Karriereplanung für Expats:Zurück aus dem Ausland - und jetzt?

Coworking in Berlin

Wer nach einem Auslandseinsatz zurück ins Unternehmen kommt, merkt oft, dass die Kollegen mehr Gelegenheit hatten, um mit dem Abteilungsleiter zum Essen zu gehen.

(Foto: dpa)
  • Noch vor einigen Jahren war klar: Wer Karriere machen wollte, musste eine Station im Ausland absolvieren.
  • Mittlerweile sind jedoch viele Expats enttäuscht, nach ihrer Rückkehr stehen sie zunächst auf der Parkposition.
  • Berufsanfänger setzen stärker auf ein festes Umfeld.

Von Gunda Achterhold

Drei Jahre an die amerikanische Ostküste? Als die Frage im Raum stand, überlegte Andreas Schmitt nicht lange. "Der Umzug war völlig unkompliziert", sagt der 42-jährige Elektroingenieur aus München. "Von der Bezahlung über die Wohnungssuche bis hin zu einem vorbereitenden Training wurden wir vom Unternehmen hervorragend auf den Auslandseinsatz vorbereitet."

Für Andreas Schmitt (Name geändert) und seine Frau war es eine tolle Zeit. Beruflich hätte er sich allerdings mehr davon versprochen, die Rückkehr in die Konzernzentrale war ernüchternd. "Wir mussten den Neustart in Deutschland komplett selber organisieren, und es gab keine wirklich interessante Position für mich", sagt er. "Da merkte ich dann schon, dass die Kollegen vor Ort mehr Zeit gehabt hatten, mit dem Abteilungsleiter Mittagessen zu gehen."

Die Entscheidung, das vertraute Umfeld zu verlassen und mit Partner oder Familie für einige Jahre als sogenannter Expatriate, kurz Expat, ins Ausland zu gehen, ist ein mutiger Schritt. Der Aufwand ist groß, das Ergebnis ungewiss. Denn nach der Rückkehr wartet statt des erhofften Karrieresprungs oft eine verschlankte Zentrale.

Enttäuscht auf der Parkposition

"Viele Expats hatten im Ausland einen attraktiven Job mit Verantwortung und landen anschließend auf einer Parkposition", stellte Anja Kollmann in Gesprächen mit Rückkehrern fest. Für ihre Bachelorarbeit ging die Betriebswirtin der Frage nach, warum so viele Mitarbeiter ein, zwei Jahre nach einem Auslandsaufenthalt kündigen. "Sie sind enttäuscht und suchen sich eine andere Herausforderung."

Über die sozialen Medien sprechen sich diese Erfahrungen herum. "Außerdem ist die Welt so international geworden", sagt die 26-Jährige, die den Masterstudiengang "Human Resources Management" in Regensburg absolviert hat und inzwischen im Recruiting bei einem Automobilzulieferer arbeitet. "Wir telefonieren mit Kollegen in aller Welt und arbeiten auch in Deutschland ganz selbstverständlich in einem globalen Umfeld", sagt Kollmann, "vielleicht ist ein Auslandsaufenthalt auch deshalb für viele nicht mehr so attraktiv."

Noch vor wenigen Jahren war ganz klar: Wer Karriere machen wollte, der musste ein paar Jahre im Ausland gewesen sein, auch in der Medizin. "Das ist im Prinzip heute noch immer so", sagt Peter Noël, Professor für Medizinische Physik am Münchner Klinikum rechts der Isar. "Trotzdem finden wir kaum noch Assistenzärzte, die ins Ausland gehen." Einige Ärzte wechseln in benachbarte europäische Länder und pendeln, ihre Familien bleiben oft hier. Andere entscheiden sich ganz dagegen. "Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hat für die jüngeren Kollegen Vorrang", sagt Noël. "Berufliche Nachteile nehmen sie dafür in Kauf."

Jobeinsteiger haben meistens schon viel von der Welt gesehen

Es ist paradox: Die sogenannte Generation Y der zwischen 1980 und 1999 Geborenen ist virtuell mobil und gleichzeitig an die Scholle gebunden. Einerseits bewegen sie sich völlig ungezwungen in einem globalen Umfeld, zugleich zeigen sie den ausgeprägten Wunsch nach einem sicheren Nest. Umziehen für einen Job? Eher nicht. Erst recht, wenn ein Wechsel mit Abstrichen im Privatleben verbunden ist.

Diesen sich schon länger abzeichnenden Trend bestätigt die jüngste Karriere-Umfrage des Automobilzulieferers Continental unter Studierenden und jungen Akademikern. Jeder zweite Befragte möchte am liebsten in der Region bleiben. Etwa 30 Prozent der Berufsanfänger würden im Ausland nach einem Arbeitsplatz suchen, von den Studierenden können sich das nur 16 Prozent vorstellen.

"Kein Wunder", sagt Jutta Boenig, Vorstandsvorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Karriereberatung. Erst kürzlich hat sie mit einer Gruppe von Hochschulabsolventen gearbeitet. "Die waren während des Studiums schon in Spanien, China oder Argentinien unterwegs, denen reicht es jetzt erst einmal." Wenn Jobeinsteiger ihren ersten Arbeitsvertrag unterschreiben, haben sie meistens schon viel von der Welt gesehen - im Urlaub, als Austauschstudent oder als Backpacker. "Der Abenteuerfaktor fällt da definitiv weg", sagt Boenig.

Interkulturelle und fachliche Erfahrung

Das stellen auch die Personaler bei der Adidas Group in Herzogenaurach fest. "Als globales Unternehmen erwarten wir einerseits von Bewerbern, dass sie internationale Erfahrung mitbringen", sagt Sprecherin Simone Lendzian. "Wir merken aber auch, dass sie dann gerne erst mal hier bleiben wollen." Ein Pilotprojekt, das sich an alle Mitarbeiter wendet, schafft neue Anreize. Teilnehmer des "Talentkarussells" gehen in einer anderen Funktion ins Ausland und wechseln so für zwei Jahre die Perspektive.

Simon Berle baut am Standort Kuala Lumpur das Online-Geschäft für Adidas in Malaysia auf. "Als Europäer ist man hier eher ein Exot", sagt der Sportmanager. "Die Menschen sind zurückhaltend, man muss viel Zeit investieren, um Freunde und Bekannte zu finden." Unterstützt von einem Mentor aus dem Top-Management und begleitet von einem Coach wechselte der 30-Jährige vom strategischen Projektmanagement ins operative Geschäft und verantwortet einen für ihn neuen Bereich.

"Eine der größten Herausforderungen ist die Kommunikation", sagt Berle. "Ich achte inzwischen viel stärker auf nonverbale Zeichen und Stimmungen innerhalb der Gruppe und bespreche vieles erst einmal unter vier Augen." Langfristig möchte er auch in Deutschland Führungsverantwortung übernehmen, der Jobwechsel ist für ihn ein Schritt dorthin. "Aber auch wenn ich meine beruflichen Ziele vielleicht nicht sofort erreichen werde, gewinne ich hier viel an fachspezifischer und interkultureller Erfahrung."

"Ab einem bestimmten Level geht es nicht ohne"

Wenn das Angebot stimmt, ist die Bereitschaft zu einem Wechsel ins Ausland durchaus da. "Wir stellen fest, dass Mitarbeiter die Wahl haben wollen", sagt Esther Roman von der Personalberatung Page Group. Nach ihrer Beobachtung setzen junge Fachkräfte ein internationales Umfeld und die Perspektive, ins Ausland gehen zu können, heute ganz selbstverständlich voraus. Ob sie diese Möglichkeit dann auch wahrnehmen, stehe auf einem anderen Blatt. "An Ehrgeiz mangelt es nicht, doch die Zurückhaltung wächst", sagt Personal-Expertin Roman. "Die jüngeren Generationen wollen ihre beruflichen Wege aktiv mitgestalten und folgen nicht mehr vorgegebenen Pfaden."

Hat der Auslandsjob als Karrierebeschleuniger also ausgedient? "Auf gar keinen Fall", sagt Steffen Brinkmann, bei der Continental AG für Human Relations in Deutschland zuständig. Er ist fest davon überzeugt, dass ein mehrjähriger Auslandsaufenthalt auch heute noch ein wichtiger Karrierebaustein für angehende Führungskräfte ist. "Ab einem bestimmten Level geht es nicht ohne." Entscheidend ist aus seiner Sicht, dass die Aufgabe spannend und die Stelle Teil eines langfristigen Karriereplans ist.

"Das Sicherheitsbedürfnis ist enorm gestiegen", sagt Brinkmann. Die Befürchtung, nicht gut genug vorbereitet zu sein, und die Ungewissheit, wie es danach beruflich weitergeht, zählen laut Continental-Umfrage zu den wichtigsten Gründen gegen die Annahme einer Stelle im Ausland. "Wir binden daher schon im Vorfeld die Familien stärker ein, unterstützen sie direkt vor Ort und entwickeln mit unseren Expats einen konkreten Einsatzplan für die Zeit nach der Rückkehr."

Einen solchen Plan hätte sich auch Andreas Schmitt gewünscht. "Mir hat der Link gefehlt", sagt er. "Wirklich gewinnbringend, und zwar für beide Seiten, ist ein Auslandsaufenthalt dann, wenn man seine Erfahrungen hinterher auch einbringen kann."

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