Kirche als Arbeitgeber:Beharren auf dem Status quo

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Bischöfe im Gebet: Das Bundesverfassungsgericht hat die Sonderrechte kirchlicher Arbeitgeber bestätigt. (Foto: picture alliance / dpa)

Die katholischen Bischöfe dürfen einen Chefarzt feuern, nur weil er in zweiter Ehe lebt. Das Bundesverfassungsgericht hat es ihnen erlaubt. In Wahrheit ist das ein schaler Sieg: Kirchliche Arbeitgeber stehen unter Druck, sich zu verändern.

Kommentar von Matthias Drobinski

Vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat die katholische Kirche einen Sieg errungen: Sie darf Mitarbeiter, die sich nicht an die kirchliche Sittenlehre halten, im Prinzip entlassen. Deshalb muss nun der Fall eines Chefarztes neu verhandelt werden, der nach der Scheidung wieder heiratete: Sein kirchlicher Arbeitgeber kündigte ihm, das Bundesarbeitsgericht erklärte dies für unwirksam; Karlsruhe aber sah nun darin das Recht der Kirchen auf Selbstbestimmung ungenügend berücksichtigt.

Es war ein erwartbarer Sieg: Das Verfassungsgericht hält viel von der Selbstbestimmung der Kirchen, das muss das Schlechteste nicht sein. Es ist aber ein schaler Sieg, den das Krankenhaus da errungen hat. Er zeigt, unter welchem Veränderungsdruck das kirchliche Arbeitsrecht mittlerweile steht.

In Rom endete kürzlich eine Synode, in der die Bischöfe der katholischen Welt heftig stritten, wie sie mit wiederverheirateten Geschiedenen umgehen wollen - eine Mehrheit wünschte: nicht mehr so streng wie bisher. Die deutsche Bischofskonferenz arbeitet an Regeln, wie nach Scheidungen der einzelne Fall besser berücksichtigt werden kann. Schon jetzt arbeiten Muslime und Konfessionslose in kirchlichen Einrichtungen. Es wandelt sich also innerhalb der Kirchen das Verständnis, wann und wie jemand seiner Loyalitätspflicht nachkommen soll.

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Das Bundesverfassungsgericht hat die Sonderrechte kirchlicher Arbeitgeber bestätigt: Bischöfe dürfen Mitarbeiter, die in zweiter Ehe leben, entlassen.

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Im Konfliktfall aber müssen die alten Ansprüche stehen - so erklärt sich das jetzige Verfahren, so erklärte sich jüngst der Prozess um eine Muslima, die in einer evangelischen Einrichtung kein Kopftuch tragen sollte. Es sind Konflikte, die ein wenig an jenes schaurige Bild aus dem Ersten Weltkrieg erinnern, das einen Matrosen auf dem sinkenden Schiff zeigt, der trotzig des Kaisers Fahne hochhält.

Akzeptieren - und als Bereicherung verstehen

Das Karlsruher Urteil legt den Kirchen zwei Möglichkeiten nahe: Sie können auf dem Status quo beharren - dann müssen sie das aber strenger tun als bisher. Die Regeln wären klar, die Bedingungen, auf die sich ein Arbeitnehmer einlässt, auch. Dann würde sich jedoch bald die Frage stellen, ob kirchliche Einrichtungen noch Quasi-Monopole sein dürfen wie in Teilen Bayerns und Nordrhein-Westfalens.

Zudem verspricht der Staat auch einer zweiten Ehe seinen besonderen Schutz. Gespannt dürfte man also auf das erste Verfassungsgerichtsurteil warten, das den Schutz dieser Ehe über das Recht der Kirchen stellt, die eigenen Angelegenheiten zu regeln.

Die andere Möglichkeit ist, dass die kirchlichen Arbeitgeber selber Loyalitätsregeln entwickeln, die den Veränderungen Rechnung tragen. Natürlich müssen die Kirchen keinen Chefarzt ertragen, der eine Klinik auf Abtreibungen spezialisiert, keinen Pfarrer, der predigt, dass Jesus ein Schurke gewesen sei, keinen Lehrer, der für die NPD kandidiert. Sie sollte aber den muslimischen Krankenpfleger akzeptieren und die Kindergarten-Leiterin in zweiter Ehe, die konfessionslose Geschäftsführerin und den schwulen Pfarrsekretär, solange sie nicht gegen ihren Arbeitgeber auftreten. Und sie vielleicht sogar irgendwann als Bereicherung verstehen.

© SZ vom 21.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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