Arbeitsplatz:In deutsche Unternehmen zieht das große Duzen ein

Um junge Arbeitnehmer für sich zu gewinnen, versuchen nun auch traditioneller orientierte Unternehmen, sich ein lockereres Image zu geben. Nicht alle fühlen sich damit wohl.

Von Angelika Slavik

Bei Otto haben sie jetzt diese neue Sache: Erst ein paar Monate ist es her, seit Hans-Otto Schrader, Vorstandschef des Versandhandelskonzerns, seinen Mitarbeitern kollektiv und öffentlichkeitswirksam das Du angeboten hat. Wer immer den Chef nun zufällig auf dem Flur trifft, und sei es zum ersten Mal überhaupt, könnte also rufen: "Hansi! Du, ich hätte da mal 'ne Frage."

Schrader, der Chef, sagt, er habe sich sehr schnell an die neue Ansprache gewöhnt. Karl-Heinz Grussendorf, der Betriebsrat, sagt, seine Leute seien nun "manchmal ein bisschen verwirrt. Es ist nicht immer jedem gleich klar, wer in welcher Runde jetzt eigentlich wen duzen soll" und ja: Es gibt "bei uns auch Menschen, die diese neue Sache nicht so toll finden".

In Deutschlands Unternehmen zieht gerade die demonstrative Coolness ein - und mit ihr das große Duzen. Der Erfolg und der wachsende Einfluss der vielen Start-ups aus der Digitalbranche haben die Erwartungen an Umgangsformen im Büro offensichtlich grundsätzlich verändert. Soll heißen: Je öfter von den Schaukeln, den Rutschen und den Ruhe-Lounges in den Büros von Google zu lesen ist, desto verstaubter wirken im Vergleich dazu Anzugpflicht, Vorzimmerdame und Eckbüro.

Bei Start-ups wird eher geduzt

Dazu kommt eine Generation von jungen Arbeitnehmern, die mit traditionellen Vorstellungen von Macht und Etikette oft nur noch wenig anfangen können. Um diese Leute für sich zu gewinnen, versuchen nun viele, eigentlich traditioneller orientierte Unternehmen, sich ebenfalls ein lockereres Image zuzulegen.

Bloß: Nicht alle fühlen sich damit wohl. Tanja Baum ist Unternehmensberaterin, mit ihrer "Agentur für Freundlichkeit" arbeitet sie für Mittelständler ebenso wie für große Konzerne wie Daimler oder die Deutsche Post. "Die Frage des Duzens war bei unseren Aufträgen in der jüngsten Zeit immer ein Thema", sagt sie.

Ob ein lockerer Umgangston einem Unternehmen gut tut, sei gar nicht so einfach zu beantworten. Schließlich träfen vor allem bei mittelständischen Unternehmen Menschen mit vielen verschiedenen Erwartungshaltungen aufeinander. "Wer bei einem Start-up anfängt oder bei Ikea, der weiß natürlich, dass dort jeder von jedem geduzt wird." Bei anderen Unternehmen sei das komplizierter, weil dort die Mitarbeiter viel heterogener seien.

Warum die Entscheidung zwischen Du und Sie gerade in Deutschland besonders heikel ist und zu Missverständnissen führen kann, welche Strategie Vorgesetzte verfolgen, wenn sie sich duzen lassen und wie sich ein Du zwischen Chef und Mitarbeiter in der Gehaltsverhandlung auswirkt, lesen Sie mit SZ Plus.

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