Süddeutsche Zeitung

Zöliakie:Wo Gluten drinsteckt

Wer an Zöliakie leidet, muss sehr genau auf die Zutatenlisten schauen. Gluten verbirgt sich nicht nur in Lebensmitteln, sondern auch in Medikamenten und Zahnpasta. Besonders schwierig wird es beim Essen außer Haus.

Von Katja Schnitzler

Gluten ist im Müsli, in der Pizza und im Brot. Es versteckt sich aber auch in Nahrungsmitteln, in denen es kaum jemand vermutet: Das Klebereiweiß wird von Herstellern gerne als zusätzliches, verbindendes Element genutzt. Wer die Zutatenliste nicht genau liest, übersieht etwa Mehl im Joghurt, im tiefgefrorenen Rahmgemüse oder in der Schokolade. Auch diese geringen Mengen haben Folgen für Menschen mit Zöliakie, die schon auf kleinste Spuren von Gluten reagieren.

Und nicht nur in Nahrungsmitteln verbirgt sich Gluten, auch etwa bei Zahnpasta, Medikamenten oder Lippenpflegestiften wird manchmal das Klebereiweiß untergemischt: Die Finger sollten Zöliakiepatienten von Ware lassen, die Triticum (Weizen), Hordeum (Gerste) oder Avena (Hafer) enthalten.

Warnhinweis ernst nehmen?

Oft wird auf dem Produkt aber auch gewarnt: "Kann Spuren von Gluten enthalten" oder "wird in einer Fabrik hergestellt, in der auch glutenhaltige Nahrungsmittel verarbeitet werden". Das heißt, dass derjenige Zöliakiepatient Pech hat, der ausgerechnet eine Milchschokoladentafel erwischt, die als erste nach den Keksriegeln übers Laufband rutschte. Trotzdem schätzen Ernährungsexperten die Gefahr der Verunreinigung meist als gering ein, einige Hersteller würden sie nur zur eigenen rechtlichen Absicherung aufdrucken, so dass diese Warnhinweise von den Betroffenen ignoriert werden dürfen. Im Zweifel hilft die Lebensmittelliste der Zöliakiegesellschaft weiter. Sie kann bei der Gesellschaft bestellt werden.

Inzwischen bieten Supermärkte auch ein immer breiter werdendes glutenfreies Sortiment an: von Mehl und Tortellini über Kuchen bis hin zu Fleischbällchen. Die Hersteller merken: "Glutenfrei" ist zum Kaufanreiz geworden - dank derer, die fälschlicherweise an einen Gesundheitsvorteil durch Verzicht auf Weizen glauben. Dieser Trend hat für Menschen mit Zöliakie den Vorteil, dass sie aus immer mehr glutenfreien (aber stets teureren) Waren wählen können. Es hat den Nachteil, dass sie nicht immer ernst genommen, sondern für heikle Mode-Hysteriker gehalten werden - denen man schon mal die eine oder andere Glutenquelle in der Küche verschweigen kann.

Vorsicht im Restaurant

Besonders schwer haben es Betroffene, wenn sie außer Haus essen - vor allem wenn Laien der Ansicht sind, dass der Kunde vor ihnen etwas übertreibt mit dieser Glutenunverträglichkeit. Oder selbst Köche, Kellner oder Verkäufer nicht wissen, auf welche Weise Gluten andere Speisen kontaminiert.

Selbst wenn Pommes gar nicht in Mehl gewälzt sind, können sie Entzündungen auslösen - es reicht, wenn die eigentlich glutenfreien Kartoffelstäbchen in Öl frittiert werden, in dem bereits Paniertes brutzelte. Soßen und Suppen werden zur Glutenquelle, wenn sie mit Mehlschwitze gebunden werden. Und ein Omelette, wenn es mit einer Prise Mehl luftiger geschlagen wird. Manche Restaurants verwenden zum Blanchieren des Gemüses das heiße Nudelwasser - schon ist das eigentlich von Natur aus glutenfreie Gemüse nicht mehr essbar. Nur erfährt der Betroffene von der Verunreinigung erst, wenn sein Bauch schmerzt. Oder wenn beim ärztlichen Bluttest die Gliadin-Antikörper wieder erhöht sind, obwohl doch die Diätregeln strikt befolgt wurden.

Erleichterung bringt eine seit Ende 2014 geltende Verordnung: Inhaltstoffe, die Allergien oder Unverträglichkeiten auslösen können, müssen in Kantinen, Restaurants und beim Thekenverkauf einsehbar sein. Worüber Wirte klagen, ist für Konsumenten ein Vorteil. So kann die Eisdielenverkäuferin das Kind mit Zöliakie nicht mehr mit den Worten abwimmeln: "Ob da Gluten drin ist, weiß ich nicht. Da musst du unseren Eismeister fragen. Der ist morgen früh um acht wieder da."

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