OECD-Studie über Hochqualifizierte in Deutschland:Zu kleine Elite

Bildungsrepublik Deutschland? Pustekuchen! Deutschland hinkt anderen Ländern hinterher - zumindest was die Ausbildung von Hochqualifizierten angeht. Warum die Bundesrepublik zu wenige Talente hervorbringt, zeigt die OECD-Studie "Bildung auf einen Blick". Ein Überblick über die wichtigsten Befunde.

Hannah Beitzer

Deutschland hinkt in der Bildung anderen Ländern hinterher - zumindest was die Ausbildung von Hochqualifizierten angeht. Zu diesem Schluss kommt die Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) "Bildung auf einen Blick", die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Demnach schrumpft Deutschlands Beitrag zum weltweiten Pool an Talenten rapide. Die Ursachen dafür könnten in zu geringen Bildungsausgaben liegen. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Studie:

OECD-Bericht sieht Maengel im deutschen Bildungssystem

Deutschland hinkt in der Bildung anderen Ländern hinterher - die Ursache könnte in zu geringen Bildungsausgaben liegen.

(Foto: dapd)

Wie steht Deutschland im internationalen Wettbewerb da?

Deutschland läuft nach Meinung der OECD Gefahr, abgehängt zu werden. Nur etwa 26 Prozent aller jungen Erwachsenen erlangen hier einen Hochschulabschluss oder Meisterbrief, der Durchschnitt der 34 OECD-Mitgliedstaaten liegt bei 37 Prozent. Mit 46 Prozent erreichte die Studienanfängerquote im vergangenen Jahr in Deutschland zwar einen Rekordwert - der OECD-Schnitt liegt aber bei 59 Prozent. "Die Anzahl der Hochqualifizierten ist in Deutschland in den letzten Jahrzehnten vergleichsweise langsam gestiegen", sagt Andreas Schleicher von der OECD - deswegen stehe es heute vergleichsweise schlechter da. Vor 50 Jahren erwarb in Deutschland zwar nur knapp jeder Fünfte einen Hochschulabschluss, doch der OECD-Schnitt lag bei nur 13 Prozent.

Lohnt sich ein Studium in Deutschland?

Ein Studium lohnt sich in mehrfacher Hinsicht. Zum einen verdienen Akademiker in Deutschland bis zu 68 Prozent mehr als Menschen, die Hochschulreife oder Berufsausbildung haben, aber nicht studieren. Die Arbeitslosenquote ist mit 3,4 Prozent unter Hochqualifizierten gering. Selbst in den Krisenjahren 2008/2009, die der OECD-Studie zugrunde liegen, ist deren Beschäftigungsquote weiter gestiegen. Außerdem sind Menschen mit einem höheren Bildungsabschluss glücklicher - etwa 77 Prozent gaben an, mit ihrem Leben zufrieden zu sein, während es bei den Menschen ohne Hochschulreife oder Berufsausbildung nur etwa die Hälfte waren.

Kostet ein höherer Bildungsabschluss den Staat mehr Geld?

Nein, im Gegenteil. Der deutsche Staat verdient gut an den Akademikern. 169 000 US-Dollar Gewinn erzielt das Land pro Mann/Frau mit Hochschulabschluss oder Meisterbrief, also Erträge in Form von Einkommensteuern und Sozialversicherungseinnahmen. Nur in den USA liegen diese öffentlichen Erträge höher als hierzulande. Außerdem ist auch die Einstellung der Hochqualifizierten zur Gesellschaft mit steigender Bildung immer positiver. Die Wahlbeteiligung von Hochqualifizierten liegt bei 95 Prozent - bei den Menschen ohne Hochschulreife oder Berufsausbildung liegt sie bei 77 Prozent.

Welche Erfolge kann Deutschland vorweisen?

Ist eine gute Ausbildung genauso viel wert wie ein Studium?

OECD-Bericht sieht Maengel im deutschen Bildungssystem

Deutschland hinkt in der Bildung anderen Ländern hinterher - die Ursache könnte in zu geringen Bildungsausgaben liegen.

(Foto: dapd)

In Deutschland hat man gute berufliche Chancen, nicht nur mit einem Hochschulabschluss, sondern auch mit der dualen Ausbildung", sagt Cornelia Quennet-Thielen, Staatssekretärin im Bildungsministerium - ein Argument, das oft für den Bildungsstandort Deutschland zu Felde geführt wird. Doch die OECD-Studie zeigt: Der Einkommensvorteil von Hochschulabsolventen im Vergleich zu denen, die studieren könnten, es aber nicht tun, beträgt 70 Prozent - Meister steigern sich im Vergleich zur Gesellenzeit nur um 24 Prozent.

Wo liegen die Gründe für das schlechte Abschneiden Deutschlands?

In Deutschland wird im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung weniger Geld in Bildung investiert als in anderen OECD-Ländern. 1995 gab Deutschland 5,1 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Bildung aus, 2008 waren es nur noch 4,9 Prozent - deutlich weniger als der OECD-Durchschnitt von 5,9 Prozent. Ziemlich viel investiert das Land in die Hochschul- und Berufsbildung.

Das Problem liegt in der Vorschul- und Grundschulbildung: Für einen Grundschüler gibt Deutschland zum Beispiel nur 5900 US-Dollar im Jahr aus - im OECD-Durchschnitt sind es 7200 Dollar. Für die niedrige Zahl ist allerdings nicht nur der Staat verantwortlich - in vielen anderen Ländern ist der private Anteil an der Bildung (zum Beispiel Schul- oder Studiengebühren) schlicht höher als in Deutschland, betont Cornelia Quennet-Thielen, Staatssekretärin im Bildungsministerium. Auch dieser private Anteil wird von der OECD mit einberechnet.

Warum wird so wenig in die Elementarbildung investiert?

In den Elementar- und Primärbereich wird in Deutschland traditionell unterdurchschnittlich investiert", sagt Andreas Schleicher von der OECD. Es habe sich jedoch in den vergangenen Jahren einiges getan. Doch Deutschland habe eben im Vergleich zu anderen Ländern auch mehr aufzuholen. "Die Schülerzahlen gehen zurück - trotzdem sollen alle Ausgaben erhalten bleiben", sagt Quennet-Thielen. So würden sich die Ausgaben pro Schüler erhöhen.

Was plant die Politik, um den Bildungsstandort zu stärken?

Ein wichtiger Punkt ist eine erhöhte Durchlässigkeit, fasst Johanna Wanka, Ministerin für Wissenschaft und Kultur in Niedersachsen, die Pläne der Kultusministerkonferenz zusammen. "Der Zugang zum Studium ohne Abitur muss aufgemacht werden."

Welche Erfolge kann Deutschland vorweisen?

In Deutschland haben 84 Prozent aller jungen Menschen Abitur oder eine abgeschlossene Berufsausbildung. Damit liegt das Land knapp über dem OECD-Durchschnitt von 82 Prozent. Außerdem hat Deutschland im internationalen Vergleich eine geringe Jugendarbeitslosigkeit von nur 9,5 Prozent, sagt Quennet-Thielen: "Der Input alleine ist nicht entscheidend. Man muss sich auch den Output anschauen." Positiv hebt die Staatssekretärin auch hervor, dass inzwischen ein Drittel aller Studenten in den für Deutschland so wichtigen Mint-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) eingeschrieben sind - wie auch Schleicher von der OECD bestätigt: "Das liegt vor allem daran, dass mehr Frauen die Fächer studieren."

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