Polizei in Frankreich:Mein kleiner Freund und Helfer

Ende der Diskriminierung: In Frankreich dürfen jetzt auch Bewerber unter 1,60 Meter zur Polizei. Kritiker spotten bereits, hinter dem Dekret stecke Präsident Nicolas Sarkozy.

Stefan Ulrich, Paris

Wenn es um die Länge seiner Polizisten ging, war der französische Staat bisher eher kleinlich. Ein Dekret schrieb vor, Polizeibeamte müssten mindestens 1,60 Meter erreichen. Mit solcher Diskriminierung ist es nun vorbei. Das Arbeitsministerium veröffentlichte am Dienstag im Journal officiel - es entspricht dem Bundesgesetzblatt - einen Erlass, der eine Reihe alter Regeln für die Ordnungshüter abschafft.

DEUTSCH-FRANZÖSISCHE POLIZEISTREIFE IN KARLSRUHE

In der Karlsruher Innenstadt begleitet ein französischer Polizist einen deutschen Kollegen. Jetzt dürfte er auch kleiner als 1,60 Meter sein.

(Foto: dpa)

Neben der Größengrenze für Polizisten fällt das Gebot für Gefängnisbeamte, "dass ihre Korpulenz mit den ihnen anvertrauten Aufgaben vereinbar sein muss". Künftig dürfen auch dicke Wärter schwere Jungs bewachen. Für Zollamtsbewerber gibt es ebenfalls eine gute Nachricht. Sie mussten bisher "über eine Redeweise verfügen, die ein normales Verständnis erlaubt". In Zukunft dürfen sie nuscheln oder stottern.

Der Arbeitsminister begründete die neue Großzügigkeit mit den Worten, er wolle "die öffentliche Verwaltung ausnahmslos allen Franzosen öffnen". Das bedeutet jedoch nicht, dass nun jeder faule Schwächling seinen Platz bei der Polizei findet. Das Ministerium betont, die körperlichen Fähigkeiten der Kandidaten würden fortan individuell untersucht, je nachdem, ob der Bewerber etwa zur Kriminalpolizei, in die Kantine oder zum wissenschaftlichen Dienst wolle. Auch müssen Polizisten weiterhin in der Lage sein, "Waffen zu tragen und zu benutzen". Die in Frankreich übliche Dienstpistole der Firma Glock wiegt im geladenen Zustand 900 Gramm. Die sollte man schon stemmen können.

Die Polizeigewerkschaft Alliance zeigte sich erfreut, dass nun mit "parteiischen, diskriminierenden und ungerechten" Kriterien aufgeräumt werde. Die Eignung zum Polizisten lasse sich nicht anhand körperlicher Merkmale wie Länge oder Dicke festlegen. Fortan stehe der Beruf viel mehr Menschen offen. Genau das bezweifelt die Konkurrenz-Gewerkschaft Unité SGP-Police. Das neue Dekret sei lachhaft, findet sie. Es ändere gar nichts daran, dass in Frankreich praktisch keine neuen Polizisten mehr eingestellt würden. Aller Rhetorik zum Trotz ziehe sich der Staat aus der öffentlichen Sicherheit zurück. Die Zahl der Beamten nehme seit Jahren immer mehr ab.

Andere Kritiker bemerken, während die französischen Bürger im Schnitt immer größer würden, fielen die Staatschefs der Fünften Republik immer kleiner aus. Dies ist, mit Blick auf Charles de Gaulle und Nicolas Sarkozy, nicht zu bestreiten. Die Tageszeitung L'Alsace argwöhnt denn auch, hinter der Abschaffung der 1,60-Meter-Grenze stecke Sarkozy. Der Präsident wolle künftig mit den Beamten in den Kommissariaten auf Augenhöhe verkehren. Solcher Spott ist ungerecht. Denn Sarkozy hätte bereits nach den alten Regeln locker die Länge gehabt, um zur Polizei zu gehen. Zwar ist seine genaue Körpergröße heftig umstritten und Gegenstand mancher Anekdote. Selbst kleingeistige Gegner gestehen ihm aber 1,65 Meter zu.

Auch ein anderer berühmter Franzose wird gerne kleiner gemacht, als er war: Napoleon Bonaparte. Von der Nachwelt oft als Knirps dargestellt, brachte er es zeitgenössischen Messungen zufolge auf etwa 1,67 Meter. Die Rekruten der französischen Armee waren damals im Durchschnitt deutlich kleiner als ihr Kaiser. Unter einem Napoleon-Komplex brauchte Bonaparte daher nicht zu leiden.

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