#endlichfreitag zu Betriebsfeiern:Betreff: Schön war's mit dir ...

Kolumne #endlichfreitag

Wohl dem, der bei der Betriebsfeier rechtzeitig den Absprung schafft. Wobei: Irgendwie auch langweilig.

(Foto: SZ.de/Katharina Bitzl)

"Oh, wie wunderbar", denkt der Arbeitnehmer, auf der Bierbank schunkelnd, umgeben von seinen Lieblingskollegen. "Oh Gott", am Morgen danach. Der Kater ist quälend - und erst die Erinnerung!

Von Johanna Bruckner

Job-Kolumne #endlichfreitag

Endlich Freitag. Hochgefühl! Ein letzter Gedanke an die verpatzte Präsentation am Montag, ein Erschauern im Rückblick auf das Get-together am Mittwochabend, schnell noch ein Papierkügelchen in Richtung des Kollegen im Polohemd geschnippt: Was Arbeitnehmer im Büro erleben und warum es immer wieder schön ist, wenn die Arbeitswoche rum ist - darum geht es in der Kolumne #endlichfreitag.

Nichts schweißt so sehr zusammen wie ein gemeinsamer Feind, heißt es. Das stimmt natürlich nicht, denn es gibt etwas, das Arbeitnehmer einander noch näherbringt als der kollektive Groll auf den Chef: die Betriebsfeier. Ob nun zwischen Lebkuchen und Glühwein, bei einem Cocktail am Grill oder Maßkrug schwingend auf der Wiesn: Wenn Kollegen und Alkohol zusammenkommen, liegt Verbrüderung in der Luft. Manchmal auch Liebe - oder zumindest Leidenschaft. Und manchmal folgt das eine auf das andere.

Man erinnere sich an die legendäre Weihnachtsfeier des FC Bayern, auf der sich der Kaiser seiner Kleider und zweiten Gattin entledigt haben und sogleich in die weitere Familienplanung eingestiegen sein soll. Ein wahres Meisterstück des Multitaskings. Aus so einer Nummer ohne langfristigen Imageschaden und vor allem mit Job rauszukommen, gelingt auch nur einem Franz Beckenbauer. Wobei sich deutsche Gerichte bei Promille(un)fällen im Job durchaus großzügig zeigen: Den Sturz einer Lehrerin von einer Bierbank in einem Festzelt wertete das Verwaltungsgericht Stuttgart als Dienstunfall. Und auch das Sozialgericht Heilbronn erkannte den alkoholbedingten Sturz eines Betriebsrates bei einer Tagung als Arbeitsunfall an.

Die meisten Betriebsfeiern enden ohnehin weder mit einem Kindersegen noch vor dem Richter - was es aber nicht besser macht. Denn die Folgen eines Alkoholexzesses im Kollegenkreis können trotzdem quälend sein, nicht nur körperlich.

Was will mir das Zwinkersmiley sagen?

Da wird die Arbeitnehmerin auf Aspirin am Tag nach der Feier von der Kollegin mit einem wissenden Zwinkern begrüßt. "Eine optische Täuschung", versucht sie sich zunächst zu trösten, "ich habe meine Augen ja noch nicht mal richtig offen, dazu dieses gleißende Licht." Auch den signalgelben Post-it auf ihrem Bildschirm ignoriert sie. "Waaas!!!???", steht da, und noch ein verdammtes Zwinkersmiley. "Was waaas?", denkt sie. Doch dann in der Mittagspause hilft alles Verleugnen nichts mehr.

"Ich habe gehört, der Geyer hat dir gestern in der Tiefgarage sein neues Rennrad gezeigt. So nennt man das jetzt also!", sagt die eine Lunch-Verabredung. "Du! Und der Geyer! Ich fass' es nicht!", die andere. Dass nie so ganz geklärt werden kann, was denn nun passiert ist (beide Parteien berufen sich auf alkoholbedingte Amnesie und beteuern ihre Unschuld), befeuert die Gerüchteküche nur. Und verlängert den Kater auf Monate.

Oder der Arbeitnehmer, der ohne Kopfschmerzen, aber mit dem guten Gewissen zur Arbeit kommt, am Vorabend rechtzeitig den Absprung geschafft zu haben - nur um beim Öffnen des Mail-Accounts von Zweifeln überfallen zu werden. Eine Nachricht von der netten Kollegin zwei Büros weiter, abgeschickt um 00:24 Uhr, Betreff: "Schön war's mit dir ...". Mehr nicht. Ach doch, da, eine Freundschaftsanfrage bei Facebook.

Du, Chef, Schätzelein

"Worüber haben wir noch mal geredet", fragt er sich. "Habe ich ihr unbewusst Hoffnungen gemacht? Am besten kläre ich das gleich! Oder doch nicht? Nachher verstehe ich das ganz falsch ..."

Neuer und bis auf weiteres gültiger Beziehungsstatus der beiden Kollegen: verkrampft. Schlimmer ist nur, wenn die Chefetage involviert ist. Ein zu tiefer Blick ins Dirndl-Dekolleté, ein Spruch, der im Rausch wahnsinnig lustig, bei Nüchternheit nur noch wahnsinnig wirkt - und statt lobender Worte hat die Chefin nur noch eisige Blicke für einen übrig. Oder der Chef nimmt das Du zurück, weil man daraus im Überschwang der Feieregalität ein "Du, Schätzelein" gemacht hat.

Da wünscht man sich eine amerikanische Vergessenskultur in deutschen Büros. "What happens in Vegas, stays in Vegas", lautet das Credo der Partystadt schlechthin. Aber dass es von dieser Regel Ausnahmen gibt, wissen wir spätestens seit Britney Spears später annullierter Blitzhochzeit. Vorausschauende Vorgesetzte wären eine Alternative, die ihren Mitarbeitern jegliche Blamage ersparen, indem sie nach einer Mass den Trachtenhut nehmen und mit einem Schlenker über den Mandelstand nach Hause marschieren.

Goldgelbe Flüssigkeit im Glas

Andererseits: Wünschen wir uns nicht sonst immer Chefs, die nahbar sind? Wo ist man sich näher als auf einer Bierbank, während im Hintergrund Wolfgang Petry "Wahnsinn" singt?

Allerdings sollten Arbeitnehmer bei vermeintlich feierfreudigen Vorgesetzten aufpassen. Es soll schon Fälle gegeben haben, in denen der Chef bei seinem Einstand die Herzen im Sturm eroberte. Er wirbelte Mitarbeiterinnen zur Musik herum, klopfte Mitarbeitern kumpelhaft auf die Schulter - und stieß mit jedem an, der sich ihm und seinem Glas mit goldgelber Flüssigkeit näherte. "Ein Pfundskerl, der Neue", raunten sich die beschwipsten Kollegen zu. Bis dieser im Morgengrauen sagte: "Genug Apfelschorle für heute!", seinen Rollerhelm nahm und von dannen zog. Hölle, Hölle, Hölle.

In der kommenden Woche pausiert #endlichfreitag aufgrund des Feiertages - die nächste Folge gibt es am 10. Oktober.

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