Kommunikation mit Vorgesetzten:Wie man seinen Chef führt

Es klingt weinerlich, wenn Mitarbeiter klagen, sie könnten mit ihren Ideen sowieso nichts erreichen. Nicht Jammerlappen sind gefragt, sondern Mitarbeiter, die das Heft selbst in die Hand nehmen.

Chris Löwer

Es klingt immer ein bisschen weinerlich, wenn Mitarbeiter darüber klagen, dass sie mit ihren Ideen und kritischen Vorschlägen am Arbeitsplatz sowieso nichts erreichen können. Trotzdem ist diese Haltung in deutschen Büros und Fabrikhallen weit verbreitet. Ganz falsch, meint Heinz-Jürgen Herzlieb, Karrieretrainer aus Niedernberg bei Aschaffenburg. Nicht Jammerlappen und Duckmäuser seien gefragt, sondern Mitarbeiter, die das Heft selbst in die Hand nehmen. Ja, die sich sogar selbst als Führungskraft begreifen. Herzlieb hat dafür einen Begriff geprägt: Er spricht von "Cheffing" oder "Führung von unten".

Kommunikation mit Vorgesetzten Wie man seinen Chef führt, iStock

Der Boss: Er darf nie das Gefühl bekommen, dass er bloßgestellt werden soll.

(Foto: Foto: iStock)

Das bedeute keineswegs, durch einen Dauerbeschuss guter Vorschläge oder herber Kritik den Chef zu sabotieren, meint Herzlieb. Es gehe vielmehr darum mitzugestalten und Einfluss zu nehmen. "Das ist häufiger möglich, als viele glauben." Der Graben zwischen signierenden und resignierenden Mitarbeitern lasse sich überwinden.

Nüchtern und sachlich das Ruder übernehmen

Wer von unten führt, steuert damit zuweilen auch seine Vorgesetzten. Und das kann dringend nötig sein, meint Herzlieb. In der mittleren und oberen Führungsschicht trifft er häufig auf eine "Lähmschicht" - auf Entscheider, die nicht entscheiden. Da sei es manchmal heilsam, wenn etwa der Spezialist, der durch sein Wissen ohnehin besser im Bilde sei als sein Vorgesetzter, nüchtern und sachlich das Ruder übernehme. Auf den Mitarbeiter wirke das wie eine Motivationsspritze, den Chef bewahre es vor einer Fehlentscheidung. Eine klassische Win-Win-Situation.

Ein Blick in die Stellenanzeigen macht klar, dass sich viele Arbeitgeber "unternehmerisches Handeln" oder die Fähigkeit, "Verantwortung zu übernehmen", ausdrücklich wünschen. "Opfertypen", wie Herzlieb sie nennt, sind das krasse Gegenteil davon. Man erkennt sie an Sätzen wie "Ich kann da sowieso nichts machen" oder "Unter dem Chef wird sich eh nichts ändern". Der "Unternehmertyp" dagegen wird bei etwaigen Widerständen des Chefs hartnäckig bleiben, für seine Sache argumentieren, Schwierigkeiten zur Sprache bringen und sich gegebenenfalls Verbündete suchen.

Das gelte umso mehr, meint der Karrieretrainer, wenn der Chef keine klare Linie vorgebe. Dann müsse man eben selbst dafür sorgen. Der Vorgesetzte dürfe allerdings nicht hintergangen werden. Die Karten gehören auf den Tisch: Herzlieb rät, dem Chef zunächst Vorschläge zur Diskussion zu stellen oder ein sorgsam formuliertes Papier vorzulegen. Er dürfe nicht das Gefühl bekommen, dass er bloßgestellt werden soll. Kommt auf die Vorschläge keine Reaktion, sollte man nachhaken. "Nur wenn alle Stricke reißen, trifft man die Entscheidung selber und legt sie dem Chef zur Kenntnisnahme vor."

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Die wichtigsten Überlebensstrategien im Beruf

Majestätsbeleidigung

Derart beherztes Mittun gehört auch für Susanne Reinker, Karriereratgeber-Autorin aus Düsseldorf, zu den Überlebensstrategien im Beruf, die immer wichtiger werden. Denn die überwiegende Mehrheit der deutschen Führungskräfte habe Führung nicht gelernt, meint Reinker. "Wem das klar ist, wird Hinweise und Hilfen dankbar annehmen. Autoritäre Knochen hingegen werden schon einen Anflug davon als Majestätsbeleidigung empfinden." Ihr Rat: Erst mal in aller Ruhe herausfinden, um welchen Typ Chef es sich handelt, welche Schwächen er hat, wo seine No-Go-Areas sind. Mit einem besonnenen Vorgehen schütze man sich auch automatisch vor einem Kardinalfehler: schon während der Probezeit führen zu wollen.

Um Gehör zu finden, könne es überdies nicht schaden, erst mal Sympathien zu wecken. Reinker nennt das "diplomatische Aufmerksamkeit", böse Zungen nennen es "schleimen". Aber: Wer auch nur vermeintlich auf einer Wellenlänge mit dem Chef funkt, hat bei der Einflussnahme bessere Karten. "Es ist gut zu zeigen, was man kann - aber tunlichst nicht in der Domäne des Chefs. Es muss schon eine Nische sein, idealerweise etwas, was er nicht mag oder kann"', rät Reinker. Nebeneffekt: Der Chef wird dem Mitarbeiter nicht hereinreden.

Nicht zynisch werden

Bei Vorgesetzten, die einem gern eine nicht näher spezifizierte Aufgabe auftragen, weil sie selber kein konkretes Ziel vor Augen haben, helfe die Technik des Rückdelegierens: Man fragt den Chef, warum, wie und bis wann die Aufgabe zu erledigen ist. Dann muss er selbst die Sache fertig denken und präzisieren statt darauf zu hoffen, dass sich der Nebel von alleine lichtet.

Führungstrainer Jürgen Spincke aus Hamburg nennt diese Strategie freundlich "den Chef miteinbeziehen". Das sei besser als zynisch zu werden. Doch er warnt vor allzu großen Illusionen darüber, was machbar ist. Zwar könne man mit Respekt, klarer Haltung und Kompetenzen durchaus von unten führen, doch sich den Vorgesetzten hinbiegen, wie man es für richtig hält, bezeichnet Spincke als Hirngespinst. Er hält es mit dem Satz: Lieber einen Regenschirm aufspannen als abwarten, bis der Regen aufhört. Anders formuliert: Es ist einfacher, bei sich selbst anzufangen. "Das ist wie in einer Paarbeziehung: Der Andere wird sich nicht grundlegend ändern, man kann ihn allenfalls manipulieren."

Konstruktiv kritisieren

Bei sich selbst anzufangen kann auch heißen, Selbstwertgefühl aufzubauen statt hierarchiehörig zu werden. "Denn jeder ist eine Führungskraft, die sich selbst führt." Das würden viele Beschäftigte vergessen und sich häufig zu sehr an die Bedingungen anpassen, unter denen sie leiden. Wer sich aber selbst gut führt, der kann durchaus konstruktiv kritisieren und gegebenenfalls Entscheidungen einfordern und selbstbewusst Konsequenzen aufzeigen. Tipp am Rande: Untergebene sollten nicht mit Lob für ihren Vorgesetzten geizen, sofern er es verdient hat, rät Karriereberater Herzlieb. Auch knorrige Chefs dürsteten nach Anerkennung, meint er.

Führen von unten ist also keine Fingerübung fürs Ego, sondern für beide Seiten nutzbringend. Herzlieb: "Nur Mitarbeiter mit einem erfolgreichen Chef werden im Unternehmen wahrgenommen."

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