Selbstdarstellung im Beruf:Rein in die richtige Schublade

Anzug

"Wer seine Individualität über die Erwartungen der anderen stellt, wird beruflich nicht vorankommen", sagt Job-Coach Marlies Smits.

(Foto: Arto - Fotolia)

Macht ein Anzug schon den Chef? Kann der falsche Auftritt die Karriere verbauen? Job-Coach Marlies Smits erklärt, warum es wichtig ist, sich am Arbeitsplatz anzupassen - und wie man trotzdem unverwechselbar bleibt.

Von Johanna Bruckner

Der Banker trägt Anzug, die Werberin fällt durch ihr ausgeflipptes Outfit auf - und der Journalist ist am neuesten Smartphone erkennbar. Verschiedene Jobs werden mit bestimmten Klischees assoziiert. Doch muss man sich diesen als Berufseinsteiger anpassen? Marlies Smits ist Leiterin einer "Benehmensberatung", schult als Job-Coach Arbeitnehmer in Sachen Außenwirkung. Im Gespräch erklärt sie, welchen Einfluss das richtige Image auf die Karriere haben kann - und was an "dress for success" tatsächlich dran ist.

SZ.de: Frau Smits, warum raten Sie Arbeitnehmern, sich im Beruf ein Image aufzubauen?

Marlies Smits: Weil kaum noch jemand Zeit hat oder investieren will, um sein Gegenüber tatsächlich kennenzulernen. Im Beruf wollen wir andere Menschen möglichst schnell einordnen können. Deshalb ist es aus umgekehrter Sicht wichtig, nicht in der falschen, sondern gleich in der angestrebten Schublade zu landen. Schubladendenken ist ja fast ein Schimpfwort. Aber für unsere Vorfahren war es einmal überlebenswichtig. So konnten sie innerhalb kürzester Zeit einschätzen: Ist das mein Freund oder mein Feind? Heute interessiert uns eher: Sieht mein Bankberater kompetent aus, das heißt: Wie ich mir einen Bankberater vorstelle? Und vermittelt der bestellte Handwerker den Eindruck, als hätte er Ahnung vom Fach und könnte zudem zupacken?

Also geht es im Job eher darum, sich in Berufsklischees einzufügen - und weniger darum, sich ein Alleinstellungsmerkmal zu schaffen?

Das ist genau die Schwierigkeit: Einerseits braucht man die Merkmale der jeweiligen Branche. Andererseits will und soll man nicht aussehen wie alle anderen. Ich empfehle immer, sich einen Hingucker zu überlegen, der in Erinnerung bleibt. Seien es rote Socken, die unter der jeweiligen Anzughose hervorblitzen, oder sei es ein perfekt geschminkter Mund. Auch ein charmant durchklingender Dialekt kann ein Markenzeichen sein. Es geht darum, im Mainstream unverwechselbar zu bleiben.

Nicht in allen Branchen ist die geltende Kleiderordnung klar zu erkennen: Wie finde ich heraus, welches Image in meinem Job ankommt?

Tatsächlich ist das im Banken- oder Versicherungswesen einfacher und beispielsweise in kreativen Berufen schwieriger. Weil es dort eine große Vielfalt gibt und alles erlaubt ist. Wer größere Freiheiten hat, sollte diese aber nutzen. Dann ist wiederum Individualität das branchenspezifische Merkmal. Wobei man aufpassen muss, nichts übers Ziel hinauszuschießen - Paradiesvögel haben es selbst bei sehr liberalen Arbeitgebern schwer. Wer unsicher ist, beispielsweise als Berufseinsteiger, kann sich an den Kollegen oder am Anlass orientieren. In der Werbebranche mag legere Kleidung im Agenturalltag vollkommen in Ordnung sein, für einen Außentermin beim Kunden empfiehlt sich dann doch ein formelleres Outfit.

Über die Kleidung hinaus: Wie kann man sein eigenes Image schärfen?

Das Image eines Menschen wird vor allem über das optisch Wahrnehmbare transportiert. Das sind in erster Linie Kleidung und Körpersprache. Wobei man die Wirkung von Mimik und Gestik nicht unterschätzen sollte. Eine Person kann noch so tadellos und dem Anlass entsprechend gekleidet sein: Wenn sie zusammengesunken da steht und jeden Blickkontakt meidet, ist der Gesamteindruck nicht stimmig. Das Lächeln macht ganz viel aus. Und eine freundliche Grundeinstellung, wie ich es nenne, kommt in jedem Job gut an.

"Authentizität darf keine Ausrede sein"

Die Optik muss also stimmen - und der Inhalt? Kann ich mir auch im Gespräch ein Image aufbauen?

Man muss erst mal die Chance für ein Gespräch bekommen! Wer mit Kleidung und Körpersprache nicht überzeugt, erhält vielleicht nie die Möglichkeit, mit seinen Themen zu punkten. Ist die Hürde des ersten Eindrucks genommen, kann man natürlich versuchen, sich beim Smalltalk zu profilieren, beispielsweise als gut informierter Mensch. Allerdings sollte man seine Erkenntnisse nicht allzu sehr herauskehren, sonst hat man am Ende das Image eines Besserwissers.

Wirkt es nicht aufgesetzt, wenn man versucht, einen ganz bestimmten Eindruck zu erwecken?

Die Gefahr ist da, ja. Authentizität wird in unserer Gesellschaft großgeschrieben: Jeder von uns nimmt zwar verschiedene Rollen ein - aber niemand will so wahrgenommen werden, als würde er eine Rolle spielen. Insofern ist es wichtig, man selbst zu bleiben, sich nicht für ein Image zu verbiegen. Allerdings sollte Authentizität auch keine Ausrede dafür sein, sich gegen alle Berufsstandards zu sperren, nach dem Motto: Das bin ich einfach nicht! Wer seine Individualität über die Erwartungen der anderen stellt, wird beruflich nicht vorankommen.

Apropos Erfolg: Es heißt, man solle sich nicht für den Job kleiden, den man hat - sondern für den, den man haben möchte.

Das ist ein kluger Satz. Allerdings sollte man bei der Umsetzung Fingerspitzengefühl beweisen. Nehmen wir an, ich habe einen Chef, der keinen allzu großen Wert auf Kleidung legt, der seine eigene Position nicht durch seine Garderobe unterstreicht. Wenn ich mich besser anziehe als dieser Vorgesetzte, kann es sein, dass mir das nicht den angestrebten Posten einbringt, sondern im Gegenteil Minuspunkte. In Büroberufen ist es grundsätzlich aber schon clever, sich ein bisschen besser als nötig anzuziehen.

Aber ein Anzug macht doch noch keinen Chef.

Hier kommt einem wiederum das Schubladendenken der Menschen zugute, die einen Anzug mit Krawatte oder ein Businesskostüm eher mit einer Führungsposition in Verbindung bringen. Wenn man die noch nicht hat, signalisiert eine entsprechende Aufmachung im besten Fall: Da möchte jemand weiterkommen. Außerdem sollte man nicht vergessen, welche Wirkung die eigene Kleidung auf einen selbst hat. In Untersuchungen hat man festgestellt, dass Menschen im Telefonverkauf, die ihre Arbeit im Jogginganzug erledigen - weil sie ja keiner sieht - weniger erfolgreich sind als ihre Kollegen, die angezogen sind, als würden sie im Büro arbeiten.

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