Ernährung:Muss Zucker besteuert werden?

Lesezeit: 3 min

Mehr als 30 Kilogramm Zucker verputzt ein Deutscher im Jahr - 90 Gramm am Tag. Die Hälfte gilt als unbedenklich. (Foto: imago)

Die britische Regierung will so den Konsum von Cola und Limo einschränken. Ein Modell auch für Deutschland? Ernährungsminister Schmidt ist skeptisch.

Interview von Guido Bohsem, Berlin

Mit Salz haben die Briten bereits ihre Erfahrungen gemacht. Seit 2003 haben Wissenschaftler, Lebensmittelindustrie und Politik durch einen Aktionsplan den Salzgehalt von im Supermarkt angebotenen Produkten um 20 bis 40 Prozent gesenkt. Der tägliche Salzkonsum der Briten nahm bis 2011 von 9,5 auf 8,1 Gramm ab. Die Consensus Action on Salt and Health (CASH) gilt daher als Erfolg. 2014 machte die Gesellschaft dann das nächste Ziel aus: den Zucker. Als einen Teil der Strategie kündigte Finanzminister George Osborne Mitte März eine Steuer auf zuckerhaltige Limonaden an, um den Konsum zu senken.

Seitdem läuft die Diskussion über den Kampf gegen den Zucker. Für Deutschland lehnt Ernährungsminister Christian Schmidt (CSU) eine solche Steuer ab. Sinnvoller sei es, die Menschen von einem gesunden Lebensstil zu überzeugen. Sie müssten schon in der Schule eine Ernährungskompetenz aufbauen, meint er. Aber wie ungesund ist Zucker eigentlich? Und würde eine Steuer wirklich helfen? Die SZ beantwortet die wichtigsten Fragen.

Ist Zucker wirklich so gefährlich?

Zu den lautesten Warnern gehört der amerikanische Endokrinologe Robert Lustig. In seinem über Youtube international bekannt gewordenen Vortrag "Zucker: die bittere Wahrheit", sagt er den Satz: "Zucker ist Gift". Der britische Starkoch Jamie Oliver verkündete kürzlich, er führe einen Krieg gegen Zucker. Klar erforscht ist, dass es einen Zusammenhang zwischen Übergewicht und einer Reihe von chronischen Erkrankungen gibt, wie Herzerkrankungen oder Diabetes Typ 2. Ein direkter Zusammenhang zwischen Zuckerkonsum und diesen Krankheiten ist hingegen schwer zu beweisen. Auffällig ist jedoch, dass mit der Zunahme des Zuckerkonsums über die letzten Jahrzehnte auch die Zahl der Dicken immer weiter gewachsen ist.

Ernährung
:Wie die Industrie die Zucker-Gefahr verharmlost

Zu viel Zucker kann krank machen. Die mächtige Lobby bestreitet das - deutsche Politiker zögern.

Von Silvia Liebrich und Jakob Schulz

Wie viel Zucker darf man pro Tag essen?

Etwa 33 Kilogramm Zucker verzehrt jeder Deutsche pro Jahr. Das macht rund 90 Gramm pro Tag. Der Konsum ist seit Jahrzehnten nahezu unverändert und steigt anders als oft berichtet nicht an. Zuviel Zucker ist das trotzdem: Den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation zufolge sollten Erwachsene nicht mehr als 50 Gramm (15 Stück Würfelzucker) und Kinder lediglich 25 Gramm Zucker am Tag verzehren. In einer Tafel Schokolade befinden sich etwa 55 Gramm.

Tatsächlich gibt es Untersuchungen, wonach sich die Geschmacksnerven des Menschen sowohl an Zucker als auch an Salz gewöhnen. Das heißt, dass die individuell gewünschte Menge des Stoffes tendenziell ansteigt. Kritiker der Lebensmittelindustrie führen an, dass Zucker in immer mehr Lebensmitteln vorkommt, so zum Beispiel in Milchprodukten, aber auch in herzhaften Lebensmitteln wie Leberwurst oder Fertig-Salaten.

Von rund 600 000 Nahrungsmitteln auf dem US-Markt enthalten gut 80 Prozent Süßungsmittel. Der weltweite Zuckerverbrauch liegt bei 168 Millionen Tonnen pro Jahr. Innerhalb der vergangenen 50 Jahre hat er sich verdreifacht. Kritiker sprechen von einer "adipogenen Umwelt", einer Umgebung also, die Fettleibigkeit fördert.

USA
:Dokumente der Zuckerindustrie belegen Einfluss auf die Politik

Nach dem Vorbild der Tabak-Konzerne: Die Zuckerindustrie beeinflusste jahrzehntelang Gesundheitspolitiker und Zahnarztverbände. Ihr Ziel: Die schädliche Wirkung auf die Zähne sollte verschleiert werden.

Von Werner Bartens

Warum eine Steuer auf Limonade?

Die Menge an Zucker in Limonaden und anderen Erfrischungsgetränken ist sehr hoch. In einem Liter Cola sind etwa 100 Gramm enthalten - das entspricht 30 Stück Würfelzucker. In einem Liter Eistee finden sich 80 Gramm. Aber auch in Säften ist der Zuckeranteil hoch: Apfelsaft kommt - je nach Sorte - auf rund 100 Gramm pro Liter, Orangensaft auf etwa 80 Gramm. Weniger süß sind naturgemäß Saftschorlen, in denen die Säfte mit Wasser verdünnt werden. Als gefährlich gelten die Getränke deshalb, weil mit ihnen viele Kalorien aufgenommen werden, ohne ein Sättigungsgefühl zu erzeugen. Sie gelten deshalb als stärkere Dickmacher als Schokoriegel mit derselben Kalorienzahl.

Es besteht der Verdacht, dass die Getränke auch das Risiko erhöhen, an Diabetes Typ 2 zu erkranken. Etwa 155 Liter Erfrischungsgetränke und Säfte trank jeder Deutsche 2011. Laut Robert-Koch-Institut trinken Männer mehr davon als Frauen. Menschen mit niedrigem Sozialstatus trinken mehr Süßes als Menschen mit einem mittleren oder hohen. Mit zunehmendem Alter konsumieren alle Gruppen immer weniger zuckerhaltige Getränke. Kinder hingegen nehmen etwa die Hälfte ihres Bedarfs an Flüssigkeiten über Erfrischungsgetränke und Säfte auf, obwohl sie eigentlich vor allem Wasser trinken sollten.

Wie hoch ist die Steuer?

In Großbritannien werden je nach Zuckergehalt umgerechnet 23 Cent oder 30 Cent pro Liter erhoben. Es wird mit Einnahmen von 660 Millionen Euro pro Jahr gerechnet. Auch in Frankreich, Finnland und Ungarn gibt es Abgaben auf Zucker. In Mexiko liegt die Steuer seit 2014 bei zehn Prozent des Preises. Nach der Einführung ist der Konsum um etwa sechs Prozent gesunken. Viele Mexikaner verzehren also trotz der Steuer weiterhin zuckerhaltige Getränke. Am meisten schränken sich offenbar ärmere Schichten ein. Die Steuer hat deshalb den Ruf, sozial unausgewogen zu sein.

Hilft Aufklärung?

Das hofft zumindest die große Koalition. Im vergangenen Jahr hat sie ein Präventionsgesetz auf den Weg gebracht, das den Weg dazu ebnen soll. Besonderes Augenmerk gilt dabei der Zahl der an Diabetes Typ 2 erkrankten Patienten. Nationales Gesundheitsziel ist es demnach, das Erkrankungsrisiko zu senken sowie die Kranken früh zu erkennen und zu behandeln. Laut Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) soll ein Bewusstsein geschaffen werden, damit Krankheiten wie Diabetes gar nicht erst entstehen.

© SZ vom 31.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: