehaltslücke stabilisiert das traditionelle Modell

Dieses Faktum wird in Deutschland gerne so diskutiert, als sei es ein Gerechtigkeitsproblem. Es darf doch nicht sein, hört man dann, dass eine Frau bei gleicher Kompetenz zehn Prozent weniger verdient als ein Mann. Das stimmt, doch mindestens genauso problematisch ist der Einfluss, den ungleiche Gehälter auf Familien haben. Die Gehaltslücke ist der große Stabilisator des traditionellen Familienmodells. Solange sich hier nichts bewegt, ändert sich auch die Rollenverteilung nicht.

Das kann man an unzähligen privaten Beispielen durchrechnen: Wenn der Mann 3000 Euro verdient, die Frau aber nur 2500, dann ist die Frage, wer seine Arbeit zugunsten der Familie zurückschraubt, schnell beantwortet: Es ist die Frau. "Wir können es uns nicht leisten, dass ich meine Arbeitszeit reduziere", sagen die Männer dann - und das blöde daran ist, es stimmt leider oft. Der Kontostand ist der Killer der guten Vorsätze.

Dies ist das wichtigste Thema der deutschen Familienpolitik. Wer Männern eine andere Rolle in den Familien ermöglichen will, muss die Einkommen der Frauen verbessern. Verglichen damit ist der Rest Kleinkram: Selbst wenn die Kitas in ein paar Jahren perfekt ausgebaut wären, selbst wenn die Vätermonate des Elterngeldes noch beliebter wären, selbst wenn der männliche Hauptverdiener als Rolle noch unpopulärer würde - solange sich die Einkommen von Männern und Frauen nicht annähern, bleiben Männer am Schreib- und Frauen am Esstisch.

Wenn sich das ändert, werden viele Männer vielleicht zunächst irritiert reagieren: Huch, bin ich wirklich nicht mehr derjenige, der das meiste Geld heimbringt? Das kränkt den Mann, keine Frage. Aber es schafft Spielräume. Dann nämlich können Paare freier entscheiden, wer welchen Part in der Familie übernimmt. Und erst dann können Väter ein Leben führen, von dem sie heute nur vor der Geburt ihre Kinder träumen. Es wäre eine echte Entlastung für alle Beteiligten.

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