Interview: Mitarbeiterkontrolle:Misstrauen zerstört Motivation

Stechuhren, Kameras, Kontrollsoftware - Chefs haben viele Mittel, um ihre Mitarbeiter zu überwachen. Damit schaden sie der Firma, sagt Wirtschaftsprofessor Michael Kosfeld.

M. Hoffmeyer

Stechuhren, Überwachungskameras, Kontrollsoftware - Arbeitgeber haben viele legale Mittel, um das Verhalten ihrer Mitarbeiter zu überprüfen. Allerdings schaden sie damit auch sich selbst, denn Misstrauen zerstört die Motivation. Das fand Michael Kosfeld, Wirtschaftsprofessor an der Universität Frankfurt, in einer Studie heraus.

Kamera, dpa

Kontrolle: Chefs die ihre Mitarbeiter an der kurzen Leine halten zerstören die Motivation.

(Foto: Foto: dpa)

SZ: Wie war das Experiment, auf dem Ihre Studie beruht, aufgebaut?

Michael Kosfeld: Es war ein Spiel mit klaren Regeln. Die Hälfte der Teilnehmer erhielt 120 Punkte, die andere Hälfte gar nichts. Jeder Punktebesitzer konnte entscheiden, wie viel er einem ihm unbekannten Teilnehmer ohne Punkte abgeben wollte. Dieser durfte eine Mindestüberweisung in bestimmter Höhe festlegen, konnte das aber auch lassen. Das Ergebnis war eindeutig: Wer auf eine Mindestüberweisung verzichtete, wurde meist relativ großzügig beschenkt. Wer dagegen auf der Mindestüberweisung bestand, bekam auch nur diese Summe - und keinen einzigen Punkt mehr. Das bedeutet: Wer kontrolliert wird, gibt nur so viel, wie er unbedingt muss. Das lässt sich auf die Beziehung zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern übertragen.

SZ: Aber die Punkte hatten doch keine Bedeutung in der wirklichen Welt?

Kosfeld: Doch. 120 Punkte entsprachen 25 Schweizer Franken, das Geld wurde den Teilnehmern später ausgezahlt. Wir haben die Punktegeber nach dem Spiel befragt, was die Mindestüberweisung für sie bedeutet hat. Die meisten empfanden sie als Ausdruck von Misstrauen. Dadurch wurde ihre Motivation zerstört, großzügig zu geben.

SZ: Sollten Chefs also grundsätzlich nicht kontrollieren?

Kosfeld: Das hängt davon ab. Wenn jemand gar keinen Punkt abgeben will, ist sogar eine kleine Mindestüberweisung für den Spielpartner vorteilhaft - und wenn ein Vorgesetzter faule Mitarbeiter hat, erzielt er durch Kontrolle immerhin einen kleinen positiven Effekt. Wer aber motivierte Mitarbeiter hat, sollte darauf achten, kein Misstrauen zu signalisieren. Man kann ihnen zum Beispiel sagen, dass sie keine privaten Kopien machen sollen, und die Tür zum Kopierraum offen lassen. Oder man schließt die Tür immer ab. Im zweiten Fall entstehen keine Kosten durch unerlaubtes Kopieren, aber viel höhere versteckte Kosten, weil die Mitarbeiter demotiviert werden. Dieser negative Effekt ist übrigens besonders groß, wenn es sich um gut bezahlte Leute handelt. Hohe Löhne werden an sich schon als Zeichen von Vertrauen empfunden, das passt mit Kontrolle nicht zusammen.

SZ: Manchmal hat Kontrolle auch Vorteile für die Arbeitnehmer. Stechuhren können bewirken, dass jede Überstunde nachgewiesen und bezahlt wird.

Kosfeld: Wenn die Mitarbeiter das so verstehen, ist die Zeiterfassung kein Signal für Misstrauen. Vieles ist eine Kommunikationsfrage. Die Führung sollte ihre Gründe für die Kontrollen offenlegen und deutlich machen, dass nicht die ganze Belegschaft unter Generalverdacht steht. Es gibt ja auch Fälle, in denen die Mitarbeiter ohne Kontrolle gar nicht zeigen können, dass sie gut arbeiten, etwa im Callcenter. Ob jemand serviceorientiert oder freundlich ist, erfahren Vorgesetzte nur, wenn Gespräche mitgeschnitten werden. So kann man das den Mitarbeitern gegenüber auch begründen.

SZ: Hängt es mit dem Charakter eines Vorgesetzten zusammen, ob er viel oder wenig kontrolliert?

Kosfeld: Natürlich! Das erklärt auch die großen Unterschiede, die es in dieser Hinsicht zwischen einzelnen Abteilungen im selben Unternehmen gibt. Optimistisch eingestellte Vorgesetzte zeigen eher Vertrauen, Pessimisten erwarten weniger und kontrollieren mehr. Ein klarer Fall von self-fulfilling prophecy: Die Mitarbeiter der Pessimisten leisten tatsächlich weniger - und bestätigen damit seine Erwartungen. Gute Führung bedeutet auch, eine Vertrauenskultur zu schaffen. Manchen Managern fällt das schwer. Vertrauen baut sich über lange Zeit auf und geht extrem schnell verloren.

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