Eklat an der Uni Göttingen:Prüfung einer Professorengattin

Ein Professor, seine studierende Frau und eine bestandene Nachprüfung: An der Uni Göttingen wirft die Kündigung eines Zahnmediziners Fragen auf.

Tanjev Schultz

An der Universität Göttingen hat ein Professor für Zahnmedizin seinen Job verloren, die Hochschule hat ihn vor die Tür gesetzt. Warum? Wer versucht, die Gründe zu verstehen, stößt auf viel Sonderbares: Eine Ehefrau, der die Hochschule großzügig am selben Institut, an dem ihr Mann lehrt, einen Studienplatz organisiert. Einen Professor, der auf Probe eingestellt wird, mit großem Schwung beginnt und die Missgunst von Kollegen zu spüren bekommt. Und eine Prüfung seiner Frau, die sie erst im zweiten Anlauf besteht - und ihrem Mann zum Verhängnis wird, weil die Uni ihm nun vorwirft, nicht genügend Abstand gehalten und die Bedingungen für die Nachprüfung verändert zu haben.

Eklat an der Uni Göttingen: Studenten der Zahnmedizin üben an Modell-Gebissen. In Göttingen kam es dabei zum Eklat.

Studenten der Zahnmedizin üben an Modell-Gebissen. In Göttingen kam es dabei zum Eklat.

(Foto: Foto: dpa)

"Schwerwiegender Verstoß gegen die gute akademische Praxis"

Weder die Hochschule noch der Zahnmediziner, der hier der Einfachheit halber Professor Meier heißen soll (sein echter Name sei verschwiegen), wollen zu dem Fall Näheres sagen. Es ist ein schwebendes Verfahren, die Parteien steuern auf einen Prozess vor dem Arbeitsgericht zu. Für die Uni entwickelt sich der Fall zu einem Politikum. Studentenvertreter und einige Professoren nehmen Meier in Schutz, sie halten den Rauswurf für mindestens überzogen, wenn nicht völlig unangemessen. Die Uni dagegen spricht von einem "schwerwiegenden Verstoß gegen die gute akademische Praxis".

Im Frühjahr 2009 hatte Meier den Ruf an die Universität Göttingen angenommen, etwa ein halbes Jahr später erhielt er die Kündigung. Viele Universitäten vereinbaren mittlerweile bei einer Erstberufung eine Probezeit (zum Ärger des Deutschen Hochschulverbands); dass sie ein Arbeitsverhältnis beenden, kommt aber so gut wie nie vor. Das hatte wohl auch Professor Meier geglaubt. Wie aus Dokumenten hervorgeht, die der SZ vorliegen, beruft sich Meier darauf, dass ihm der Dekan und eine Uni-Mitarbeiterin versichert hätten, seit 150 Jahren sei kein Professor in Göttingen gekündigt worden. Von der Uni wird bestritten, dass diese Aussage so gefallen ist.

Dual career oder Nepotismus?

Unstrittig ist, dass die Universität für Meiers Ehefrau, die andernorts Zahnmedizin studierte, einen Studienplatz in Göttingen besorgte. Solche Fürsorge für den Partner eines Professors ist vielerorts üblich. Entsprechende Programme sollen Wissenschaftlern den Wechsel erleichtern; also kümmern sich die Unis um Kita-Plätze für die Kinder und um einen Job für den Partner. Die Programme laufen unter dem Namen dual career - Kritiker könnten es Nepotismus nennen.

In Meiers Fall erhielt die Ehefrau also einen Studienplatz, und ausgerechnet in derselben Disziplin, in der ihr Mann lehrt und forscht. Die Meiers können sich den Vorwurf machen, auf diese Konstellation eingegangen zu sein. Das Angebot dafür machte aber die Universität. Und so kam es, dass sowohl Herr als auch Frau Meier ein- und ausgingen am Zentrum für Zahnheilkunde, sie als Studentin, er als Hochschullehrer. Glaubt man den Versicherungen wichtiger Zeugen, hat der Professor Wert darauf gelegt, Privates und Professionelles nicht zu vermischen. Genützt hat es ihm nichts.

Anwesenheit im Prüfungsraum

An einem Tag im Juni 2009 legte Frau Meier eine praktische Prüfung ab, was im zahnmedizinischen Studium eigentlich ständig passiert. Sie arbeitete an einem Phantomkopf, dort setzte sie an einem Zahn falsch an. Damit war Frau Meier, die ansonsten sehr gute Noten hatte, durchgefallen. Sie musste die Prüfung wiederholen, diesmal bestand sie.

Die Prüfungen nahm nicht ihr Mann ab, sondern ein anderer Arzt, dennoch wird Meier eine zu große Nähe vorgeworfen, mit der er sich auch über angebliche Weisungen des Dekans hinweggesetzt haben soll. So habe sich Professor Meier, wenigstens zeitweise, in dem Prüfungsraum, in dem außer Frau Meier noch andere arbeiteten, aufgehalten. Außerdem soll er eine Änderung bei den Modalitäten der Nachprüfung veranlasst haben (unter anderem ein weniger strenges Zeitlimit), die den Studenten zugutegekommen sei - und damit auch Meiers Frau.

Seilschaften fordern ihre Opfer

Es gehörte freilich zu den vereinbarten Aufgaben des Professors, Lehre und Prüfungen zu verbessern; offenbar hatte es oft Beschwerden und Unklarheiten bei Prüfungen gegeben. Der Kursleiter und Prüfer von Frau Meier sagt, der Professor habe nicht versucht, seine Frau zu begünstigen. Dennoch machte ein anonymes Schreiben die Runde, das Meier der Manipulation bezichtigte. Studentenvertreter vermissen eine "transparente Prüfung des Sachverhalts". Sie sprechen von Seilschaften, denen Professor Meier zum Opfer gefallen sein könnte.

Schon bei der Berufung hatte es Widerstände gegen Meier gegeben, es tauchten Plagiatsvorwürfe auf, die sich aber als haltlos erwiesen. In Meiers Abteilung gab es offenbar mindestens einen Kollegen, der die Arbeit Meiers, der mit frischen Ideen nach Göttingen kam, hintertrieb. Meier versuchte, die Lehre und die Betreuung der Studenten zu reformieren, das mag nicht allen gefallen haben. Die Unileitung erklärt, von Mobbing sei ihr nichts bekannt.

Harter Schnitt

In kurzer Zeit warb Meier auch ein von der DFG gefördertes Forschungsprojekt ein. Unter anderen Umständen hätte ihn die Uni belobigt. Statt eines klärenden Gesprächs suchte die Uni den harten Schnitt und überreichte Meier die Kündigung.

Indirekt könnte er dabei auch zum Opfer einer ganz anderen Affäre geworden sein, die die Universität Göttingen zur fraglichen Zeit in Bedrängnis brachte. Im vergangenen Jahr flogen mehrere Wissenschaftler der Uni auf, die in einem anderen Fachbereich Forschungsgelder nicht korrekt verbucht und außerdem falsche Angaben zu ihren Publikationen gemacht hatten. Der Fall machte bundesweit Schlagzeilen, die Hochschulleitung unter dem Präsidenten Kurt von Figura stand unter öffentlichem Druck.

Angst vor schlechten Nachrichten

Da hatte die Universität im Falle Meiers allen Grund, Angst vor weiteren schlechten Nachrichten zu bekommen, wenn sie nicht hart einschritt: Ein Professor, der in den Ruch kommt, seine Frau durch eine Prüfung geschleust zu haben - wollte die Hochschule den Eindruck vermeiden, Mauscheleien zu decken, musste sie etwas unternehmen. Freilich: In dieser Logik hätte sie es von vornherein nie zulassen dürfen, dass Frau Meier am Institut ihres Mannes studierte und von dessen Mitarbeitern geprüft wurde.

Meiers Schicksal ist nur eine Fußnote in der Geschichte der ehrwürdigen Universität Göttingen. Aber im Leben der Meiers entfaltet die Episode eine ungeheure Wucht. Es geht nicht nur um die Stelle, um das Geld und die Karriere. Es geht auch um den Ruf und die Ehre eines Mannes, der sich in eine höchst unglückliche Lage manövrieren ließ.

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