Süddeutsche Zeitung

Zum Tod von Guido Westerwelle:Was über akute Leukämie bekannt ist

  • Leukämie ist eine schwere Blutkrankheit.
  • Bei einer Leukämie entstehen unreife, nicht funktionstüchtige Vorläuferzellen der weißen Blutkörperchen.
  • Immer weniger gesunde Blutzellen bilden sich, die gesamte Zusammensetzung des Bluts gerät aus dem Gleichgewicht.
  • Pro Jahr erkranken etwa 13 000 Menschen.

Von Felix Hütten

Ohne Blut geht nichts im Körper. Blut versorgt alle Organe des Menschen mit Sauerstoff, Hormonen und Nahrung. Doch Blut kann krank werden. So krank, dass der gesamte Körper betroffen ist.

Leukämie ist die schwerste Form einer Blutkrankheit. Sie wird umgangssprachlich Blutkrebs genannt. Im Blut schwimmen verschiedene Arten von Zellen: rote und weiße Blutzellen und Blutplättchen, die bei der Blutgerinnung mithelfen.

Alle diese Blutkörperchen haben einen gemeinsamen Ursprung: Stammzellen im Knochenmark. Weil Blutzellen absterben, muss das Knochenmark ständig neue produzieren. Das ist wichtig, denn sonst könnte ein Mensch bei Blutverlust nicht überleben. Gesunde weiße Blutzellen, auch Leukozyten genannt, sind außerdem wichtig für die Immunabwehr des Körpers. Bei einer Leukämie entstehen unreife, nicht funktionstüchtige Vorläuferzellen der weißen Blutkörperchen.

Unterschieden wird zwischen einer akuten und einer chronischen Erkrankung

Die unreifen Vorstufen der weißen Blutkörperchen vermehren sich rasant, verdrängen gesunde Zellen im Knochenmark und sammeln sich im Blut. Immer weniger gesunde Zellen bilden sich, die gesamte Zusammensetzung des Blutes gerät aus dem Gleichgewicht. Patienten leiden unter einer gestörten Immunabwehr und Blutgerinnung, die Sauerstoffversorgung der Organe verschlechtert sich.

Unterschieden wird zwischen einer akuten und einer chronischen Erkrankung. Bei der chronischen Leukämie schreitet die Krankheit langsamer fort, während Patienten mit einer akuten Leukämie sofort behandelt werden müssen. Guido Westerwelle litt an einer akuten myeloischen Leukämie, die etwa 20 Prozent aller Leukämiefälle ausmacht. Die unreifen Zellen dieser Form stammen von myeloischen Vorläuferzellen ab. Sie produzieren normalerweise Blutzellen, nicht aber Immunzellen.

Nach Angaben des Krebsregisters des Robert-Koch-Instituts erkrankten 2012 knapp 13 000 Menschen in Deutschland an einer Leukämie, 7600 Menschen sind in diesem Jahr an der Krankheit gestorben. Fünf Prozent aller Erkrankten sind Kinder unter 15 Jahren. Laut Krebsregister verstirbt in den ersten fünf Jahren nach Ausbruch der Krankheit etwa die Hälfte aller Leukämie-Patienten.

Diffuse Schmerzen in Knochen und Gelenken

Die Symptome der Krankheit sind vielfältig und für den Laien nicht immer sofort erkennbar. Akute Leukämien, wie bei Guido Westerwelle, treten plötzlich auf, der Zustand eines Patienten verschlechtert sich binnen weniger Tage. Die meisten Leukämiepatienten sind extrem müde und blass, leiden unter diffusen Schmerzen in Knochen und Gelenken. Manche haben häufig Nasenbluten, kleine Verletzungen bluten lange nach. Im Ultraschall zeigt sich oftmals eine vergrößerte Milz, auch Lymphknoten schwellen an.

Unklar ist bis heute, was eine Leukämie im Körper auslöst. Zu den wichtigsten Risikofaktoren zählt hochdosierte Strahlung, wie zum Beispiel bei einer Strahlentherapie. Unter Verdacht stehen zudem bestimmte chemische Substanzen wie Benzole oder bei der Chemotherapie verwendete Krebsmedikamente.

Sehr wahrscheinlich entsteht die Krankheit durch einen Fehler bei der Zellteilung, der rein zufällig passiert. Für Patienten ist diese Tatsache einerseits entlastend, denn sie müssen nicht länger nach einem Grund ihrer Krankheit suchen. Andererseits ist es für viele Menschen schwierig zu akzeptieren, dass die Erkrankung ohne Kontrollmöglichkeit den Körper erfasst.

In den meisten Fällen überleben einzelne Zellen

Mittels Chemotherapie versuchen Ärzte, Leukämiezellen so weit zurückzudrängen, dass sie in Blutproben fast nicht mehr nachweisbar sind. Allerdings bedeutet dies keine Heilung. In den meisten Fällen überleben einzelne Zellen - die Krankheit kann daher wieder aufflammen. Versagen übliche Behandlungsmethoden, besteht in Einzelfällen die Möglichkeit einer Stammzelltransplantation. Hier werden Kranken gesunde Blutstammzellen übertragen. Guido Westerwelle wurde mit einer solchen Stammzelltransplantation behandelt - ohne Erfolg. Der FDP-Politiker und ehemalige Außenminister vestarb am 18. März 2016 im Alter von 54 Jahren.

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