Männer an der Handelskammer-Spitze:Schlechtes Vorbild für die Wirtschaft

Weibliche Führungskräfte

Entwicklung der Frauenquote in EU-Unternehmen

Frauenquote in der EU

Gefühlige Krimis von Autorinnen liest Hans Heinrich Driftmann gerne. Von festen Frauenquoten hält der Präsident des Industrie- und Handelskammertages dagegen nichts. So wundert es kaum, dass in der ersten Führungsebene der 80 Handelskammern fast nur Männer zu finden sind.

Von Thomas Öchsner

Hans Heinrich Driftmann, ehrenamtlicher Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, liest gerne vor dem Einschlafen historische Krimis. Am liebsten von Frauen, weil die "viel einfühlsamer schreiben". Wenn es um Frauen in Führungspositionen geht, hat der Oberst der Reserve auch eine klare Meinung. Er hat nichts dagegen, wenn es mehr werden, aber bitte nicht mit Hilfe einer verbindlichen Frauenquote. Man müsse sich nur die Realität im Mittelstand anschauen, in dem die Unternehmensspitzen zu fast 30 Prozent mit Frauen besetzt seien, sagt Driftmann.

In den 80 Industrie- und Handelskammern Deutschlands, die gemeinsam die Interessen von 3,6 Millionen großen und kleinen Firmen im Land vertreten, sieht die Realität allerdings ganz anders aus: Von einem Frauenanteil in der ersten Führungsebene lässt sich kaum sprechen. Lediglich zwei der 80 Hauptgeschäftsführungen werden von einer Frau geleitet, in der IHK Heilbronn-Franken und im nordrhein-westfälischen Arnsberg. Auch in der zweiten Führungsebene liegt der Frauenanteil deutlich unter dem Durchschnitt in der deutschen Wirtschaft.

Wer sich die Organigramme und Geschäftsberichte der Kammern anschaut, kann leicht feststellen: Frauen sind in den Belegschaften der 80 Einrichtungen überrepräsentiert. Zwei von drei Mitarbeitern dieser Körperschaften des öffentlichen Rechts sind weiblich. In die nicht ehrenamtliche Leitung der Kammern schaffen es jedoch nur wenige. Ganz oben liegt mit den beiden Hauptgeschäftsführerinnen der Frauenanteil bei gerade einmal 2,5 Prozent. Das liegt enorm unter dem Wert, den das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 2008 für vergleichbare Betriebe mit 100 bis 199 Beschäftigten ermittelt hat: Hier liegt die Quote in der ersten Führungsebene bei 16 Prozent.

Frauen und Spitzenjobs

Ein ähnliches Bild bieten die Kammern in der zweiten Führungsebene, zu der die Abteilungsleiter gehören. Hier liegt der Frauenanteil bei etwa 20 Prozent - deutlich weniger als die 28 Prozent in den Betrieben vergleichbarer Größe oder den gar 47 Prozent im öffentlichen Dienst. Nicht besser sieht es bei den Außenstellen der Kammern aus: Auch diese schneiden schlecht ab.

Im DIHK will man diese Zahlen der Süddeutschen Zeitung vor Abschluss einer eigenen statistischen Erhebung nicht näher kommentieren. Ein Sprecher verweist lediglich darauf, dass Kammern ihr Personal selbst auswählen. Es seien bis vor kurzem drei Frauen mehr als Hauptgeschäftsführerinnen tätig gewesen. Außerdem seien innerhalb des DIHK immerhin vier von 14 Fachbereichen weiblich geführt, sagt der Verbandssprecher. Der Frauenanteil in den ehrenamtlichen Vollversammlungen der 80 Kammern liege bei 15 Prozent.

Ilona Lange, Hauptgeschäftsführerin der IHK Arnsberg, sagt dazu: Es gebe viele "tolle Unternehmerinnen", doch es sei "sehr, sehr schwer, sie für die Arbeit in der IHK zu begeistern". Frauen trauten sich trotz vorhandener Qualifikation häufig nicht zu, Spitzenjobs zu übernehmen. Man könne sich daher Frauenförderprogramme in den Kammern wünschen, Erfolge seien dadurch allerdings nicht garantiert.

Öffentlicher Druck scheint aber in jedem Fall zu helfen: In den Vorständen der 30 Dax-Konzerne ist der Frauenanteil zuletzt deutlich auf knapp acht Prozent gestiegen.

Kerstin Andreae, stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, sieht in den Zahlen kein Ruhmesblatt für die Kammern. Diese seien "ein Aushängeschild der Wirtschaft und müssen daher Vorbild sein". Das gelte auch für die Vertretung von Frauen in Führungspositionen. "Nur reden", kritisiert die Abgeordnete, "reicht nicht aus".

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